Kreuzfahrt-Arzt packt ausHüfte kaputt nach Sex an Bord

Dr. Reinhard Friedl, Schiffsarzt und Buchautor "Ein Arzt für jede Welle" (18 Euro)

Dr. Reinhard Friedl, Schiffsarzt und Buchautor 'Ein Arzt für jede Welle' (18 Euro)

Der namhafte Kardiologe Dr. Reinhard Friedl hat seinen Traum wahr gemacht und ist Schiffsarzt. Hier berichtet er von ungewöhnlichen Fällen.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

„Wenn einer eine Reise tut, so hat er was zu erzählen“, befand schon der Dichter Matthias Claudius im 17. Jahrhundert. Wenn man als Schiffsarzt das halbe Jahr auf hoher See ist, kann man sehr viel erzählen von Affenbissen, Hirnblutungen, Lungenembolien oder Evakuierungen mit dem Helikopter.

„Es war die beste Entscheidung meines Lebens, in meinen 50ern meinem Herzen zu folgen und als Schiffsarzt anzuheuern“, sagt Dr. Reinhard Friedl, ein namhafter Kardiologe. Die Hälfte des Jahres reist er auf der „Mein Schiff“-Flotte um die Welt. Und heute ist ihm nichts mehr fremd ...

„Es ist spannend und erfüllend, auf hoher See medizinische Versorgung auf höchstem Niveau zu leisten“, sagt der Fleet Senior Doctor und kann nur schmunzeln, wenn ein Patient ihm erstaunt sagt: „Ich dachte, sie würden den Damen den ganzen Tag nur mit Sonnenöl den Rücken einreiben.“ Von wegen: Es gibt an Bord Sprechzimmer, einen OP, eine Intensivstation, Röntgengerät, Ultraschall, ein Labor und eine Apotheke.

Schiffsarzt über Tragisches und Kurioses an Bord

Sprechstunden sind zwar „nur“ morgens von 8 bis 11 Uhr und nachmittags von 17 bis 20 Uhr, aber Notfälle wie die Frau, die nach einer frischen Hüft-OP Sex an Bord hatte und der dabei das Gelenk aus der Pfanne sprang, halten sich nicht an Sprechstundenzeiten. 30 bis 50 Patienten am Tag seien die Regel, sagt er. Wenn es so richtig stürmt, wissen er und sein Team oft nicht, wo ihnen der Kopf steht. Wer von den Dutzenden Patienten, die vor der Praxis warten, ist so dehydriert, dass er eine Spritze braucht, wem kann man ein Zäpfchen mit in die Kabine geben? Wenn dann noch Frau Oberzicke auftaucht und ihn angiftet: „Ich habe eine Suite gebucht, um mich zu erholen und nicht um mich zu übergeben. Ich will sofort den Kapitän sprechen“, heißt es schon mal, tief durchzuatmen, schreibt er in seinem Buch „Ein Arzt für jede Welle“ (Goldmann; 18 €).

Apropos Seekrankheit. Dieses Erlebnis gehört zu seinen schönsten. Eine Frau kam zu ihm und klagte über Übelkeit. Seine Diagnose: „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger.“ Dabei hatten die Frau und ihr Mann ihren Kinderwunsch bereits schweren Herzens aufgegeben.

Schnell reagieren, manchmal auch improvisieren  – das ist heute angesagt beim Herzchirurgen. „Schwerwiegende Situationen wie Hirnblutungen oder Lungenembolien stabilisieren wir an Bord und evakuieren die Patienten nach Möglichkeit schnell mit einem Helikopter. Außerhalb deren Reichweite, zum Beispiel auf einer Atlantiküberquerung, müssen sie manchmal aber auch tagelang auf Intensivstation behandelt werden.“ Das kostet Zeit und Nerven neben den üblichen Beschwerden, die es zu verarzten gilt: Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Hautausschläge, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, dazu kommen Knochenbrüche und Verbrennungen.

Natürlich passiert auch immer wieder Kurioses. Da war zum Beispiel der Mittsechziger, der sichtlich nervös im Wartezimmer auf seinem Stuhl herumrutschte, sich dann doch ein Herz fasste und weit ausschweifend erklärte, dass er in seinem Alter als Witwer tatsächlich noch mal die große Liebe gefunden habe, „und na ja, auch sexuell ...“. Aber das klappe nicht so richtig. Also bei seiner Freundin. Ob es an Bord denn wohl Gleitmittel gebe? Das Team war ratlos, das gab die Bordapotheke nicht her. Doch eine Mitarbeiterin war auf Zack: „Füllen wir Ihnen doch etwas Ultraschall-Gel ab. Das ist auch für Schleimhäute zugelassen.“

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Und wenn heute jemand nach einem Landgang an Bord völlig ausrastet, um sich schlägt und im nächsten Moment wieder friedlich wie ein Kätzchen schnurrt, denkt Dr. Reinhard Friedl sofort an eine Patientin und ihren Landgang auf Ko Samui zurück.

Ein Mitarbeiter eines Kreuzfahrtschiffes und ein Schiffsarzt in weißer Uniform stehen in einem kleinen Behandlungsraum vor einer Liege

30 bis 50 Patienten werden an Bord pro Tag verarztet. Die Praxis ist auch für Operationen ausgestattet, es gibt sogar eine Intensivstation.

„Ihre Schwester erzählte mir, dass die beiden sich ein Omelett mit Magic Mushrooms bestellt hätten. Und weil die Wirkung nicht sofort eingesetzt habe, orderte die Frau wohl gleich eine weitere Portion.“ Was zu einem heftigen psychedelischen Rausch mit Halluzinationen führte.

Unvergessen auch die Patientin, die in Gibraltar von einem kleinen Affen gebissen worden war, den sie daraufhin am Genick packte und schüttelte. Prompt sprang die Berberaffen-Mutter mit einem Riesensatz an ihr hoch. Die Frau stürzte eine Böschung herunter, kam mit Prellungen, Hautabschürfungen und geplatzter Oberlippe in die Praxis und schwärmte dennoch „von der wahren Mutterliebe. Auch wenn es mit der Erziehung des kleinen Rotzlöffels noch hapert“. Sie habe trotz ihrer Verletzungen sogar die Sprechstundenzeiten abgewartet: „Wegen meiner Dummheiten brauche ich niemanden in seiner Mittagspause zu stören.“ Angenehme Patientin für Doc Friedl!