Wetterexperte Donald Bäcker„Ich persönlich glaube nicht an einen Rekordsommer“

Im Dezember 2025 feiert Wettermann Donald Bäcker Jubiläum beim ARD-Morgenmagazin - er ist seit 20 Jahren dabei. Der 1968 geborene Bäcker ist kein Show-Typ, sondern er erklärt präzise und verständlich, wie Wetter und Wettervorhersage funktionieren.  (Bild: WDR/Annika Fußwinkel)

Im Dezember 2025 feiert Wettermann Donald Bäcker Jubiläum beim ARD-Morgenmagazin - er ist seit 20 Jahren dabei. Der 1968 geborene Bäcker ist kein Show-Typ, sondern er erklärt präzise und verständlich, wie Wetter und Wettervorhersage funktionieren. (Bild: WDR/Annika Fußwinkel)

Ende 2025 arbeitet der Meteorologe und Wetter-Enthusiast Donald Bäcker 20 Jahre beim ARD-Morgenmagazin. Im Interview äußert sich der Brandenburger über den aktuellen Sommer und die Veränderungen bei der Vorhersage. Ein Gespräch übers Wetter - das oft anders funktioniert als man denkt.

Wird der Sommer 2025 so heiß wie noch nie? Warum ist es manchmal trocken, obwohl der Regenradar sagt, dass es gerade schütten sollte? Wie radikal verändert sich die Wettervorhersage durch KI? Der Meteorologe Donald Bäcker arbeitet seit Dezember 2005 beim ARD-Morgenmagazin. Der 1968 geborene Brandenburger glaubt allerdings, dass die Tage der Wetterfrösche aus Fleisch und Blut in den Medien gezählt sein könnten. „Bald werden wir Schwierigkeiten haben, echte Menschen von animierten zu unterscheiden.“ Dann könnte eine schöne KI-Moderatorin das Wetter vortragen - ohne, dass wir es merken. Über gute und weniger gute Zukunftsszenarien rund ums Wetter spricht Donald Bäcker im Interview.

teleschau: Wir leben in einer Zeit rasanter technischer Entwicklung. Hat sich die Genauigkeit der Wettervorhersage über die letzten Jahre verbessert?

Donald Bäcker: Über die letzten Jahre sind die Wettermodelle genauer geworden. Wir sind in der Lage, für noch kleinere und spezifischere Regionen Vorhersagen zu treffen. Im aktuellen Modell des Deutschen Wetterdienstes lässt sich alle 2,1 Kilometer eine Aussage darüber treffen, wie sich das Wetter in diesem Gebiet weiterentwickelt. Das waren früher, bei älteren Wettermodellen, noch über 30 Kilometer Abstand.

teleschau: Das heißt, wir können noch genauer erfahren, ob es beim Grillfest in meinem Garten heute Abend regnet?

Bäcker: Ja, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Man nennt das Gitternetz-Abstand. Je enger dieses Gitternetz ist, desto besser kann man kleine lokale Ereignisse wie Gewitter oder Nebelfelder erfassen. Trotzdem herrscht in der Atmosphäre immer noch Chaos. Was bedeutet: Die hundertprozentige Wettervorhersage gibt es nach wie vor nicht. Und es wird sie wahrscheinlich auch nie geben.

„Das Phänomen, dass der Regenradar scheinbar lügt ...“

teleschau: Viele Menschen nutzen Regenradar auf dem Smartphone, um zu erfahren, wann sie ihr Haus oder Auto verlassen können, ohne nass zu werden. Solche Apps sind oft erstaunlich genau. Ein Triumph der Wettervorhersage?

Wird die Wettervorhersage immer genauer? Warum herrscht eigentlich Chaos in der Atmosphäre? Wird der Sommer 2025 so heiß wie noch nie? Und weshalb könnten bestimmte Regionen Deutschlands im August unter Hochwasser leiden? Wetter-Experte Donald Bäcker gibt im Interview Auskunft. (Bild: WDR/Annika Fußwinkel)

Wird die Wettervorhersage immer genauer? Warum herrscht eigentlich Chaos in der Atmosphäre? Wird der Sommer 2025 so heiß wie noch nie? Und weshalb könnten bestimmte Regionen Deutschlands im August unter Hochwasser leiden? Wetter-Experte Donald Bäcker gibt im Interview Auskunft. (Bild: WDR/Annika Fußwinkel)

