Immer stark, immer Leistung bringen – doch was, wenn die Seele zerbricht? Viele Leistungssportlerinnen und -sportler leiden im Stillen. Ein neues Angebot der Uniklinik Köln will das ändern.
„Bedeutet nicht das Karriereende“Ex-DFB-Star verlor komplett den Halt – Uniklinik Köln mit Angebot

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Im April wurde Lina Magull als Nationalspielerin offiziell verabschiedet. Zuletzt sprach sie offen über ihre Depressionen.
„Ich hätte kein Problem damit gehabt, zu sterben“ – diese schockierenden Worte stammen von der früheren Fußballnationalspielerin Lina Magull (30). In dem Podcast „Wie geht’s?“ offenbarte sie jetzt, wie tief das Loch war, in das sie gefallen ist.
Nach dem frühen WM-Aus 2023 und privaten Schicksalsschlägen verlor sie komplett den Halt. „Die Säulen, auf denen ich stand, sind nacheinander weggefallen“, erzählt sie. Die Folge: Schlafprobleme, Panikattacken und düstere Gedanken. Sie wusste: Sie braucht dringend Hilfe.
„Ich dachte: Jetzt stell dich nicht so an“
Der Fall Magull zeigt ein riesiges Problem: Psychische Krankheiten sind im Leistungssport immer noch ein Tabu. Wer immer stark sein muss, gesteht sich keine Schwäche ein. Doch genau das kann fatal sein.
Die Uniklinik Köln greift jetzt ein! Mit einer neuen sportpsychiatrischen Sprechstunde für Profisportlerinnen und -sportler will sie eine Lücke schließen. Geleitet wird das Angebot von Dr. Theresa Lichtenstein, die den Athletinnen und Athleten zur Seite stehen will.
Lichtenstein fordert, dass die seelische Gesundheit genauso wichtig genommen wird wie der Körper. Ihr Vorschlag: Ein Sportpsychiater oder eine Sportpsychiaterin sollte zum jährlichen Check-up gehören. „Da guckt der Orthopäde und der Kardiologe auf die körperlichen Werte. Im Rahmen dessen sollte auch die mentale Gesundheit eine Rolle spielen, schon alleine um dem Thema mehr Normalität zu geben“, so die Expertin.
Eine, die das aus eigener Erfahrung kennt, ist Martyna Trajdos. Die Olympia-Dritte im Judo weiß, wie der Druck Sportlerinnen und Sportler auffrisst. Ein Leben nur für Training, Gewicht und Siege. „Die Sportlerpersönlichkeit wird da ideal ausgebildet. Alles andere bleibt aber auf der Strecke“, erklärt sie. Die quälende Frage kommt irgendwann: „Wer bin ich eigentlich außerhalb des Sports?“

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Auch manche Leistungssportler und Leistungssportlerinnen leiden unter schwerwiegenden Depressionen. Sportpsychiaterin Theresa Lichtenstein (links) hilft ihnen. Die ehemalige Judoka und olympische Bronzemedaillengewinnerin Martyna Trajdos kennt die Nöte ihrer Trainingskolleginnen und -kollegen.
Auch die erfolgreiche Judoka schob ihre eigenen Probleme lange beiseite. Schwäche? Passte nicht ins Bild der starken Kämpferin. Ihr Gedanke damals: „Als Leistungssportlerin ist jede Grenzüberschreitung positiv. Ich dachte deshalb: Jetzt stell dich nicht so an. Die anderen wuppen das doch auch.“ Ein gefährlicher Trugschluss.
Laut Dr. Lichtenstein ist genau das die Gefahr: „Schließlich funktionieren Leistungssportler und Leistungssportlerinnen sehr lange extrem gut“. Depressionen, Essstörungen oder Süchte werden oft erst bemerkt, wenn es fast zu spät ist.
Die klare Botschaft der Ärztin: „Sie würden mit einem gebrochenen Oberschenkel keinen Marathon laufen. Ebenso sollten Sie nicht versuchen, schwer depressiv eine Medaille zu gewinnen.“ Eine Pause zur Heilung ist kein Scheitern.
Und das Wichtigste: „Eine psychische Erkrankung bedeutet nicht das Karriereende“, betont Lichtenstein. Ex-Judoka Trajdos sieht es heute sogar als Stärke: „Ich bin resilient und kann mich gut durchsetzen, das hilft mir auch außerhalb des Sports.“ (red)
Eure Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Ihr befindet euch in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielt mit dem Gedanken, euch das Leben zu nehmen? Wenn ihr euch nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen könnt oder möchtet – hier findet ihr anonyme Beratungs- und Seelsorge-Angebote:
Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreicht ihr rund um die Uhr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, mit denen ihr eure Sorgen und Ängste teilen könnt. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de
Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater und Beraterinnen des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.
Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de
Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de