Bäckermeister und Brotsommelier erklärt, wie gutes Brot zu Hause klappt, hat ein gelingsicheres Rezept für Sauerteig und warum Brote bei uns dreimal eingeschnitten wird.
Riechen, reiben, hauchenMeisterbäcker sagt, wie man gutes Brot erkennt

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Marcel Paa ist Brotsommelier und Meisterbäcker. Auf Instagram (@marcelpaa_einfachbacken) teilt er süße und herzhafte Backrezepte.
02.09.2025, 08:41
Deutschland ist Brot-Land. Klar – deutlich mehr als 3000 Brotsorten gibt es bei uns. Damit gehören wir zur Weltspitze. Das erkennt auch der Schweizer Bäckermeister und Brotsommelier Marcel Paa an. Dem EXPRESS hat er erzählt, was so faszinierend ist am Brot, wie man das Beste an Aroma herausschmeckt, wie es Zuhause gelingt und was es bedeutet, wenn ein Laib dreimal eingeschnitten ist.
Ein Brotsommelier – was ist das eigentlich? „Der Brotsommelier verleiht dem Brot eine Sprache“, sagt Bäckermeister Paa. Als Brotsommelier ist er ausgewiesener Experte rund um die Backware. Und die ist mehr als nur „Unterlage“ für Käse: „Meistens gibt es beim Brot: Schmeckt oder schmeckt nicht. Wir müssen es nicht gleich so weit treiben wie beim Wein, aber es gibt doch ganz schön viele Geschmäcker und Gerüche, wie man Brot beschreiben kann.“ Mehr als 400, sagt Paa. „Es gibt verschiedene Akzente von den Röststoffen, natürlich nussige Komponenten, jedes Mehl riecht und schmeckt anders. Es geht viel um Texturen. Das sind ganze Welten.“
Gutes Brot: Die Kruste verrät schon ganz viel
Wer sich aktiv mit diesen Welten auseinandersetzen mag, der kann mal ganz bewusst ein (gutes) Brot beurteilen. Zunächst: die Optik: „Man erkennt es schon an der Kruste: Wenn die Farbe eher matt und blass aussieht, ist das Anzeichen dafür, dass es nicht gut gebacken ist und es keine Fermentation gab.“ Der Teig konnte also nicht lang genug gären. „Ein guter Hinweis für Fermentation ist, wenn es kleine Bläschen auf der Oberfläche der Kruste gibt. Die nennt man auch Aroma-Bläschen und sie sind nicht zu faken – da braucht es eben Fermentation“, sagt der Brot-Experte.
Weiter geht's beim Profi-Tasting so: „Man haucht das Brot ein wenig an, reibt es ab und riecht dran. Durchs Riechen nimmt man schon sehr viel wahr.“ Dann: Anschneiden, ein Stück zusammen mit der Kruste in den Mund nehmen: „Gut einspeicheln! Nicht gleich herunterschlucken, sondern im Mund zergehen lassen. Dann kommen die Aromen am besten heraus.“
Probiert es doch mal aus! Allerdings nicht unbedingt mit dem abgepackten Brot aus dem Supermarkt. Denn das hat mit Brot nicht mehr viel zu tun, findet Paa. „Wenn man ein Brot 30 Tage lang haltbar macht, braucht es Zusätze. Und die kommen nicht aus der Natur. Zuhause könnte man es nur nachbacken, wenn man ein Chemielabor bei sich stehen hat …“
Durch solch schlechte Qualität habe sich auch verfangen, dass Brot ungesund sei. „Ich behaupte, dass die Industrie durch dieses Schnelle, Billige und diese Zusätze den schlechten Ruf verursacht hat. Mit einer langen Reifezeit und Fermentation ist Brot auch gesünder und besser verdaulich.“
Paa hat für seine Sommelier-Ausbildung sogar ein Experiment durchgeführt: 30 Tage nur pures Brot und Wasser. „Ich habe vorher und nachher Blutwerte nehmen lassen – und teilweise haben die sich sogar verbessert. Ich habe sechs Kilo abgenommen. Einige Werte wie z. B. Calcium sind zwar gesunken, das hätte man aber locker mit Aufstrich lösen können.“ Faszinierend ist für Paa vor allem: „Brot ist Mehl, Wasser, Hefe oder Sauerteig und Salz. Und allein in Deutschland gibt es fast 3500 verschiedene Brotsorten. Aus so wenig kann man eine so große Vielfalt machen!“
Für sein neuestes Backbuch („Die besten Brote der Welt“) backt sich Paa durch die ganze Welt: von schottischen Scones über deutsches Bauernbrot bis zu iranischem Barbari-Brot. Je nach Region unterscheidet sich übrigens nicht nur der Geschmack, sondern auch die Optik: „In eher katholisch geprägten Ländern werden die Brote meist dreimal eingeschnitten – für die Heilige Dreifaltigkeit. In der Türkei wird beispielsweise das Ekmek nur einmal längs eingeschnitten – für Allah.“
Zum Nachbacken braucht es meist gar nicht viel. Ein Backofen reicht laut Paa – „Man kann einen Teig auch gut von Hand kneten, packt ihn dann 24 Stunden in den Kühlschrank (Fermentation muss sein) – und dann kommt er aufs Blech oder in einen gusseisernen Topf. Backen – und schon hat man ein wunderbares Brot.“ Etwas Übung braucht es für einen Hefe- oder Sauerteig zwar schon. Aber auch der Sauerteig sei nicht so kompliziert, wie er manchmal dargestellt werde, sagt Paa. „Er ist wie ein Haustier im Kühlschrank, das man ab und zu füttern muss.“
So klappt der Sauerteig à la Paa
- 100 Gramm Vollkornmehl
- 70 Gramm Wasser
- 30 Gramm frisch gepresster Apfelsaft
Alle drei Zutaten mischen. In ein Glas füllen, locker verschrauben, Teighöhe markieren. An einem warmen Ort ca. 24 Stunden gehen lassen. 100 Gramm entnehmen, mit 100 Gramm Roggenvollkornmehl und 100 Gramm lauwarmem Wasser „füttern“. Prozess jeden Tag wiederholen – immer nur 100 g weiterverwenden und auffrischen. Der Sauerteig ist triebfähig, wenn er sich innerhalb von zwei bis drei Stunden im Volumen verdoppelt. Ab der zweiten Woche ist er bereit, um damit zu backen. Einmal pro Woche füttern.