Reizfigur Ahmet Öner im Interview„Ich bin kein Heiliger, aber auch kein Bad Boy“

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Promoter Ahmet Öner mit Schauspieler Mickey Rourke und Boxer Avni Yildirim (v.l.) bei der FOX-Boxing-Show in Los Angeles.

von Oliver Reuter (reu)

Köln – Treffen mit einer Reizfigur.

Ahmet Öner (47) sitzt zum Gespräch im Kölner Hauptbahnhof. Der schillernde Boxpromoter mit der kurzen Zündschnur ist nach Istanbul gezogen, nachdem er sich zu oft mit Klitschko-Manager Bernd Bönte (63) gezofft hatte.

Hier gibt's das Video zum jüngsten Öner-Ausraster.

Alles zum Thema Felix Sturm

Zuletzt war er im März 2018 in Köln, als sein Boxer Avni „Mr. Robot“ Yildirim (27) im Sartory Derek Edwards (39, USA) besiegte (hier mehr dazu). Yildirim kämpft am 23. Februar in Minneapolis gegen US-Boxer Anthony Dirrell (34) um den vakanten WBC-Titel.

Mit dem in der Tasche will Öner einen WM-Kampf in Deutschland. Das Interview über das deutsche Boxen.

Da gab es jüngst Kontroversen. Vor allem in Person von Felix Sturm (39), der nach seiner aufgehobenen Doping-Sperre sein Comeback gegen Arthur Abraham (38) geben will.

Das hatte Kult-Matchmaker Jean-Marcel Nartz (72) „Altherren-Boxen“ (hier lesen) genannt – und auch Öner hielt nicht viel davon: „Sturm und Abraham sind Namen von gestern.“

Hier kontern Manuel Charr und Felix Sturm die „Altherren-Kritik“.

Ihre Kritik an Sturms Comeback-Plänen hat hohe Wellen geschlagen. Dessen Manager Roland Bebak unterstellte Ihnen offen Feindseligkeit.

Öner: Von mir ist keine Feindseligkeit ausgegangen – im Gegenteil. Es gab einen Mordauftrag, auf mich wurde geschossen und ich lebe immer noch. Ich habe über diese Dinge hinweggesehen. Natürlich bin ich kein Heiliger und habe Fehler gemacht. Aber ich bin auch nicht der Bad Boy des Boxens, zu dem ich gemacht werde, sondern ein Fachmann. Ich bin einer der besten Promoter Deutschlands, habe mit Don King  zusammengearbeitet und darf sagen: Der Kampf Sturm – Abraham kommt fünf Jahre zu spät. Damals hätte es sportlichen Wert gehabt.

Bebak konterte, Ihr Boxer Avni Yildirim habe umstritten gegen den damals schon 46-jährigen Lolenga Mock gewonnen...

Da muss man unterscheiden: Felix Sturm hat über zwei Jahre lang nicht geboxt und vorher auch keine Granaten. Lolenga Mock hat durchgängig geboxt und hätte einen Felix Sturm sicher umgehauen. Es gibt viele ältere Boxer, die gute Leistungen bringen. Aber Herr Bebak will doch nicht ernsthaft Felix Sturm mit Manny Pacquiao vergleichen.

Aber die Namen Sturm und Abraham sind in Deutschland eher ein Begriff als Yildirim. Welcher Kampf schwebt Ihnen für das deutsche Publikum vor?

Man muss Abraham respektieren, er hat immer noch seine Schlagkraft. Aber Sturm ist nicht mehr der Name, der er war. Wir hatten ja vom Sauerland-Stall das Angebot, Tyron Zeuge zu boxen. Aber bei dem ist jetzt ja Jürgen Brähmer der Boss, mit dem müssen sie sich einigen. Wir haben erstmal den WM-Kampf gegen Dirrell, wenn Avni gewinnt eventuell eine WM-Ausscheidung gegen den derzeit gesperrten Champion David Benavitez. Wenn Zeuge dann will, können wir sofort boxen, am liebsten wieder bei euch in Köln oder Düsseldorf – diesen Kampf braucht Deutschland.

