Junge Frau ohne HoseFoto-Skandal – schlimmste Befürchtungen sind wahr

Unser Archivbild (2015) zeigt ein älteres Modell von iRobots Roomba im Bad.

Unser Archivbild (2015) zeigt ein älteres Modell von iRobots Roomba. Die kleinen Helfer können weit mehr als nur staubsaugen – sie können auch Fotos ihrer Nutzerinnen und Nutzer aufnehmen.

Vor einigen Jahren tauchten intime Fotos auf, aufgenommen aus einem niedrigen Winkel: Eine junge Frau mit heruntergelassener Hose auf Toilette, ein Junge ist auf dem Teppich zu sehen, eine Frau spaziert durch ihre Küche. Lange fachsimpelten Expertinnen und Experten darüber, woher die Fotos kamen. Nun werden die schlimmsten Befürchtungen wahr.

von Martin Gätke (mg)

Sie tauchten urplötzlich im Herbst 2020 auf: Eine ganze Reihe von erschreckend intimen Bildern wurde in Online-Foren und auf Facebook gepostet. Darauf zu sehen waren meist alltägliche Alltagsszenen, oft auch Aufnahmen von ganzen Räumen – aufgenommen aus einem merkwürdig niedrigen Winkel. Fotos, die wirklich niemand von sich im Netz sehen will.

Nun klärten Expertinnen und Experten darüber auf, woher diese Fotos stammen. Und die schlimmsten Befürchtungen über einige technische Geräte werden wahr. Das könnte nun zu einem großen Problem für Amazon werden. 

Saugroboter von iRobot: Plötzlich intime Bilder aufgetaucht

Im Dezember 2022 gab es die Antwort von „MIT Technology Review“: Die Bilder stammen von Saugrobotern, die durch die Wohnung der nichtsahnenden Menschen gefahren sind und sie dabei filmten. Demnach habe es sich um Testgerät des Saugroboters Roomba J7 von iRobot gehandelt. 

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Dass Saugroboter Kameras oder/und Sensoren haben, ist zunächst völlig normal: Mit ihnen scannen sie ihre Umgebung und die Wohnung der Nutzerinnen und Nutzer, um sich durch die vier Wände zu navigieren – möglichst ohne, dass das Gerät oder irgendwelche Gegenstände oder Möbel beschädigt werden.

Der J7 habe dabei eine Software verwendet, die (noch) nicht auf jedem Gerät aufgespielt wurde – die User hätten der Aufnahme von Fotos gegen Bezahlung zugestimmt. Es habe in ihrer Hoheit gelegen, sensible Gegenstände vor dem Roboter zu retten – oder sich vor ihm in Sicherheit zu bringen, wenn man auf dem Klo sitzt. 

Die Bilder wurden vom J7 über das Internet an einen Dienstleister weitergeleitet: Scale AI. So sollte die künstliche Intelligenz der Geräte verbessert werden.

Saugroboter: Mitarbeitende teilen intime Fotos von Usern

Doch das Problem: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin, die damit betraut waren, die Bilder auszuwerten, teilten die Fotos auf verschiedenen Social-Media-Plattformen. Das Unternehmen iRobot beendete daraufhin die Zusammenarbeit. 

Nach Einschätzung von iRobot hätte jeder, dessen Fotos oder Videos im Netz aufgetaucht, zugestimmt, sich von den Roombas überwachen zu lassen. Doch das Unternehmen lehnte es ab, „MIT Technology Review“ Einsicht in die Vereinbarungen zu gewähren. Ein Sprecher erklärte, alle Vorkehrungen würden getroffen, „um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten sicher und in Übereinstimmung mit geltendem Recht verarbeitet werden.“

iRobot: Amazon will den Roomba-Hersteller kaufen

Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass Amazon den Roomba-Hersteller kaufen will – für 1,7 Milliarden Dollar. Schnittstellen zwischen Roombas und Amazons digitale Sprachassistentin Alexa gibt es schon länger, iRobot nutzt zudem auch Amazon-Server. Informationen über User landen also schon jetzt dort.

Die US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission hatte schon vor Bekanntwerden des Vorfalls Bedenken hinsichtlich der Übernahme angemeldet: „Wenn Amazon einen Wettbewerber auf dem Smart-Home-Markt übernimmt, der wie sie selbst Zugang zu unglaublich detaillierten Konsumentendaten hat, würde das sowohl einen fairen Wettbewerb und offene Märkte gefährden, wie auch zu sehr in die Privatsphäre von Nutzern eindringen“, mahnte ein Vertreter. Die Überprüfung laufe noch.

Der Fall zeigt, wie schnell die Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die ihre digitalen oder Smart-Home-Geräte erheben, missbraucht werden könnten. In den vergangenen Jahren ist der Markt massiv gewachsen, Kühlschränke, Waschmaschinen, Kaffeemaschinen – zahlreiche Geräte sind datenhungrig, senden Infos an Clouds und sollen so intelligenter werden.

Smart Home: Darauf sollten Verbraucherinnen und Verbraucher achten

Und jene Daten auf Saugrobotern können eben besonders empfindlich sein, da sie sich überall im Haus aufhalten. Die 15 Bilder, die mit „MIT Technology Review“ geteilt wurden, sind nur ein winziger Ausschnitt aus einem umfassenden Datenökosystem. iRobot hat erklärt, dass über 2 Millionen Bilder an Scale AI gingen. Auch viele andere Unternehmen arbeiten mit Scale AI zusammen.

Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt davor, dass das eigene Smart Home immer mehr zu einem Angriffsziel werden kann, vor allem Router als Schaltzentrale seien gefährdet.

Laut Verbraucherzentrale lassen sich vier Gefahrenquellen ausmachen, auf die Verbraucherinnen und Verbraucher achten sollten: 

  • Je mehr smarte Geräte, desto gefährdeter das System: Durch die Übernahme eines Geräts im Smart-Home-System könnten auch andere Geräte im selben System gekapert werden.
  • Konten: Smart-Home-Dienste mit Benutzerkonto seien in der Regel nur durch ein Passwort geschützt: Es sei wichtig, dass dies besonders sicher ist.
  • Übertragungsweg der Daten von der App in die Cloud: Hier sei es wichtig, dass eine moderne Verschlüsselungstechnik bei der Übertragung zum Einsatz kommt, damit die gesendeten Daten auf ihrem Transportweg nicht im Klartext abgefangen und gelesen werden können.
  • Speicherung der Daten in der Cloud: Datenpannen, etwa wenn Daten ohne Passwortschutz und Verschlüsselung frei im Internet zugänglich sind, können zur Folge haben, dass sensible Daten für Dritte zugänglich werden.

Kurzum: Wer sich das Leben zu Hause mit diesen immer intelligenter werdenden Geräten bequemer machen will, muss sehr sorgfältig abwägen.

Ein Smart-Speaker, ein Saugroboter oder ein Heim-Überwachungssystem sind extrem nützliche Tools, sie können dabei helfen, Zeit oder Energie zu sparen. Aber: Sie stellen eben immer einen Eingriff in die Privatsphäre dar. Die Antwort auf die Frage, wie weit der gehen darf, muss jeder User für sich selbst entscheiden.