„Da kam wenig zurück“Ex-BVB-Physio packt über Reus, Klopp und die Verletzungsmisere aus

Thomas Zetzmann und Marco Reus beim BVB-Training.

Thomas Zetzmann und Marco Reus am 16. April 2015 beim BVB-Training.

Nach 16 Jahren trennte sich Borussia Dortmund im Sommer 2022 von Physiotherapeut Thomas Zetzmann. Der blickt nun zurück auf eine nicht immer leichte Zeit.

16 Jahre lang arbeitete Thomas Zetzmann (53) als Physiotherapeut bei Borussia Dortmund, ehe sich die Wege im vergangenen Jahr trennten. Viele machten ihn für die Verletzungsmisere verantwortlich, was Zetzmann bis heute wütend macht. 

In einem Interview mit „Spox“ und „Goal“ blickt der ehemalige Fußballer zurück auf die Zeit in Dortmund, verrät seine Theorie zu den vielen Verletzungen und berichtet, wie sich die Arbeit und das Verhältnis zu den Spielern im Laufe der Zeit verändert habe. 

Ex-Physio über Reus: „Selbst bei ihm kam sehr wenig zurück“

Zetzmann war beim BVB unter anderem für Marco Reus (34) zuständig, der immer wieder von schweren Verletzungen zurückgeworfen wurde. Der Physiotherapeut folgte Reus sogar in den Urlaub, um mit ihm zu arbeiten.

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Besonders schwer war die Zeit nach Reus' Kreuzbandriss. „Er lag schreiend und weinend auf meiner Bank, als er bei der Beugung des Beins über einen Punkt gehen musste, der sehr schmerzhaft ist“, erinnert sich Zetzmann. „Das war schon extrem für ihn, er wollte das eine oder andere Mal nicht mehr. Ich konnte ihm nur sagen, dass er mir vertrauen soll, weil ich weiß, was ich tue.“

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Die generelle Arbeit habe sich im Laufe der Jahre sehr verändert – was auch am Verhalten der Spieler liege, sagt Zetzmann. Als Seelsorger seien die Physios kaum noch gefragt. „Heute vertiefen sich alle in ihr Handy. Sich für den Menschen zu interessieren, steht nicht mehr im Vordergrund“, so Zetzmann. „Wenn man nach der Sommerpause zurückkam und die Spieler fragte, wo sie ihren Urlaub verbracht haben, kam keine Gegenfrage. Da gibt es keinen Austausch mehr. Das ist wirklich traurig und hat mich zusehends nachdenklich gemacht.“

Auch das Verhältnis zu Reus war trotz der langen Zusammenarbeit offenbar nicht so innig, wie man sich das vorstellt. „Ich habe ja Marco Reus zwölf Jahre intensiv betreut – selbst bei ihm kam sehr wenig zurück. Das ist schlicht eine andere Generation. Ich habe das mit der Zeit beobachtet und hatte dann auch keine andere Erwartung mehr“, sagt Zetzmann, der den Spielern aber keinen Vorwurf machen will: „Sie sind einfach so mit sich selbst und ihren Gedanken beschäftigt.“

Dass er in der Öffentlichkeit für die Verletztenmisere verantwortlich gemacht wurde, stößt ihm bis heute bitter auf. „Das war sehr schwer für mich und ist ziemlich doof gelaufen. Es grenzte auch an Rufschädigung“, sagt Zetzmann. „Die Verletzungsproblematik ging ja über Monate und es kam natürlich immer wieder etwas heraus. Ob man da schließlich ein Bauernopfer gesucht hat, das lasse ich mal dahingestellt. Es ist aber grotesk zu glauben, dass von sechs Therapeuten und drei Ärzten ein einziger alleine für die Probleme verantwortlich ist.“

Der damalige BVB-Trainer Marco Rose (46) hatte den Physio öffentlich in Schutz genommen. Das werde er dem Coach im Leben nicht vergessen, sagt Zetzmann. „Welcher Trainer setzt sich schon für einen Physiotherapeuten ein?“

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Mit den Verletzungen sei es nach der Trennung nicht besser geworden, „sondern eher noch schlimmer“, betont Zetzmann. Er glaubt, dass der häufige Wechsel zwischen den beiden Trainingsplätzen – einer mit Hybridrasen, der andere mit Naturrasen – zur Verletzungsproblematik beiträgt. „Ich glaube, es würde den Spielern guttun, wenn man sich auf einen Belag einlassen würde“, meint Zetzmann.

Nicht nur an Rose hat Zetzmann gute Erinnerungen, auch mit dessen Vorgängern wie Jürgen Klopp (55) kam er gut aus – obwohl der Meistertrainer unter den Physios durchaus gefürchtet war.

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„Jeden Morgen um acht Uhr musste einer der Therapeuten eine Liste abgeben, wer trainieren kann und wer nicht“, erinnert sich Zetzmann. „Bei ihm kam es immer auf seine Tagesform an, da bekam man manchmal auch richtig Feuer. Deshalb hat sich von meinen Kollegen teils über ein Jahr lang niemand mit der Liste zu ihm getraut. Meist bin ich dorthin gelatscht, weil ich keine Angst hatte und einfach gesagt habe, was los ist.“ Den Mut und die klaren Ansagen hätte Klopp gemocht und akzeptiert.

Als Klopp den BVB 2015 verließ, schenkte er Zetzmann und dessen Freundin zum Abschied einen Hotel-Gutschein für eine Woche auf Sylt. „Eine überragende Geste von ihm“, betont der Physiotherapeut. (are)