„Peinlichster Verein Deutschlands“Hertha-Chaos: Nach Interims-Präsident tritt nächstes Präsidiums-Mitglied ab

Lars Windhorst bekam in der Messehalle eine volle Hertha-Lektion. In einer denkwürdigen Mitgliederversammlung kam es nicht zur Abwahl des Präsidiums. Aber der Berliner Bundesligist ist tief gespalten.

Der nächste große Knall in der Hauptstadt! Wenige Tage nach dem Klassenerhalt in der Relegation stand für Hertha BSC die nächste Mega-Entscheidung an.

Bei der Mitgliederversammlung am Sonntag (29. Mai 2022) ging es wie erwartet zur Sache. Es gab laute Buh-Rufe und heftige Vorwürfe – aber nicht die von vielen angestrebte Revolution.

Hertha BSC: Chaos auch auf Mitgliederversammlung

Der Unmut der Fans hatte sich nach der sportlichen Talfahrt zuletzt auf verschiedene Weise geäußert. Präsident Werner Gegenbauer (72) trat bereits am Dienstag (24. Mai) freiwillig ab. Die Fans waren nach dem Chaos der vergangenen Woche und Monate außer sich. „Wir sind der peinlichste Verein in ganz Deutschland“, beklagte ein Redner in Richtung der verbliebenen Führungs-Etage.

Auch Investor Lars Windhorst (45), der in den vergangenen drei Jahren 375 Millionen Euro zur Verfügung stellte, traf der gebündelte Zorn der Supporter. Auf einem riesigen Banner forderten sie sein sofortiges Aus. Begleitet von heftigen, teils beleidigenden Protesten hat der umstrittene Millionen-Investor seine mit Spannung erwartete Rede gehalten.

Unternehmer Lars Windhorst wartet auf den Beginn der Veranstaltung.

Hertha-Investor Lars Windhorst bei der Mitgliederversammlung von Hertha BSC am 29. Mai 2022.

Erst nach einem Ordnungsruf von Versammlungsleiter Dirk Lentfer gegen eine Gruppe junger Hertha-Mitglieder konnte der 45-Jährige seine Ansprache beginnen. An seine Kritiker gerichtet, schloss Windhorst einen Rückzug aus. „Windhorst raus, funktioniert nicht“, sagte er. Die Anteile von 375 Millionen Euro seien „voll bezahlt und gehören mir und werden auch die nächsten zehn bis 20 Jahre mir gehören“, sagte Windhorst. In einem Nebensatz kündigte er mögliche weitere Zahlungen an.

Eine Absetzung der gesamten Führungscrew scheiterte bei der Versammlung zwar an der notwendigen Dreiviertel-Mehrheit, doch Interims-Präsident Thorsten Manske trat dennoch zurück, nachdem 64,2 Prozent der Stimmberechtigten für seine Abwahl votierten.

Hertha BSC: Nächstes Präsidiums-Mitglied tritt zurück

Einen Tag nach der turbulenten Mitgliederversammlung hat es bei der Hertha dann schon den nächsten Rücktritt gegeben. Wie der Hauptstadt-Klub am späten Montagabend (30. Mai) mitteilte, legt Norbert Sauer mit sofortiger Wirkung seinen Sitz im Präsidium nieder. Der Aufsichtsrat habe das Rücktrittsgesuch mit Bedauern angenommen, hieß es in der Mitteilung. Sauer war seit 2008 ehrenamtliches Mitglied des Präsidiums.

Bis zur Präsidentschaftswahl am 26. Juni gehören dem Präsidium nun nur noch vier Mitglieder an. „Ungeachtet des Rücktritts bleibt das Präsidium von Hertha BSC handlungsfähig hinsichtlich zustimmungspflichtiger Geschäfte der Geschäftsführung unseres Hauptstadtclubs“, erklärte Hertha BSC nach dem Rückzug von Sauer.

Fredi Bobic (50) hatte zuletzt alle Mitglieder an ihre „Fürsorgepflicht“ für den Verein erinnert. Die Drohkulisse einer Handlungsunfähigkeit mangels Chefetage mitten in der beginnenden Transferperiode wirkte wohl auch bei den Mitgliedern. Gegen keinen der sechs Vereinsfunktionäre kam bei der sich über Stunden hinziehenden Abstimmung die für eine Abwahl notwendige Dreiviertel-Mehrheit zusammen.

Hertha BSC: Wird Robert Schäfer der neue Big-Boss beim „Big City Club“?

Der Sport-Geschäftsführer benötigt für den geplanten Neuaufbau des Krisenklubs eine funktionierende Organisationsstruktur mit neuem Personal, nachdem Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller sein Amt nach 24 Jahren im Verein zum 31. Oktober niederlegen wird. Der Nachfolger Gegenbauers wird bei einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung am 26. Juni 2022 gewählt.

Robert Schäfer, hier im April 2019, könnte der neue starke Mann bei der Hertha werden.

Robert Schäfer, hier im April 2019, könnte der neue starke Mann bei der Hertha werden.

Wie unter anderem die „Bild“ berichtet, kursiert in Hertha-Kreisen der Name Robert Schäfer. Der 46-Jährige könnte möglicherweise der neue starke Mann beim selbsternannten „Big City Club“ werden. Volljurist Schäfer stand schon als Vorstandsvorsitzender bei Fortuna Düsseldorf und als Geschäftsführer bei Hannover 96 unter Vertrag.

Bei den 96ern sollte der gebürtige Darmstädter eigentlich das Erbe von Boss Martin Kind (78) antreten. Doch Kind löste Schäfers Vertrag im vergangenen Januar zum Saisonende auf. Es habe einfach nicht gepasst. Auch Kay Bernstein (41), ein früherer Ultra und Vorsänger der Hertha-Fans, der dreimal Stadionverbote absitzen musste, hatte zuletzt offen über ein Präsidiums-Engagement nachgedacht. (cw/dpa)