Bäcker: Streng genommen ist Regenradar keine Wettervorhersage, sondern ein Messwert. Elektromagnetische Wellen werden an 17 Radarstationen des Deutschen Wetterdienstes ausgesendet und von Niederschlägen reflektiert. Die Bilder aller Standorte werden zu einem fast flächendeckenden Gesamtbild für Deutschland zusammengesetzt. Vorhandene Niederschlagsechos und ihre Zugrichtung können bis zu zwei Stunden in die Zukunft extrapoliert, also vorhergesagt werden. Satelliten machen ständig Bilder unserer Erde und können mittlerweile schon in die Atmosphäre hinein messen. Das heißt: Sie erstellen Temperaturprofile, wo man früher noch einen Wetterballon mit Messgeräten steigen lassen musste. Die Vorhersagen der Computermodelle werden dann bis zu mehreren Tagen angezeigt.

teleschau: Für wie lange kann man mittlerweile eine Wettervorhersage machen?

Bäcker: Das hängt von der Wetterlage und der Genauigkeit ab. Die Großwetterlage ist bis zu zehn Tagen vorhersagbar. Bei kleinräumigen Schauern und Gewittern stößt man schon bei ein bis zwei Stunden an seine Grenzen. Die Dynamik ist extrem, Schauer und Gewitter ziehen nicht einfach nur von Ort A nach Ort B, sondern entwickeln sich weiter oder lösen sich rasch auf. Das meinte ich mit Chaos in der Atmosphäre ...

teleschau: Warum sagt der Regenradar manchmal für diesen Moment, in dem ich gerade draufschaue, Regen voraus, aber ich stehe trotzdem im Trockenen?

Bäcker: Ja, das passiert. Dazu muss man wissen, wie Wetterradar funktioniert. Durch die Erdkrümmung zeigt der Radarstrahl etwas in die Höhe, sodass Niederschlag, der zum Beispiel in 2000 Metern aus der Wolke fällt, erfasst und angezeigt wird, aber den Boden gar nicht erreicht, weil er vorher verdunstet ist. Daher kommt das Phänomen, dass der aktuelle Regenradar scheinbar lügt. Es tritt vor allem im Sommer bei sehr trockener Luft auf.

„Wettervorhersage mit KI funktioniert etwas anders“

teleschau: Künstliche Intelligenz verändert gerade viele Bereiche unseres Lebens. Einige Stimmen behaupten, auch die Wettervorhersage würde durch KI revolutioniert ...

Bäcker: Bisher ist durch KI noch kein großer Fortschritt bei der Wettervorhersage entstanden. Über die letzten etwa 50 Jahre haben wir mit numerischen Wettermodellen gearbeitet. Sie treffen mit gewaltigem Datenaufwand und hochkomplexen Rechenmodellen ihre Vorhersage. Dafür braucht man Supercomputer. Wettervorhersage mit KI funktioniert etwas anders. Hier wird nicht nur mit Daten und Gleichungen gearbeitet, sondern man sucht nach ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit und versucht Muster zu erkennen, die man in die aktuelle Prognose einbauen kann. Der Rechenaufwand ist sehr viel geringer. Man könnte die Wettervorhersage per KI sogar daheim auf dem eigenen Rechner vornehmen.

teleschau: Klingt doch nach ziemlichem „Game Changer“ ...

Frisst die KI den Job des Wettermannes und der Wetterfrau auf? Donald Bäcker erwartet für die Zukunft wenig Gutes: „Ob wir als Berufsstand von KI profitieren, glaube ich nicht, weil man auch die Moderation des Wetters KI-animieren kann und keine Menschen mehr für die Wettervorhersage braucht. Im Radio wird das nachts schon gemacht.“  (Bild: HR/Sebastian Reimold)

Frisst die KI den Job des Wettermannes und der Wetterfrau auf? Donald Bäcker erwartet für die Zukunft wenig Gutes: „Ob wir als Berufsstand von KI profitieren, glaube ich nicht, weil man auch die Moderation des Wetters KI-animieren kann und keine Menschen mehr für die Wettervorhersage braucht. Im Radio wird das nachts schon gemacht.“ (Bild: HR/Sebastian Reimold)

Bäcker: Ja, aber die Genauigkeit des KI-Wetters liegt doch noch deutlich unter der des numerisch errechneten Wetters. Ich habe eben von 2,1 Kilometer entfernten Gitterpunkten gesprochen, für die ich gegenwärtig numerisch das Wetter bestimmen kann. Bei der KI liegen wir gerade erst bei 28 Quadratkilometern. Trotzdem helfen uns KI-Systeme auch jetzt schon weiter. Vor allem für die langfristige Vorhersage ab dem fünften Tag. Da haben sie die Prognose stabiler gemacht. Weil man die KI immer weiter mit Wetterdaten füttert, können die Systeme immer mehr Lagen miteinander vergleichen. Das Ziel ist stets, im Datenwust eine möglichst ähnliche Wetterlage zur jetzigen aus der Vergangenheit zu finden. Weil dies mit KI immer besser gelingt, können wir vielleicht bald das Wetter der nächsten 20 Tage vorhersagen.

teleschau: Also bringt KI viele Verbesserungen für Ihren Berufsstand?

