„Dann ist man schon gescheitert“Sandro Wagner reagiert auf Kritik an TV-Job

Sandro Wagner im August 2022 beim Spiel zwischen dem SC Freiburg und Borussia Dortmund.

Sandro Wagner im August 2022 beim Spiel zwischen dem SC Freiburg und Borussia Dortmund. 

Vom Kult-Spieler zum Trainer und TV-Experten: Sandro Wagner ist kaum mehr aus der deutschen Fußball-Landschaft wegzudenken. Im Interview spricht er auch über Kritik an seiner Person.

Sandro Wagner hat seine Nische gefunden. Vor den Toren Münchens bei der SpVgg Unterhaching plant der frühere Nationalspieler eine große Trainer-Karriere. Der Fußball-Viertligist ist für den ehemaligen Stürmer des FC Bayern eine Art Versuchslabor.

„Ich will selber im Scouting mit dabei sein, ich will selber im Athletikbereich mit dabei sein, ich will selber mit den Physios reden. Wenn ich jetzt alles selber mache, kann mir später keiner etwas groß vormachen“, sagt Wagner vor dem Start am Freitag (19 Uhr) beim FC Bayern II in die Restsaison. „Ich kann hier unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit sehr vieles lernen, was ich später auf Top-Level brauche.“

Sandro Wagner für DAZN und ZDF im Einsatz

Wagner ist aber eigentlich keiner, der unter dem Radar läuft. Dafür ist er zu selbstbewusst, zu ambitioniert, zu meinungsfreudig. Schließlich arbeitet der vierfache Vater auch noch als Experte für den Sport-Streamingdienst DAZN oder wie bei der WM in Katar auch für das ZDF. Den Beruf des Fußball-Lehrers will sich Wagner aber akribisch aneignen.

„Viele ehemalige Spieler sind früher gescheitert im Trainerberuf, weil sie meinten: Ich war ein guter Spieler, also bin ich auch ein guter Trainer. Das ist komplett falsch. Das ist ein ganz anderer Berufszweig“, äußerte Wagner.

„Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, die kann kein Trainer, der nicht Profi war, sammeln. Das ist ein Riesenvorteil. Aber es ist nicht so, dass es jetzt der Game Changer ist, weil du ein Profi warst.“

Wagner ist im März 2021 als U19-Trainer zur SpVgg Unterhaching gekommen und in die Bundesliga aufgestiegen, im Sommer wurde er gleich zum Cheftrainer befördert. Mit Haching ist er nun Tabellenführer der Regionalliga Bayern.

„Aber das sind erstmal nur Ergebnisse, die keine Trainerarbeit ultimativ bewerten“, schränkte Wagner selber ein. „Viel wichtiger ist: Inhaltlich mache ich die Schritte, die ich machen möchte – weil ich bereit bin, zu lernen und offen bin für neue Dinge.“

Wagner hat für sich selbst eine Art Leitfaden entworfen, der ihn als Trainer an die Spitze führen soll. „Ich habe einen klaren Plan, wie ich nach oben kommen will: über viele einzelne Schritte und demütiges Lernen“, versicherte er.

Sandro Wagner spricht über seine Zeit bei Hertha BSC

Ein Tunnelblick gehört manchmal auch dazu. „Selbst wenn es früher nicht lief, habe ich immer das große Ganze gesehen. Bei Hertha wurde ich mit 26 in der Bundesliga aussortiert und musste im Training alleine aufs Tor schießen. Ich war dennoch überzeugt, dass ich ganz nach oben kommen kann. Ein oder zwei Jahre später war ich Nationalspieler“, erzählte der frühere Stürmer, der neben Hertha BSC und dem FC Bayern zum Beispiel auch für Werder Bremen oder die TSG 1899 Hoffenheim spielte. „Du musst nur selber das Bild sehen, immer wieder nachjustieren, viel investieren und überzeugt sein.“

Dass Wagner Haching in der Zukunft verlassen muss, um ganz nach oben zu kommen, ist klar. „Wir werden in Unterhaching sicher keine Abenteuer eingehen, die die Infrastruktur oder den Nachwuchsbereich auf das Spiel setzen“, sagte Präsident Manfred Schwabl über das höchste Gut des Vereins und einen möglichen Aufstieg in die 3. Liga.

Der finanziell ächzende Verein würde den auslaufenden Vertrag mit Wagner aber sehr gerne verlängern. Er selbst grübelt noch. „Ich möchte mir das in Ruhe überlegen. Ich möchte mir die Entwicklung der Mannschaft und meine eigene anschauen. Es muss für beide Seiten passen. Es muss passen, dass ich ihnen das geben kann, was sie brauchen und ich muss mich auch weiterentwickeln können“, sagte Wagner.

Sandro Wagner über Reaktionen auf TV-Job: „Wie bei einem Büfett“

So wenig wie er dauerhaft in Haching arbeiten wird, wird er dauerhaft als Experte arbeiten. Solange will Wagner aber an seinem unverstellten Stil vor den Kameras festhalten.

„Ich arbeite jetzt seit zweieinhalb Jahren als TV-Experte, und wenn ich die Auswertungen bekomme, sind sie absolut positiv. Dass es immer wieder Menschen gibt, die nicht gut finden, was man macht, ist auch normal. Das ist wie bei einem Büfett. Der eine mag lieber Fleisch, der andere lieber Fisch, der eine mag diesen Experten lieber, der andere jenen“, sagte Wagner. „Ich will mir aber treu bleiben. Wenn man an sich Dinge verändert, nur um allen zu gefallen, ist man schon gescheitert.“

Dafür nimmt er in Kauf, auch kritisiert zu werden, wie wegen eines Spruchs über traditionelle Gewänder der Katarer während der Übertragung des WM-Spiels Deutschland gegen Spanien. Dafür entschuldigte sich Wagner anschließend.

Cancel Culture sei ein „ganz schwieriges Thema, das sich in den letzten Jahren extrem entwickelt hat. Ich habe das Gefühl, wir sind da allmählich an der Spitze. Ich nehme es so wahr, dass sehr viele Leute mittlerweile den Kopf schütteln und sich fragen: Darf man denn gar nichts mehr sagen?“, äußerte Wagner.

„Wie radikal oft direkt verurteilt wird, das finde ich schlimm“

Es sei wichtig, „dass heute bei gewissen Themen mehr Sensibilität eingekehrt ist. Aber: Wie radikal oft direkt verurteilt wird, wie Äußerungen bewusst in die negative Richtung interpretiert werden – das finde ich schlimm“, sagte Wagner.

Diese Entwicklung hat seiner Einschätzung nach „auch mit der Empörungskultur in den sozialen Medien und dem zunehmenden Clickbaiting zu tun. Wenn man ständig heftige Reaktionen befürchten muss, raubt das einem irgendwann die Lust, sich anders als 0815-mäßig zu äußern“, sagte Wagner. (dpa)