Gras, Ecstasy, LSD, XanaxMit 12 geriet Vincent in die Drogen-Spirale

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Vincent K. (Name geändert) möchte anonym bleiben. Der 19-jährige Azubi will seinen Ruf nicht ruinieren. 

Köln – Mit 12 rauchte Vincent K. (Name geändert)  das erste Mal Gras, mit 15 hatte er seinen ersten Alkohol-Absturz  und mit 16 probierte er chemische Drogen: Schon bald waren Ecstasy, LSD und Medikamente wie Xanax an der Tagesordnung. Mittlerweile ist sein Drogenkonsum reduziert, doch ganz aufgeben wollen hat er ihn nicht, wie der erst 19-Jährige offen erzählt.

Hier kommt die erschütternde Geschichte, wie Vincent in die Drogen-Spirale geriet. Alles begann auf einer Hauptschule in Köln-Porz. 

Station 1: Marihuana

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Bis heute gönnt Vincent sich täglich mindestens einen Joint (Symbolfoto)

Durch ältere Freunde kam der damals noch unbedarfte Sechstklässler in Kontakt mit der Droge. Zunächst wurde „nur“ auf Partys gekifft, doch das Gefühl des „Breitseins“ machte den Zwölfjährigen schnell süchtig. „Das kam vor allem, weil wir nur Gras geraucht haben, also ohne Tabak“, sagt Vincent, der Zigaretten zu dem Zeitpunkt noch nie ausprobiert hatte.

„Als ich 13 war, habe ich dann einen Mitschüler gefragt, ob er mir einen Zehner (ein Gramm Marihuana, Anm. d. Red.) mitbringen kann“, erinnert er sich.  

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Handelsübliches Tütchen: In diesen „Bags“ wird Marihuana verkauft.

Für den Hauptschüler gab es damals kaum Hürden, der Weg zu der neu entdeckten Droge war leicht. „Dann habe ich immer öfter gekifft, bis ich es irgendwann täglich gemacht hab“, erzählt er im Interview mit EXPRESS.

So läuft das Drogen-Business an Kölner Schulen: Wie der Stoff an die Schüler kommt, erklärte uns ein Drogenberater – HIER mehr lesen!

Station 2: Alkohol und Tabak

Alkohol und Zigaretten seien für den Kölner bis auf einen Zwischenfall nie zum  Problem geworden. „An meinem 15. Geburtstag habe ich den kompletten Alkoholvorrat meiner Eltern geplündert und eine fette Party geschmissen“, erinnert er sich. „Ich musste kotzen, hatte einen Filmriss und einen richtig üblen Kater“, sagt er.

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Seit seinem 15. Geburtstag raucht und trinkt Vincent ab und an.

Ab dem Zeitpunkt wurde Vincent auch zum Gelegenheitsraucher. „Süchtig nach Zigaretten wurde ich aber komischerweise nie.“ Dafür aber nach weiteren illegalen Substanzen.

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Station 3: Ecstasy

„Mit 16 habe ich meine erste Pille eingeschmissen“, erinnert er sich. Auch auf die Idee, Ecstasy zu nehmen, brachten den Schüler ältere Freunde. Die gleichen, die ihn mit zwölf zum Grasrauchen animiert hatten. 

Vincent erinnert sich: „Auf einmal spürte ich  ein Gefühl von Liebe, ein Schauer lief mir über den Rücken und ich wollte einfach jeden  umarmen.“ Je öfter er Ecstasy nahm, desto  leerer fühlte er sich jedoch im Nachhinein.

Genau das sei laut  Dr. Dr. Armin Claus (52, hier auch seine Meinung zu Marihuana nachlesen) die Gefahr an Ecstasy: „Das tiefe emotionale Loch nach dem Rausch und der dadurch wie ein Teufelskreis anwachsende Wunsch nach diesem Rausch ist immer öfter und nur durch immer mehr Stoff erzielbar.“

Von der anfänglichen Euphorie war irgendwann auch bei Vincent kaum noch etwas da. Eine neue Droge musste her. 

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Vincent zeigt uns ein mit Ecstasy befülltes Glas

Station 4: LSD

Noch im gleichen Jahr nahm der Zehntklässler  LSD. Auch das sei eine „bewusstseinserweiternde und wertvolle“ Erfahrung für den damals 16-Jährigen gewesen, die er laut eigener Aussage nicht missen will: „Als ich das erste Mal eine Pappe (LSD wird in Form von Esspapier, „Pappen“, konsumiert, Anm. d. Red.) genommen hab’, war das unglaublich. Man sieht Farben ineinander verschwimmen. Krümel am Boden fangen an sich zu bewegen.“ Doch nicht nur visuell sei der „Pappenrausch“ eine krasse Erfahrung  gewesen. Auch intellektuell habe Vincent sich laut eigenem Empfinden durch die Droge weiterentwickelt.

