Corona-AuswirkungenÜbertrieben oder berechtigt? Van Almsick schlägt Schwimm-Alarm

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Franziska van Almsick setzt sich schon lange für das Schwimmenlernen bei Kindern ein. Das Foto zeigt sie bei der Verleihung der goldenen Sportpyramide im November 2020 mit dem ehemaligen Tischtennisspieler Hans Wilhelm Gäb.

Heidelberg – Durch die Corona-Pandemie sind nicht nur die Fitnessstudios, sondern auch die Schwimmbäder schon seit einiger Zeit geschlossen.

Für viele Menschen ist das derzeit schwer zu ertragen, obwohl die Menschheit momentan wirklich wichtigere Probleme, Sorgen und Nöte hat.

Die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin Franziska van Almsick (42) sieht derzeit eine große Gefahr – immer weniger Kinder würden Schwimmen lernen.

„Es ist natürlich eine mittelschwere Katastrophe, dass die Schwimmbäder geschlossen sind“, sagte van Almsick in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur. „Ich befürchte, dass eine ganze Generation von Kindern entweder extrem schlecht oder gar nicht sicher schwimmen kann.“

Von einer ganzen Generation zu reden, ist schon etwas übertrieben, sind Bäder doch erst seit wenigen Monaten dicht. Und das Schwimm-Problem in Deutschland war schon weit vor der Corona-Pandemie zu erkennen.

Immer mehr Kinder sind keine sicheren Schwimmer

Laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft waren 2017 bundesweit schon 59 Prozent der Mädchen und Jungen keine sicheren Schwimmer, wenn sie die Grundschule verlassen haben.

Als sichere Schwimmer hat die DLRG dabei die Kinder gerechnet, die entweder das Schwimmabzeichen Bronze, Silber oder Gold besitzen.

Wie Van Almsick rechnet auch die Organisation damit, dass sich die Lage aufgrund der geschlossenen Bäder weiter verschlechtern wird. „Wir werden zumindest einen kompletten Jahrgang nicht ausgebildet haben können“, sagt Sprecher Achim Wiese. „Die Entwicklung wird dadurch noch dramatischer.“

Schwimmkurse fallen aus, schon jetzt gibt es lange Listen von Kindern, die auf einen Platz zum Schwimmen lernen warten.

Seit Beginn des zweiten Teil-Lockdowns Anfang November, und verstärkt während der aktuell noch verschärften Maßnahmen gegen die Pandemie, können Kinder allerdings viele Sportarten nicht ausüben. Eigentlich können sie nur alleine laufen gehen oder mit dem Rad fahren.

Franziska van Almsick: „Schwimmen ist überlebenswichtig“

Fußball, Handball, Basketball oder Judo und viele andere Sportarten sind jedoch unmöglich, da alle Sportstätten geschlossen sind.

Aus van Almsicks Sicht ist das jedoch nicht mit dem Schwimmenlernen vergleichbar. „Es ist nicht wie Klavierspielen oder Fußballspielen, woran man einfach nur Spaß hat“, sagt die Mutter zweier Söhne. „Wenn man nicht schwimmen kann, kann das dazu führen, dass man ertrinkt. Das ist ein Risiko, das man in seinem Leben ausschließen kann und auch sollte.“

Van Almsick, die das Schwimmenlernen bei Kindern mit einer Stiftung fördert, weiß, dass die Lösung des Problems in der aktuellen Lage schwierig ist. Es gab Überlegungen, ob man Schwimmenlernen irgendwie digital fördern könne. „Am Ende kam aber die Einsicht, dass man sicherlich den einen oder anderen hilfreichen Tipp digital geben kann, aber letztendlich muss man einfach ins Wasser.“

Die viermalige Olympia-Silbermedaillengewinnerin sieht dennoch eine Möglichkeit, die Krise zu nutzen.

„Man kann die aktuelle Situation auch als Chance nehmen, um zu sagen: ‚Jetzt wollen wir wirklich etwas verändern‘“, sagte van Almsick. „Die Regierung hat im Moment andere Sorgen und andere Probleme. Aber wenn ein bisschen Ruhe eingekehrt ist, muss man eigentlich direkt kommen und sagen: ‚Durch Corona ist dieses Problem aufgetreten und jetzt müssen wir etwas ändern für die Zukunft.‘“ (jh / dpa)