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Rad-an-Rad-InterviewRick Zabel über Corona-Opfer: „Menschen, die einem nahe stehen“

Rick Zabel

Radprofi Rick Zabel traf sich mit EXPRESS-Reporter Uwe Bödeker zu einer kleinen Trainingsrunde.

von Uwe Bödeker (ubo)

Köln – Die Corona-Pandemie legt das öffentliche Leben in weiten Teilen lahm. Momentan ist Sport im Freien aber noch gestattet, sogar zu Zweit.

Wenn man den Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern einhält, ist alles okay. Wir begleiteten Radprofi Rick Zabel (26, Team Israel Start-Up Nation) auf einer Trainingsrunde mit dem Rennrad und sprachen mit ihm über die derzeitige Situation.

Sie waren auch schon in Quarantäne, wie war das?

Alles zum Thema Tour de France

Das war schon Ende Februar im Rahmen der UAE-Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wir waren zwei Tage im Hotelzimmer eingeschlossen, die Tour wurde abgesagt, wegen ein paar Coronafällen im Fahrerfeld. Damals habe ich mir voll den Stress gemacht, weil ich rund eine Woche verplempert hatte und die Frühjahrsklassiker vor der Tür standen. Ich habe noch nicht gedacht, dass es von Asien rüber schwappt. Ich dachte, wir seien in Europa sicher. Ich habe mich dann auch zweimal testen lassen, beidemale war das Ergebnis negativ.

Rick Zabel: In Spanien fahren sie im Keller oder auf dem Balkon

Dann ging es schnell mit Corona…

Ja, alles wurde nach und nach abgesagt und an Italien oder Spanien sieht man, wie schlimm es kommen kann. Ich bin froh, dass ich hier wenigstens noch alleine draußen mit dem Rad fahren kann. In Spanien und Italien sind die Kollegen seit Wochen daheim und fahren nur auf der Rolle im Keller oder auf dem Balkon.

Reagiert Deutschland für Sie gut auf die Pandemie?

Ich bin da vom Typ her einer, der in solchen Situationen voll auf die Experten hört. Wenn die Virologen sagen, dass wir alles tun müssen, um eine Ausbreitung zu verhindern, dann ist das so. Zudem haben wir im Team schon traurige Fälle erlebt, weil Eltern von Mechanikern verstorben sind. Wir reden hier also nicht von abstrakten Todeszahlen, sondern von Menschen die einem nahe stehen. Wir müssen uns alle gegenseitig schützen. Das hat momentan einfach Priorität.

Wie gehen Sie sportlich mit der Situation um?

Das ist echt nicht so einfach, weil ich quasi ins Nichts hinein trainiere. Ich versuche trotzdem täglich rund 100 Kilometer zu fahren. Ich muss vor 10 Uhr im Sattel sitzen, sonst fällt es mir schwer von der Motivation her. Zuletzt hat mir mein Trainer einen Plan geschickt, bei dem ich intensive Intervalle fahren soll, also wirklich voll über die Grenzen hinausgehen muss. Da frage ich mich dann schon, wofür ich mich da gerade selbst quäle. Aber ich hoffe, dass wir in diesem Jahr wieder Rennen fahren können.

Rick Zabel: Bei der Tour de France bin ich Romantiker: Entweder ganz oder gar nicht!

Wäre für Sie eine Tour de France ohne Zuschauer denkbar gewesen?

Nein, nicht wirklich. Ich bin da Romantiker und meine, dass es auch nur Sinn macht, wenn einen die Fans am Straßenrand die Alpenpässe raufbrüllen. Das gehört doch einfach dazu. Und ich würde bei solchen Events sagen: Ganz oder gar nicht. Jetzt sieht alles nach einer Verschiebung aus, warten wir den 15. Mai ab, da soll eine Entscheidung fallen.

Ist es denkbar, das Radrennen virtuell ausgetragen werden? Zwift bietet Fahrten auf dem Radcomputer an, da könnten alle Profis gegeneinander antreten, sitzen aber daheim auf der Rolle.

Die Gedanken gibt es, aktuell auch bei der Tour de Suisse. Aber ich glaube nicht, dass man sich darauf einigen kann, und das am Ende alle mit dem Produkt zufrieden sind. Die Deutsche Meisterschaft auf Zwift war auch angedacht, ist aber gescheitert. Das liegt an Sponsoren, ebenso an möglichen Kontrollen. Wer fuschen will, könnte sich daheim ein E-Bike mit Motor auf die Rolle stellen. Zudem ist das virtuelle Fahren etwas ganz anderes. Da kann man mit Volldampf die Berge runterfahren ohne Sturzgefahr. Bei echten Radrennen gehört aber Fahrtechnik genauso dazu wie Windschattenfahren oder Taktik. Das fehlt virtuell dann schon.

Hat die Krise auch wirtschaftliche Auswirkungen für Sie?

Momentan noch nicht, ich bekomme weiter mein volles Gehalt. Aber es gibt schon Teams, die haben Gehaltskürzungen vorgenommen. Es verzichtet zwar keiner gerne auf Geld, aber wenn es drauf ankommt, wäre ich auch solidarisch. Für den Radsport wird es bestimmt noch kritisch, wenn keine Tour gefahren wird. Da werden sich bestimmt viele Sponsoren fragen, warum und wofür sie noch Geld bezahlen.

Helfen die Teams ihren Fahrern auch durch die Krise mit psychologischen Ratschlägen? Es geht die Angst um, dass einige Profisportler sich das Leben nehmen, weil alle Ziele geplatzt sind und sie alles auf eine Karte gesetzt haben.

Ja, wir bekommen schon Hilfe angeboten. Es macht momentan ja keinen Sinn Druck auf die Sportler auszuüben, den Druck macht sich jeder schon selbst. Und für viele Sportler bricht wirklich eine Welt zusammen. Da ist zum Beispiel Jürgen Klopp, der mit dem FC Liverpool nach 30 Jahren erstmals Englischer Meister geworden wäre. Selbst wenn die Liga ohne Fans zu Ende gespielt wird, wäre das nicht die Meisterschaft, die man sich erträumt hat. Und dahinter sind es zehntausende Einzelschicksale. Vom Athleten, der sich endlich für Olympia qualifiziert hat bis hin zu Leon Draisaitl, der Torschützenkönig in der NHL geworden wäre.