Türkisches TalentHat der DFB bei Kenan Yildiz geschlafen – oder hatte er nie eine Chance?

Kenan Yildiz jubelt im türkischen Nationaltrikot nach seinen Tor gegen Deutschland.

Zunge raus, Arme ausgebreitet: Kenan Yildiz bejubelt seinen Treffer gegen Deutschland am 18. November 2023 in Berlin.

Kenan Yildiz wurde in Deutschland geboren, beim FC Bayern ausgebildet. Doch der 18-Jährige spielt nicht für die deutsche Nationalmannschaft – und auch nicht für den Rekordmeister.

von Denis Canalp (can)

Kenan Yildiz (18) wurde in Regensburg geboren, spielt aber für die türkische Nationalmannschaft. Hat der DFB geschlafen? Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen.

„Ich bin sehr glücklich“, sagte Yildiz, das Video von seinem „netten“ Tor teilte er stolz mit drei erhobenen Zeigefinger-Emojis auf Instagram. „Ich danke allen im Verband für das Vertrauen“, ergänzte der 18-Jährige.

Kenan Yildiz: „Ich hätte mich mit einer Anfrage auseinandergesetzt“

Das konnte durchaus als kleine Spitze in Richtung Deutscher Fußball-Bund (DFB) verstanden werden. Dieser, klagte der Sohn einer Deutschen und eines Türken einst, sei „nie an mich herangetreten“.

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„Ich hätte mich mit einer Anfrage auseinandergesetzt, aber es gab keinen Anruf vonseiten des DFB“, sagte der Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:1 der Türken beim 3:2-Auswärtssieg im Berliner Olympiastadion. Eine klare Ansage vom Spieler selbst, die nahelegt, dass der DFB die Personalie Yildiz verpennt hat.

Yildiz wurde in Regensburg geboren und zehn Jahre lang in der Jugend des FC Bayern in München ausgebildet. Dass der DFB ihn verschmähte, wie der beidfüßige Stürmer nahelegte, ist aber wohl nur die halbe Wahrheit. Zumindest wenn man einem Türkei-Kenner glaubt, der auch schon die deutsche U21-Nationalmannschaft als Trainer betreute.

Yildiz’ Loyalität, sagte der frühere türkische Nationalcoach Stefan Kuntz (61), habe früh dem Land seines Vaters gegolten. Zumal die Türkei früher mit der Perspektive A-Team locken konnte. „Das ist schwer zu schlagen“, sagte Kuntz, „ich wäre vorsichtig zu sagen: ‚Hier schläft der DFB.‘“

Türkei-Held Yildiz: Interview mit Dolmetscher

Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) hatte sich nach dem 2:3 kritisch zum Thema Einbürgerung geäußert. „Es ist kein Thema, wo man dem Spieler reinreden sollte. Es ist eine sehr persönliche Entscheidung, deren Beweggründe man als Außenstehender gar nicht bewerten kann. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an. Wenn jemand einen Rat von mir haben will, bekommt er ihn, aber proaktiv werbe ich keinen an.“

Das Interview von Yildiz mit dem türkischen TV zeigt jedoch, dass der talentierte Angreifer kein Türkisch spricht und versteht, ein Dolmetscher die englischen Aussagen übersetzen muss. Dies lässt zumindest vermuten, dass der DFB bei Yildiz nicht komplett chancenlos gewesen wäre.

Schaut euch hier das Interview an:

Und die Bayern? Wie konnte dem Rekordmeister dieses Ausnahmetalent entgleiten? „Da hat Hasan Salihamidzic (46) vielleicht nicht den Job gemacht, den der ein oder andere gemacht hätte“, sagte RTL-Experte Lothar Matthäus (62).

Der damalige Sportvorstand erklärte Yildiz’ Wechsel 2022 zu Juventus Turin mit „seinen finanziellen Forderungen“, denen die Münchner nicht hätten „entsprechen“ wollen. Die Wahrheit dürfte aber auch sein, dass die Bayern generell – und wahrscheinlich nicht nur Salihamidzic – in Yildiz nicht das Riesentalent gesehen haben, als das er sich jetzt entpuppt. 

Juventus, erläuterte Kuntz, habe Yildiz „den perfekten Karriereplan“ vorgelegt. Über die U19 und die zweite Mannschaft ist er inzwischen bei den Profis angekommen, für die er in dieser Saison fünf Kurzeinsätze absolvierte. „Ich bin sicher“, sagte Trainer Massimiliano Allegri, „dass er ein wunderbarer, ein Top-Spieler wird.“ Aber nicht in Deutschland und nicht für Deutschland. (sid/can)