+++ EILMELDUNG +++ A4 Richtung Köln dicht Kleintransporter fährt in Stauende – Toter noch nicht identifiziert

+++ EILMELDUNG +++ A4 Richtung Köln dicht Kleintransporter fährt in Stauende – Toter noch nicht identifiziert

„Das ist gelebte Doppelmoral“ARD-Final-Kommentator Tom Bartels über die WM in Katar und Twitter-Hass

ARD-Kommentator Tom Bartels
winkt in die Kamera.

Der Kölner TV-Kommentator Tom Bartels (hier am 28. April 2020) darf auch diesmal das WM-Finale in der ARD übertragen.

Der Kölner TV-Kommentator Tom Bartels wird bei der WM in Katar sowohl das deutsche Auftakt-Spiel gegen Japan als auch das Finale übertragen. Er sieht das Gastgeberland auch äußerst kritisch.

von Marcel Schwamborn (msw)

Die Weltmeisterschaft in Katar rückt immer näher. Am 23. November 2022 hat die deutsche Mannschaft ihr erstes Vorrunden-Spiel gegen Japan. Diese Partie wird in der ARD von Tom Bartels (57) kommentiert. Der Kölner weiß auch jetzt schon, dass er ein mögliches deutsches Viertelfinale sowie das Endspiel am 18. Dezember übertragen darf.

2014 hatte Bartels das DFB-Team in Brasilien zum Final-Sieg gejubelt, 2018 durfte er das einzige deutsche Turnier-Highlight mit dem Vorrunden-Sieg gegen Schweden betreuen. Wie er zum Turnier und zur immer schärfer werdenden Kritik an TV-Kommentatoren steht, verriet er im EXPRESS.de-Interview.

Tom Bartels: „Ich habe mich auf alle anderen Turniere mehr gefreut“

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Turnier? Tom Bartels: Ich habe mich auf alle anderen Turniere mehr gefreut als auf dieses, gleichwohl empfinde ich es als große Wertschätzung wieder das Finale kommentieren zu dürfen.

Alles zum Thema WM 2022

Also eine WM unter ganz besonderen Vorzeichen? Tom Bartels: Ich hoffe, dass das Turnier aus deutscher Sicht sportlich einen guten Ausgang nimmt, dazu wäre ein erfolgreicher Start enorm wichtig. Um Menschenrechte wird es immer gehen, da gibt es keine Pause, nur weil ein Fußballturnier gespielt wird. Den Sportlern wünsche ich trotzdem, dass ihre Leistungen gewürdigt werden. Sie haben nicht zu verantworten, dass die WM in Katar ausgetragen wird. Sport kann soviel bewegen, ich hoffe auch dieses Turnier wird in vielen Teilen der Welt Kinder und Jugendliche auf die Fußballplätze bringen.

Welchen Raum wollen Sie dem Thema Katar als Kommentator geben? Tom Bartels: Bei den 90 Minuten geht’s um Fußball. Ich werde aber auch meine erlebte Realität einbringen. Natürlich finde ich es auch eine komplette Farce, dass die WM in Katar stattfindet. Da sind zum einen die Menschenrechtsverletzungen. Aber es gibt auch gar keine Sport-Tradition. Die Stadien müssen extra gebaut werden, das eigene Team wird gecastet. Das kann man nicht mit einer WM in Brasilien vergleichen. Die ganzen Begleitumstände liegen schon wie ein Schatten über mir.

Klingt kompliziert für das richtige WM-Feeling … Tom Bartels: Ich habe mich bewusst entschieden hinzufahren, weiß aber auch, dass ich mich damit in einem permanenten Spagat befinde. Ich würde gerne dem Spiel und der Größe des Ereignisses gerecht werden, kann aber noch gar nicht einschätzen, ob ich in dem Umfeld Emotionen wie 2014 empfinden werde. Ich war noch nie in Katar. Wir sind auch noch nie mit so wenigen Mitarbeitern bei einem Großereignis vor Ort gewesen wie dort. Fast alle begleiten das Turnier aus Deutschland.

Tom Bartels: Die bunte Kapitänsbinde ist besser als gar kein Zeichen

Wie denken Sie über die Debatte rund um die deutsche Kapitänsbinde? Tom Bartels: Ich finde es besser, dass die Mannschaft ein Zeichen setzt als gar keins. Ich rate auch jedem, die Diskussion nicht mit Puls 200 zu führen. Sie haben sich was überlegt und ich kann jedes Argument verstehen. Erst einmal finde ich es gut, dass der DFB die Spieler auf das Thema Katar vorbereitet. Ich bin mir sicher, dass die Spieler dort kritische Botschaften setzen werden. Dafür halte ich sie für klug genug.

