Neue SerieRapperin Schwesta Ewa packt über Rotlicht-Vergangenheit aus

Rapperin Schwesta Ewa (Ewa Malanda) sitzt im Sitzungssaal im Bundesgerichtshof vor ihrer Anhörung.

Schwesta Ewa (hier im Februar 2019 im Bundesgerichtshof vor einer Anhörung) spricht in einer neuen Serie offen über ihre Rotlicht-Vergangenheit.

Ein bewegtes Leben zwischen Mikrofon, Rotlicht und Blaulicht: Rapperin Schwesta Ewa polarisiert ohne jeden Zweifel. Auf TVNOW versucht nun eine Dokuserie, den Mensch hinter der Kunstfigur zu ergründen.

Frankfurt am Main. Fraglos würde das ebenso harte wie ereignisreiche Leben der Rapperin Schwesta Ewa nicht nur eine Dokumentation, sondern auch einen Spielfilm tragen. Aber eins nach dem anderen: Seit Donnerstag, 29. Juli, steht die sechsteilige Dokuserie „Schwesta Ewa – Rapperin. Häftling. Mutter.“ komplett beim Streamingdienst TVNOW zum Abruf bereit und macht bereits im Titel deutlich, dass es sich bei der polarisierenden Ewa um eine vielschichtige Persönlichkeit handelt.

Schwesta Ewa packt in neuer Serie über Rotlicht-Vergangenheit aus

Die Doku erzählt, dass Ewas Leben folgendermaßen ablief: Bereits mit 17 Jahren prostituiert sie sich auf dem Frankfurter Straßenstrich, wechselt später in ein Laufhaus im Bahnhofsviertel. 2011 erscheint ihr Song „Schwätza“ und macht sie über Nacht bekannt. Mit der Rap-Karriere geht es steil nach oben, gleichzeitig eröffnet sie eine Bar. Doch es ist nicht die große Wende, illegalen Geschäften schwört Ewa nicht ab. Ihr Escort-Service, mit dem sie schwarz kassiert, wird ihr zum Verhängnis. Unter zahlreichen Anklagepunkten finden sich auch Menschenhandel und Zuhälterei.

Der Prozess der Rapperin Schwester Ewa zog reges Medieninteresse auf sich. Ihr Auftreten vor Gericht unterschied sich stark von der öffentlichen Person: Ungeschminkt und beherrscht präsentierte sie sich vor dem Richter. Bezüglich Menschenhandel und Zuhälterei wird sie freigesprochen, doch für Körperverletzung und Steuerhinterziehung wandert sie hinter Gittern. Zunächst ohne ihre ein Jahr alte Tochter. Welchen Tipp sie ihrem jüngeren Ich geben würde? „Geh zur Schule. Geld ist nicht alles. Frankfurt ist gefährlich.“

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Die TVNOW-Doku wirft ein Blick auf Ewas Vergangenheit im Rotlicht-Milieu, auf ihre Musikkarriere und zeigt, wie sich ihr Leben nach der Geburt der kleinen Aaliyah sowie ihrem Gefängnisaufenthalt veränderte. „Die Leute sollen wirklich erfahren, was alles hinter der Künstlerin Schwesta Ewa, aber vor allem dem Menschen Ewa Malanda steckt“, so die gebürtige Polin, die in dem Film ausgiebig zu Wort kommt.

Schwesta Ewa: Liebende Mutter und aufbrausende Gewalttäterin

Offenbar gibt es viele Antworten auf die Frage, wer Schwesta Ewa wirklich ist. In der Dokuserie von Regisseur Stefan Kauertz wird klar, dass es sich nicht ausschließt, eine liebende Mutter zu sein, der es das Herz bricht, von ihrer Tochter getrennt zu sein, und gleichzeitig eine zuweilen aufbrausende Gewalttäterin. Es schließt sich nicht aus, der Zuhälterei unschuldig zu sein und dennoch unmoralisch gehandelt zu haben. Aber es schließt sich eben auch nicht aus, dass geltendes Recht umgesetzt wird, aber die Trennung einer Mutter von ihrem gerade mal ein Jahr altem Kind eine grausame Entscheidung ist. Der Vater saß zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Gefängnis.

