Torsten Sträter über TV-Auftritte„Ich behandle das, als sei ich auf Kneipenbesuch“

Neuer Inhalt (2)

Torsten Sträter am 23. März 2021 beim EXPRESS-Interview in Köln.

Köln – Herzlich Willkommen in der ungeordneten Innen-Welt des Torsten Sträter (54). Der Komiker, der nie das macht, was andere von ihm erwarten, hat die Corona-Zeit genutzt, das Buch „Sträters Gutenacht Geschichten“ (Ullstein Verlag, 14 Euro) zusammenzustellen. Horror-Storys, die vor 20 Jahren entstanden und dann in der Schublade verschwunden sind. Der Start in die Bücher-Charts ist Anlass zum großen EXPRESS-Interview.

  • Trosten Sträter hat ein Buch zum Gruseln geschrieben
  • Warum er eine Begegnung mit Howard Carpendale nicht vergisst
  • Wie ihn sein Durchbruch als Comedian verändert hat

Sie sind spät im Comedy-Geschäft angekommen. Bereuen Sie das? Torsten Sträter: Ja, ich hätte gern zehn oder 15 Jahre früher angefangen. Schon wegen des Geldes, ehrlich gesagt. Ich bin zwar meistens irgendwie über den Monat gekommen, aber manchmal war es eng. Andrerseits – vielleicht wäre meine Karriere dann schon seit fünf Jahren wieder zu Ende.

Wann wurde Ihnen klar, dass Fernsehen eine ganz andere Welt ist als das normale Leben? Das habe ich sehr schnell erkannt. Fernsehen ist ein völlig anderes Arbeiten, allerdings bedeutet es für mich keine Arbeit. Ich arbeite im Fernsehen nicht mal, wenn ich in einer Quizshow dabei bin. Ich empfinde Arbeit nur, wenn ich schreibe.

Alles zum Thema Social Media

Klingt ungewöhnlich. Schließlich haben Sie sogar eine regelmäßige Sendung in der ARD... Sehe ich nicht so. In der Sendung finden sich ausschließlich Leute, die ich extrem schätze, und ich schreibe die Texte weitestgehend selber. Damit komme ich gut zurecht. Ist so, als würde ich im Wohnzimmer mit einigen Freunden ein Kammerschauspiel aufführen, und ein paar Leute filmten das ab.

Kann Erfolg im TV einen Menschen verderben? Erfolg verstärkt die Charaktereigenschaften, glaube ich. Wenn jemand eine Arschgeige war, die riesenerfolgreich wird, kann’s sein, dass er zur Riesen-Arschgeige wird. Wenn du ein netter Kerl warst, bleibst du, wie du bist, oder wirst noch netter.

Wo finden wir Sie? Ich bin wenig Arschgeige, dafür aber verhältnismäßig viel normaler Mensch. Also hat es mich nicht so verändert. Es ist auch keine Schwierigkeit. 80 Prozent beim Fernsehen ist, möglichst wenig im Weg zu stehen, nur gucken, was passiert. Ich versuche, nicht aufzufallen, Leute mit Allüren gibt es genug. Ich behandle das, als sei ich auf Kneipenbesuch.

Zum Erfolg im TV gehört Prominenz. Ist die für Sie wichtig? Ich habe nichts damit am Hut. Mir fehlen die dazugehörenden Mechanismen und das Howard-Carpendale-Mäßige...

Wie meinen Sie das? Ich habe Howard mal im Hotel getroffen, hätte ihn nie erkannt, wenn er sich nicht so unfassbar verkleidet hätte, um nicht erkannt zu werden. Wir hatten 28 Grad, ich habe mich gefragt: „Warum trägt dieser Mann einen Trenchcoat, eine Riesen-Sonnenbrille, eine Baseball-Kappe?“ Und merkte sofort: Das ist Howard Carpendale.

Auffallend ist, dass Sie nicht mal einen Instagram-Kanal haben... Leute mit Instagram-Kanal nehmen sich oft sehr wichtig. Mache ich nicht. Wichtig ist mir, das Geld zusammenzuhalten, das ich bekomme, nicht auf den Ferrari-Testarossa-Zug aufzuspringen oder zu versuchen, die Kölner Innenstadt zusammenzukaufen. Kann ja sein, dass in zwei Jahren ein Super-Freak-Komiker kommt, der – wie ich – Geschichten vorliest, mich ablöst. Dann war es das für mich und meinen Instagram-Kanal.