Reichen denn bunte Binden oder bemalte T-Shirts? Tom Bartels: Was heißt: Reichen bunte Binden oder bemalte Shirts? Was erwarten wir denn vom Sport oder von den Sportlern? Offenbar mehr, als Politik, Wirtschaft und andere Bereiche der Gesellschaft leisten wollen oder können. Gas aus Katar zu beziehen ist okay, Fußball dort spielen aber nicht? Wenn ich zum Beispiel allein auf den Umgang mit China schaue, das einer unserer größten und wichtigsten Handelspartner ist und damit unseren Wohlstand mit ermöglicht – von unseren Vorstellungen eines demokratischen Zusammenlebens, Umgang mit Minderheiten und unseren Menschenrechtsvorstellungen ist China weit entfernt. Der Sport, zum Beispiel die Olympischen Spiele, soll dann dort in einem Land, in dem ein knappes Fünftel der Weltbevölkerung lebt, nicht stattfinden? Alle wirtschaftlichen Vorteile, die sich uns bieten, nehmen wir aber mit?

Was heißt das für Sie? Tom Bartels: Das ist für mich gelebte Doppelmoral. Die Spieler fahren sicher belastet zur WM, die Debatten machen schon etwas mit Ihnen. Das Wichtigste ist, dass auch nach der WM der Blick auf Katar bleibt und die Situation für die Arbeiter und Leiharbeiter sich weiter verbessert. Natürlich ist die Thematik deutlich komplexer. Warum müssen überhaupt Menschen aus Sri Lanka oder Bangladesch ihre Heimat verlassen, um anderswo zumindest irgendeine Perspektive zu haben. Wie können wir alle das ändern? Diese Fragen kann der Sport allein nicht lösen.

Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen Bundestrainer? Tom Bartels: Mit Hansi Flick gibt es einen guten Austausch. Gespräche finden immer mit gegenseitigem Respekt statt, er begründet seine Entscheidungen, ist erreichbar und ich erlebe ihn als sehr bodenständig. Ich bin gar nicht so pessimistisch hinsichtlich der Titelchancen, auch wenn der Weg nach der Vorrunde nicht einfach würde.

ARD: Tom Bartels kommentiert bei der WM mit Thomas Broich an seiner Seite

Wie wird Ihre Arbeit bei der WM aussehen? Tom Bartels: Ich werde zunächst allein kommentieren, in der zweiten Turnierhälfte mit Thomas Broich gemeinsam am Mikrofon sitzen. Wir werden uns wie bei der letzten EM gut abstimmen. Pausen einbauen, nicht gleichzeitig sprechen, den Zuschauer nicht überfrachten und idealerweise so, dass Millionen von Zuschauern etwas davon haben. Es ist eine große Freude für mich, wenn Thomas dabei ist. Wir wissen beide, dass es bei so großen Spielen wie in den K.o.-Runden normalerweise immer auch um Emotionen geht, um das Mitleben dessen, was auf dem Rasen passiert.

Heißt: Der Deutschland-Fan darf am Mikro schon durchbrechen? Tom Bartels: Wir kommentieren für die Menschen und nicht für den Fußballlehrer-Lehrgang. Da sitzt der deutsche Fan vor dem TV und will, dass seine Mannschaft gewinnt. Das muss ich wissen. Es geht für viele Zuschauende vielleicht nicht um alles, aber doch um viel!

Tom Bartels über Social Media: „Leute entschlacken sich ab der ersten Minute“

Bei der EM 2021 wurde Ihnen vorgeworfen, zu parteiisch beim Spiel Dänemark gegen Russland gewesen zu sein, nachdem Christian Eriksen während des ersten Gruppenspiels gegen Finnland auf dem Rasen zusammengebrochen war. Tom Bartels: Ich habe mich inzwischen völlig frei davon gemacht, was jemand twittert. Im Grunde haben wir das Thema selbst entfacht, weil sich ein Redakteur voreilig entschuldigt hat. Es musste sich niemand für mich entschuldigen. Es ist unsere Aufgabe, diese Emotionen zu transportieren. Daher verfolge ich nicht bei einem Spiel, was über mich geschrieben wird. Die Leute entschlacken sich ab der ersten Minute im Netz. Früher war das immer gleich ein dramatischer Shitstorm. Heute wissen die meisten, dass das Normalität ist.

Beim Confed-Cup-Halbfinale 2017 zwischen Deutschland und Mexiko gab es Kritik, weil Sie über Antonio Rüdigers theatralische Reaktion sagten, er solle „nicht den Affen machen“. Tom Bartels: Für mich ist die Redewendung völlig normaler Sprachgebrauch. Heute würde ich so etwas nicht mehr sagen, weil ich weiß, wie schwer es für schwarze Spieler ist, wenn sie Rassismus erleben. Ich überprüfe meine Sprache permanent. Mir ist schon klar, dass ich auch Fehler mache und nicht alles richtig einschätze. Aber dieser Aufschrei, der immer sofort kommt, das ist schon extrem. Da muss man als Reporter viel aushalten. Es wäre schön, wenn beim Zuschauer ein gewisses Maß Gelassenheit dabei wäre. Die Zündschnur bei vielen ist schon unfassbar kurz geworden.