„Auf Pappe habe ich mich das erste Mal  selbst hinterfragt, habe überlegt, ob all meine Entscheidungen richtig waren“, sagt er. Viele davon habe der Teenager nur aus einer „stumpfen Routine“ heraus getroffen. „Ich wollte nie eine handwerkliche Ausbildung machen. Eigentlich interessiere ich mich für Mode“, stellte er damals fest. Auch habe er sich in dem Rausch, der ca. 15 Stunden (!) anhalte, mit Massentierhaltung auseinandergesetzt. „Nach dem LSD-Trip wurde ich sofort Vegetarier“, behauptet er.

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Haben was von Briefmarken: LSD-Pappen, hier bereits von der Polizei konfisziert und eingetütet

Süchtig nach der Hippie-Droge wurde er zum Glück nie. „Das ist zu extrem“, sagt er. „Das kann man nicht so oft machen.“

Station 5: Lean und Xanax

Kurze Zeit später lernte Vincent „Leute aus der Düsseldorfer Modeszene“ kennen. Eine interessante Gesellschaft für den damals 17-Jährigen, der sich immer mehr für Design begeisterte, seiner Ausbildung nur noch aus einem Pflichtgefühl seinen Eltern gegenüber nachging.

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Vincent K. zeigt uns sein Codein aus dem Darknet.

Drogen aus dem Darknet

Der Handel mit Drogen im Internet (Darknet) ist innerhalb der letzten Jahre, stetig gewachsen und hat sich mittlerweile als fester Vertriebsweg für Drogen etabliert. National wie international werden in regelmäßigen Abständen Plattformen vom Markt genommen sowie Ermittlungen gegen Plattformbetreiber und Anbieter geführt. Der Postversand ist eine der zentralen Voraussetzungen für den Handel mit Drogen im Internet, da über diesen Weg die Drogen zu den Konsumenten gelangen. Im Jahr 2017 konnte ein rasanter Anstieg (+50 %) des Versands von Betäubungsmitteln in Postsendungen festgestellt werden.

Doch es waren die nächsten „falschen Freunde“, die dem Azubi auf der Suche nach sich selbst gefährlich wurden. Denn auch sie nahmen harte Drogen. Drogen, von denen der Otto-Normal-Verbraucher noch nie gehört hat. „Wir haben in Düsseldorf zusammen abgehangen, Rap gehört und Lean genommen“, erzählt Vincent. Als „Lean“ bezeichnet die Szene Codein, ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das sich auch in Hustensaft wiederfindet. „Wir haben das mit Sprite gemischt und getrunken“, sagt er.

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Gleichgültigkeit, Gelassenheit und ein dauerhafter Chillmodus sind die Wirkungen der In-Droge. „Ich wurde sofort süchtig, habe jeden Tag Lean genommen, ohne ging gar nichts mehr“, sagt er. Die erste Droge, der der Teenager nichts Positives abgewinnen kann. „Das Lean haben meine Freunde mir im Darknet besorgt“, gibt Vincent offen zu. Auch Xanax, eine ebenfalls einschläfernde und beruhigende Droge aus den USA habe man ihm im Darknet bestellt. 

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Wegen seiner lilanen Farbe wird „Lean“ in Fachkreisen auch als „Purple Drank“ bezeichnet. Gemischt wird es von den Konsumenten meistens mit Sprite.

Nach Monaten der Abhängigkeit von „Lean“ trat Vincent aus eigener Kraft auf die Bremse. Ganz mit den Drogen aufgehört hat er aber nicht. Sein trauriges Bekenntnis: „Jetzt kiffe ich nur noch und ziehe am Wochenende mal ’ne Nase Koks.“

Der Konsum und seine Konsequenzen

Anlaufstellen für Drogensüchtige und Angehörige

  • Betroffene können sich bei der Drogenhilfe Köln unter 0221 91 27 97 0  oder unter 0151 22 10 74 73 zur Terminvereinbarung melden. Die Beratungsstellen sind in der Victoriastraße 12 in 50668 Köln, der Bergisch Gladbacher Str. 71 in 51065 Köln und in der Hans-Böckler-Str. 5 in 50354 Hürth. 
  • Eltern können sich unter www.drugscout.de über verschiedene Substanzen und ihre Gefahren informieren.

Die Konsequenzen für den jahrelangen Konsum werden Vincent schneller einholen, als er denkt. Allein das Koks fügt seinem zentralen Nervensystem erheblichen Schaden zu und auch der Cannabiskonsum kann zu Psychosen oder Lungenerkrankungen führen – ganz zu schweigen von der eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Beruf. Wenn Vincent nicht bald die Kurve kriegt, könnte der Konsum ihn eines Tages sein Leben kosten. 

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