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Tom KeuneSchauspieler mit klarer Ansage: „Was der Nachbar denkt, interessiert mich nicht“

Schauspieler Tom Keune.

Schauspieler Tom Keune, hier in seinem Wohnzimmer in Berlin-Neukölln, spielt in der zweiten Staffel der ARD-Serie „All you need“ eine der Hauptrollen.

Schwules Leben in Berlin: Sex, Liebe, Freundschaft. Darum geht es auch in der zweiten Staffel der ARD-Serie „All you need“. Eine der Hauptpersonen wird vom homosexuellen Schauspieler Tom Keune gespielt.

von Antonia Raabe (ra)

Die unterschiedlichsten Personen hat Tom Keune (46) in seiner Schauspielkarriere schon verkörpert. Eins hatten seine Rollen als Anwalt, Polizist und Familienvater jedoch gemeinsam: Allesamt waren sie heterosexuell. Nun ist eine neue Rolle hinzugekommen. Zu der hat der 46-Jährige gegenüber EXPRESS.de verraten: „Tatsächlich war es etwas Besonderes. Ich dachte, das ist es nicht, aber es war so.“

Erst im vergangenen Jahr outete sich Keune nämlich im Rahmen der Kampagne „Act Out“ offen als homosexuell. Für die zweite Staffel der ARD-Serie „All you need“ schlüpfte er kurz nach seinem Outing in seine erste schwule Rolle, in die des Rugby-Trainers Andreas.

Was für ihn persönlich das besondere an der neuen Staffel der Serie ist, was ihn zu seinem Outing bewegt hat und wie er mit seiner Regenbogenfamilie lebt, hat Tom Keune im Interview mit EXPRESS.de verraten.

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Schauspieler Tom Keune über sein homosexuelles Outing

Sie waren im Februar 2021 Teil der „Act Out“-Kampagne. Was hat Sie dazu bewegt, sich im Rahmen der Initiative offen als homosexuell zu identifizieren?

Tom Keune: „Mich hat ein Kollege und Freund gefragt, ob ich dabei sein will. Und ich habe instinktiv sofort gesagt, dass ich das machen will. Und ich habe eigentlich erst später gemerkt, warum. Und zwar ist das so: Ich habe eine Regenbogenfamilie, ich habe drei Kinder mit einem weiblichen Ehepaar und wir leben diesen Kindern halt eine totale Normalität und Selbstverständlichkeit vor. 2018 kam mein kleiner Sohn zur Welt und der hatte eine Hörbeeinträchtigung. Das hat mir einen Kick gegeben, denn ich habe den im Arm gehabt und sofort gedacht: ‚Schauspieler wird er nicht‘, weil ich dachte „Den sieht man nie“. Ich möchte gerne, dass mein Sohn sich sieht und dass meine Kinder sich sehen und dass sie nicht denken, „Wo sind wir? Warum wird nichts über uns erzählt.“

Haben sich Ihr öffentliches Outing und Ihre Rolle in der zweiten Staffel von der schwulen ARD-Serie „All you need“ gegenseitig beeinflusst?

Tom Keune: „Ich glaube, dass sie das Casting offener gestreut haben und sich auch auf Bewerbungen aus der queeren Community gefreut haben. Deshalb habe ich da mal mein Video hingeschickt. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich unbedingt dabei sein will. Aber im Verlauf der Castings habe ich gemerkt, dass ich mich dort einbringe und das auf fruchtbaren Boden fällt und dass wir zusammenkommen in der Figur und wie wir sie erzählen möchten. Denn wir wollten in der zweiten Staffel eine größere Bandbreite an homosexuellem Leben zeigen.“

Finden Sie sich persönlich in ihrer Rolle des schwulen Rugby-Trainers Andreas wieder?

Tom Keune: „Ich habe nicht so viel mit dem Andreas gemeinsam. Natürlich, die sexuelle Orientierung, aber das zählt nicht so. Wo ich mich nicht wiederfinde ist, dass ich gar keine harten Kontaktmannschaftssportarten mag, da bin ich nicht der Typ. Des Weiteren tritt Andreas ja auch in einer Folge als Dragqueen auf und das habe ich noch nie gemacht und habe auch nicht vor das zu tun. Wo ich ihn allerdings ganz stark finde, ist in seinem Wunsch Erwartungen zu brechen. Er sagt: ‚Okay, ihr habt euch ein Bild von mir gemacht, aber ich lass mich von euch nicht in Schubladen stecken.‘ Das ist eine total wichtige Botschaft. Du musst so sein, wie du bist, auch wenn du nicht ins Bild passt, du musst zu dir stehen. Das war ein langer Weg für mich, da war die Figur viel früher. Aber ich bin mittlerweile auch an dem Punkt angekommen, wo ich sage: Ich möchte nicht mehr darüber nachdenken, was der Nachbar denkt, interessiert mich nicht mehr.“

Was ist für Sie das Wichtigste aus der neuen Staffel „All you need“?