Bäcker: Was die Genauigkeit der Vorhersage betrifft, ja. Ob wir als Berufsstand davon profitieren, glaube ich nicht, weil man auch die Moderation des Wetters KI-animieren kann und keine Menschen mehr für die Wettervorhersage braucht. Im Radio wird das nachts schon gemacht. Da wird der Wetterbericht von einer KI vorgelesen. Meteorologen benötigt man bald nur noch, um den Bericht zu erstellen, präsentieren kann ihn eine schöne KI-Moderatorin per Satzbaustein. Klingt hölzern, aber solche Systeme werden rasant lebensechter, sodass man bald Schwierigkeiten haben wird, echte Menschen von einer animierten Variante zu unterscheiden. Aber das ist ein eigenes Thema.

Hochwassergefahr im August?

teleschau: Kommen wir zurück zur Langzeitvorhersage. Lange Jahre war es Kaffeesatzleserei, wenn man im April oder Mai wissen wollte, wie der Sommer wird? Könnten Aussagen dazu in Zukunft seriöser sein?

Bäcker: Die Wahrscheinlichkeit, dass Langzeit-Wettervorhersagen tatsächlich zutreffen, wird in Zukunft höher sein. Wir haben aber noch nicht über den Klimawandel gesprochen. Er sorgt für neues Chaos, weil er Phänomene hervorbringt, die es früher nicht gab.

teleschau: Klimawandel bedeutet unter anderem, dass wir auch in Deutschland immer öfter unter Hitze leiden. Wagen Sie schon eine Prognose, ob 2025 ein neuer Rekordsommer wird?

Bäcker: Viele haben ihn vorhergesagt, schon im Frühjahr und Frühsommer. Doch ich glaube nicht daran. Die Vorhersagen, die durchs Netz kursierten, bezogen sich auf einen sehr warmen Atlantik. Nun erwartet man, dass diese warme Luft wie gewohnt zu uns zieht. Das betrifft aber nur die obersten Schichten des Atlantiks, aufgrund einer sehr stabilen Hochdrucklage im März und April. Sobald nun durch Tiefdruckgebiete Bewegung in diesen Ozean kommt, kann sich alles schnell verändern. Das Wasser wird durchmischt und die Wärme ist schnell verschwunden.

teleschau: Also kommt kein Rekordsommer 2025?

Bäcker: Ich persönlich glaube nicht an einen Rekordsommer. Wir hatten ein sehr trockenes Frühjahr. Eine derartig stabile Hochdruck-Wetterlage kommt nur selten vor und wird sich voraussichtlich nicht über den gesamten Sommer halten. Die Zirkulation auf der Nordhalbkugel der Erde wird niemals sechs Monate lang die gleiche sein. Ich rechne mit einem zumindest leicht wechselhaften Sommer. Dennoch wird es Hitzewellen geben. Meist dann, wenn die heiße Luft von Südwesten heranrauscht. So geschehen zu Beginn des Juli mit örtlich knapp 40 Grad, aber diese Lagen werden nicht lange andauern. Im Gegenteil. Ende Juli und im August könnte es aufgrund des sehr warmen Mittelmeeres zu starken Regenfällen mit Hochwassergefahr vor allem im Süden und Osten kommen.

teleschau: Haben Sie persönliche Meinungen zum Wetter, die Sie im Fernsehen nicht weitergeben, weil sie mehr Bauchgefühl als Meteorologie sind?

Bäcker: In Berlin gibt es ein schönes Spiel, es heißt Wetterturnier. Da probiert man sich an Langzeitprognosen fürs Jahr. Meteorologen nehmen daran teil, aber auch wetterbegeisterte Laien. Ich mache schon lange mit und 2023 habe ich sogar gewonnen. Trotzdem sage ich: Wettervorhersagen für die nächsten Monate treffen nur zu etwa 50 Prozent zu. Wenn man von entweder gutem oder schlechten Wetter ausgeht, wäre diese Vorhersage damit komplett sinnbefreit. Mein Bauchgefühl in Kombination mit Wissenschaft sagt mir für 2025, dass unser Sommer ein „Schaukelsommer“ hinsichtlich der Temperatur und insgesamt eher zu nass ausfallen wird. (tsch)