Bei allem Respekt, Yildirim ist Türke, hat im kleinen Rahmen im Sartory geboxt und gegen Chris Eubank verloren...

Avni ist zwar Türke, hat aber hier eine  große deutsch-türkische Fangemeinde. Ich habe ja meine Arena Boxpromotion auch mit Deutsch-Türken angefangen, zum Beispiel dem leider verstorbenen Sinan Samil Sam. Ich bin auch oft in Köln und Düsseldorf, habe hier viele Geschäftspartner. Mit Zeuge gegen Yilderim und einem guten Vorprogramm würde eine große Halle füllen. Gegen Eubank hat Avni verloren, weil ihm noch die Schlauheit, die Gerissenheit gefehlt hat. Aber ich finde es besser, wenn Boxer gegen Champions verlieren, als gegen schwache Gegner gewinnen. Wir sind nicht mehr in den Zeiten eines Henry Maske, wo du irgendeinen Blinden oder Otto boxt und da zwölf Runden rumgeschubst und Werbung kassiert wird. Yilderim hat Lehrgeld gezahlt, ist wieder aufgestanden und hat gegen den routinierten Lolenga Mock gewonnen.

Hat Yildirim aus der Niederlage gelernt und gegen den erfahrenen Dirrell in dessen Heimat USA eine Chance?

Ich bin der Überzeugung, dass beide um ihre letzte Chance boxen. Das war bei meinen früheren Boxern auch oft so: Solis, Gomez – und alle haben ihre WM-Kämpfe verloren. Aber ich bin optimistisch. Ich denke, Dirrell ist zwar sehr erfahren, aber für Avni machbar. Wenn ich das mit dem Fußball vergleichen darf: Das ist nicht Bayern München gegen Real Madrid, sondern eher Lokomotive Moskau.

Sie kritisierten auch Manuel Charrs WM-Titel, da die WBA drei Weltmeister habe. Wie rechtfertigen Sie, dass Yilderim trotz der Eubank-Niederlage jetzt um die WM boxt?

Ich bewundere Manuel dafür, was er erreicht hat. Das ist einfach einmalig. Er ist ein Stehaufmännchen und WBA-Weltmeister. Ich kritisiere nur die dreifache Titelvergabe der WBA. Und was Yildirims WM-Kampf angeht, kann man das auch gut mit Fußball erklären: Bayern München verliert das Champions-League-Finale gegen Real Madrid, wird aber im Jahr darauf Deutscher Meister und steht wieder im Finale gegen Barcelona. Real Madrid ist aber in Spaniens Liga nur Achter. Da würde doch keiner sagen, Bayern dürfe das Finale nicht spielen oder?

Boxen ist in Deutschland längst nicht mehr Champions League. Woran liegt das?

Wir hatten in Deutschland viele langweilige Kämpfe nach Graciano Rocchigiani und Dariusz Michalczewski. Die Klitschkos haben eine Show geboten, sind aber gar keine Deutschen. Das deutsche Boxen hat einen Herzinfarkt, das sind noch Zuckungen. Denis Radovan habe ich gesehen, das ist ein guter Junge, aber kein Zuschauermagnet.

Hier lesen: Beim Box-Event in Stuttgart drohte ein Eklat.

Sehen Sie einen kommen?

Ich habe eine Kooperation mit Alexander Petkovic, der hat ein paar gute Jungs, Nick Hannig zum Beispiel, aus denen kann man was machen.

Und Sie selbst? Werden Sie wieder in Deutschland leben?

Mein Hauptwohnsitz ist in Istanbul, aber ich werde wieder öfter in Deutschland sein. Ich möchte, dass mein jüngster Sohn deutsch lernt. Mein erster Sohn lebt in Hamburg und ich möchte, dass sich beide auf Deutsch unterhalten können.