Tom: „Die homosexuellen Männer und deren Alltag und Probleme werden erzählt, aber sie werden in der Gesellschaft nicht problematisiert. Sie sind kein Problem, sondern haben die gleichen Probleme wie alle anderen. Ich habe mich jahrzehntelang mit Männern im deutschen Fernsehen identifiziert, die nicht homosexuell waren. Wenn jemand sagt, er kann sich damit nicht identifizieren, dann finde ich das schwierig. Wir schaffen mit der zweiten Staffel Projektionsflächen und erzählen Menschen. Es kann jetzt ein breiteres Publikum finden.“

Sollten Ihrer Meinung nach schwule Rollen auch von schwulen Schauspielern gespielt werden?

Tom: „Ich spiele seitdem ich drehe, heteronormative Charaktere. Zu sagen, schwule Charaktere sollen von schwulen Männern gespielt werden, finde ich völlig falsch, weil es den Beruf konterkariert. Aber: Es gibt Menschen, die sich als Trans oder non-binär bezeichnen und die haben es wirklich schwer, denn ihnen wird nur zugestanden, sich selbst zu spielen. Und die brauchen auch eine Sichtbarkeit. Und wenn dann ein heterosexueller cis-Mann kommt und die einzigen Rollen, die die spielen können, auch noch spielt, dann läuft was falsch, dann finde ich es unfair. Wir müssen dazu kommen, dass alle alles spielen.“

Sie leben in einer Regenbogenfamilie, haben drei leibliche Kinder (3,4,7) mit einem lesbischen Paar. Wie ist es zu der Konstellation gekommen?

Tom: „Mit der einen Mama war ich auf dem Gymnasium und wir kennen uns aus der Theater-AG. Wir hatten locker Kontakt und haben uns dann irgendwann wiedergetroffen. Dann habe ich ihre jetzige Frau kennengelernt und irgendwann haben sie mir die Frage gestellt, ob ich mir vorstellen könnte, der Vater ihrer Kinder zu sein. Sie dachten, dass das gut funktionieren könnte, da wir den gleichen Blick auf das Leben haben. Und ja, es ist etwas, was sehr gut funktioniert. Da ist eine Sicherheit da und ein Netz, das uns allen sehr guttut.“

Wie sieht Ihr Alltag aus? Wo ist der Lebensmittelpunkt von Ihnen, den Mamas und den Kindern?

Tom: „Wir leben in alle in Berlin. Der Lebensmittelpunkt ist bei den Frauen, ich sehe die Kinder aber zweimal die Woche ungefähr. Und habe deshalb auch die Infrastruktur bei mir, also Kinderzimmer und so weiter. Es ist schon viel zu organisieren, aber wir sind halt auch immer einer mehr. Es ist immer jemand Drittes da, der/die mit helfen kann, bei den Terminen. Die Oma und die Patentante wohnen auch mit im Haus, wir sind also eine große bunte Familie, die Kinder fühlen sich sehr wohl.“

Sie leben in Berlin, kommen aber gebürtig aus Stolberg bei Aachen. Wäre in einer Kleinstadt solch eine Regenbogenfamilie auch denkbar für Sie?

Tom: „In meiner Geburtsstadt hätte ich mir nicht vorstellen können, diese Familie zu gründen. Es würde auch gehen, aber in Berlin ist es schon einfacher.“

Werden Ihnen trotzdem, auch in Deutschlands Hauptstadt, Grenzen der Gesellschaft aufgezeigt?

Tom: „Normal ist meine Familie für die Leute definitiv nicht. Ich als Mann werde eigentlich immer heteronormativ gelesen, wenn ich jemand neuen kennenlerne. Wenn ich von meiner Familienkonstellation erzähle, dann fängt es in den Köpfen der Leute erstmal an zu rattern, was meine Aufgabe darin ist. Aber: Wir stehen mit beiden Beinen im Leben. Wir gehen gemeinsam zu Ämtern, in die Schule und sonst wohin, das wird nie in irgendeiner Weise thematisiert oder problematisiert. Unser Umfeld gibt uns nicht das Gefühl, uns besonders behandeln zu müssen. Ich finde es wichtig, solche Familien noch mehr zu zeigen, ihnen einen Raum zu geben. Da schließt sich der Kreis zu ‚Act Out‘.“