Deutlich wird schnell, dass der Mensch Ewa Malanda kein Blatt vor den Mund nimmt. Im Aufnahmestudio ebenso wenig wie im Interview. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie von prügelnden Freiern und der Verhaftung durch das SEK erzählt, wirkt fast mehr nach als die finsteren Geschichten selbst. Doch entspricht wirklich alles der Wahrheit, was sie ihren Fans auf Instagram – alte Storys werden in der Serie von Regisseur Stefan Kauertz integriert – sowie auf der Ledercouch, die für die Produktion in einem Parkhaus platziert wurde, erzählt?

„Vielleicht macht die mir auch nur was vor und ich falle drauf rein“, dachte etwa Gerichtsreporterin Heike Borufka über den Prozess. Für ein ganzheitliches Bild von Schwesta Ewa werden unter anderem Rap-Kolleginnen wie Juju, ihr Manager Xatar sowie der zuständige Richter befragt. Auch Kindheitsfreundinnen und -Freunde kommen zu Wort.

Xater über Schwesta Ewa: „Sie ist zu real für das Game“

Die Frage nach Authentizität ist auch ein wichtiger Bestandteil ihres musikalischen Erfolgs. Teile der deutschen Rapszene schreien immer noch regelrecht nach etwas Echtem. Straßenrap solle von Leuten stammen, die Geschichten von der Straße nicht nur vom Hörensagen kennen. Schwesta Ewa hat vieles von dem, was sie in ihren Strophen erzählt, wirklich erlebt und übt deshalb eine besondere Faszination aus. „Wer kann denn besser darüber rappen, wie jemand, der zehn Jahre auf der Straße gearbeitet hat?“, fragt Ewa rhetorisch – und liefert die Antwort gleich mit: „Dann ja wohl ich. Und nicht die krassen Rapper, die mit der Bahn fahren und noch bei Mama wohnen.“

Dann kamen die schweren Anschuldigungen, und Rapjournalist Alex Barbian bringt auf den Punkt, wie sich der Blick auf die Rapperin verschob: „Das war zwar alles witzig in den Songs, und es war eine interessante Geschichte, aber das ist uns jetzt irgendwie zu doll.“ Ihr Label-Boss Xatar, der ebenfalls bereits im Gefängnis saß, drückt es so aus: „Sie ist zu real für das Game“ – zu echt für deutschen Rap.

Ewa selbst gibt unumwunden zu: „Die Musik war mir immer scheißegal.“ In erster Linie blieb ein illegaler Escort-Service ihre Haupteinnahmequelle. „Ich war der Fahrer, ich war der Security, ich war die Mama, ich war die große Schwester, ich war die Bank“, berichtet sie vom selbsternannten „Logistik-Unternehmen“. Davon, junge Frauen - sogar Fans lautete der Vorwurf - zur Prostitution gezwungen zu haben, distanziert sie sich eindeutig, verteilte Ohrfeigen gibt sie unumwunden zu. Handgreiflich ging es in ihrer Vergangenheit viel zu häufig zu, Gewalt scheint nichts Außergewöhnliches in ihrem Leben zu sein.

Doku über Schwesta Ewa: Anwalt der Unterwelt kommt zu Wort

Schwesta Ewa ist jedoch nicht die einzige verrucht-schillernde Person der Dokuserie. Auftritt André Miegel: akkurat sitzender Anzug, selbstsicherer Auftritt, weiß sich zu verkaufen. Miegel ist Gründer und Partner bei „Lexhades“. Die Duisburger Kanzlei trägt ihren Namen nicht umsonst: Lex steht für das Gesetz, erklärt Miegel, Hades stehe für die Unterwelt. „Wir sind also für die Leute aus der Unterwelt tätig“, so der Anwalt.

Lexhades hat sich also auf Kundinnen und Kunden spezialisiert, die etwas mehr als Taschendiebstahl auf dem Kerbholz haben. Sein Engagement für Mandantinnen und Mandanten wirkt glaubhaft, doch warum muss er in seiner Kanzlei auf einen Boxsack einschlagen, um passende Schnittbilder zu liefern? Auch der Doku hätte etwas weniger Inszenierung hier und da gutgetan. (tsch)