Interview geht viralFußballer stellt sich am Mikro – und wird von Millionen gefeiert

Ken Sema jubelt über einen Treffer für den FC Liverpool.

Ken Sema jubelt am Montag (20. Februar 2023) über einen seiner beiden Treffer. Noch mehr gefeiert wurde er anschließend aber für sein Interview nach dem Spiel.

Das dicke Geschichtsbuch zu unvergesslichen Fußballer-Interviews ist im Jahr um ein Kapitel reicher geworden. Es brauchte aber gar keinen Ausraster für Aufmerksamkeit und Anerkennung von Millionen Fans.

von Béla Csányi (bc)

Was wäre der Fußball ohne ikonische Interviews gleich nach Spielende? Obwohl Spielern und Trainern immer wieder vorgeworfen wird, sich vor dem TV-Mikro in Floskeln und Standard-Phrasen zu flüchten, haben die Gespräche schon zu vielen unvergesslichen Momenten geführt.

Das „Eistonnen-Interview“ von Per Mertesacker bei der WM 2014, der „Scheiß-Fragen“-Vorwurf von Toni Kroos nach dem Finale der Champions League 2022 oder die Schiri-Schelte von Lothar Matthäus nach einem Bayern-Remis in Karlsruhe 1994: Wenn die Stimmung im Interview kippt, entsteht oft ein Kurzgespräch für die Ewigkeit. Ein neues Beispiel – ausnahmsweise mit positiver Entstehungsgeschichte – kam 2023 aus England.

Ken Sema wird für Sieger-Interview gefeiert

Dort trat am 20. Februar der schwedische Nationalstürmer Ken Sema vom englischen Zweitligisten FC Watford vor die Kameras der Klub-Kanäle, sprach über den 3:2-Sieg im Aufstiegsrennen gegen West Bromwich Albion und seine eigene Leistung mit zwei Treffern, darunter das entscheidende Tor zum Endstand.

Das Besondere: Sema stellt sich der Öffentlichkeit nur selten, da er unter Stottern leidet. Das gut anderthalb Minuten lange Gespräch auf dem Rasen der Vicarage Road zog der Flügelspieler tapfer durch. Immer wieder kam er zwar ins Stottern, verlor aber nicht den Faden und blickte in aller Sachlichkeit auf die Partie zurück.

Auch zu Scherzen war Sema aufgelegt, über seinen Abstauber zum zwischenzeitlichen 1:0 sagte er lachend: „Das Ding war ein Selbstläufer.“ Noch mehr als seine beiden Tore schlug bei Fußballfans aber das bei Social Media gepostete Video des Interviews ein. Alleine bei X (vormals Twitter) sahen binnen 24 Stunden knapp 5 Millionen Menschen den Clip, in den Kommentaren fanden sich etliche Lobeshymnen auf Sema. Hier gibt es das Interview von Ken Sema im Video:

„Ein großartiger Typ. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Dann auch noch in einer Fremdsprache. Sehr beeindruckend“, lobte ein User. Ein anderer äußerte sich ähnlich: „Guter Kerl. Ich leide auch an Stottern und ich würde definitiv nicht vor die Kamera. So tapfer.“

Besonders häufig fiel in den Kommentaren das Stichwort „Role Model“ (Deutsch: Vorbild). Gerade für Menschen mit ähnlichen Symptomen bedeute es viel, dass der Held des Tages vor laufender Kamera unbeeindruckt stottere, betonten viele. Und auch der gewaltige Zuspruch, der vereinzelte unangebrachte Kommentare weitgehend übertönte, war in dieser Hinsicht ein wichtiges Zeichen.