Ihnen scheint sehr klar, dass Karriere endlich sein kann... Darauf können wir uns verlassen. Es ist nicht jeder wie Dieter Nuhr, der 60 geworden ist und nicht so aussieht. An ihm sieht man: Sich vernünftig zu ernähren, bringt was. Habe bis dahin nie dran geglaubt. Aber ich gebe zu: Gern möchte ich auftreten, bis ich sterbe, das Sterben möchte ich gern hinauszögern. Ich wäre gern der Jopie Heesters des Kabaretts.

Sie gelten als bodenständig… Ach, das weiß ich nicht. Ich habe auch sehr bescheuerte Ideen, will bestimmte Dinge unbedingt haben, bei denen andere sagen: „Bist du etwas gestört?“

Wann fragt man Sie das denn? Ich kaufe oder ersteigere gern Teile aus meinen Lieblingsfilmen. Manchmal versuche ich, Spielzeug meiner Kindheit wieder zu haben. Mit zehn war ich glücklich, dass ich die drei Muppets-Handpuppen Kermit, Schlagzeuger Tier und Hund Rowlf hatte, die damals schweineteuer waren. Die sind im Laufe der Zeit verschütt gegangen, wie bei mir alles verschütt geht. Deswegen habe ich sie jetzt ersteigert: Jede Puppe, die mal 100 Mark kostete, jetzt für 250 Euro.

Ungewöhnlich ist Ihr Schwenk in ein neues Genre mit „Sträters Gutenacht-Geschichten“. Die Storys sind nicht zum Grinsen, sondern zum Gruseln. Wieso? Die Geschichten sind schon alt. Ich hatte Anfang des Jahrtausends einen Job in unserer Familienspedition, mit meiner Mutter als Boss. Außer Papier am Fax nachlegen und Dienst am Telefon hatte ich wenig zu tun. Ich bekam wahnsinnig wenig Geld. Für das, was ich hinbekommen habe, war es noch zu viel. Weil ich sonst nix zu tun hatte, begann ich zu schreiben. Und weil ich Fan guter Horrorstorys war, schrieb ich die auch.

Sie finden die Geschichten immer noch gut fürs Heute? Viele waren richtig scheiße, die habe ich damals weggeworfen, aber einige waren nicht so übel. Die hab’ ich aufgehoben. Und 2020, im Jahr, in dem wir eine Menge komisches Zeug machten, fiel mir das Horrorzeugs wieder ein – zu meinem Erstaunen waren viele Geschichten gut gealtert. Natürlich geht es hier nicht um Hochliteratur – die Länge reicht für ein Wannenbad, eine Klo-Sitzung oder die Bahn von Köln nach Düsseldorf.

Was macht das mit einem Menschen – erst im Familienbetrieb im Büro, jetzt Star der Comedy? Das verändert natürlich. Ich war früher immer das schwarze Schaf der Familie, ein Typ, der lustig und fluffig ist, super mit Leuten umgehen kann – aber sonst nix auf die Kette kriegt. Als meine Karriere losging, habe ich festgestellt, dass ich nicht nur Heizöl bezahlen kann, sondern sogar noch was übrig bleibt. Und es macht was mit einem, wenn man jeden Abend die beste Form der Bestätigung kriegt – die Lacher. Und dafür noch bezahlt wird. Ich bemitleide jeden, der meinen Job nicht machen darf.

Torsten Sträter: Kind des Ruhrpotts

Torsten Sträter (geboren am 4. September 1966 in Dortmund) machte eine Ausbildung zum Herrenschneider. Seit 2008 Auftritte bei diversen Poetry Slams. Von 2016 bis 2019 machte er „Sträters Männerhaushalt“ (WDR), seit 2020 ist er in der ARD mit „Sträter“ zu sehen.

Er litt vor allem in den 1990ern an Depressionen, die er in seinen Programmen thematisiert, und ist Schirmherr der Deutschen Depressionsliga. Er lebt in Waltrop und ist Vater eines Sohnes.