Semino Rossi hat mit uns über seine Anfänge als Straßenmusiker gesprochen und darüber, dass er das „Ave Maria“ mal im Kölner Dom singen möchte.
Semino Rossi privat„Darum brauchte ich eine Pause in meiner Beziehung“

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Am 30. November tritt Semino Rossi im Kölner Hotel Maritim auf (18 Uhr). Das Konzert ist Teil der „Feliz Navidad“-Tournee, in der Songs der Weihnachts-CD im Mittelpunkt stehen.
Blutjunger Mann schnappt sich seine Gitarre und versucht am anderen Ende der Welt sein Glück. Die Mitarbeiterin eines großen Plattenlabels entdeckt ihn per Zufall auf einer Hochzeitsfeier, er reicht ein Demoband an, nachts ruft der Plattenboss zurück. Endlich startet die Karriere, er findet auch noch die große Liebe, verliert sie später fast aus den Augen.
Aber Ende gut, alles gut! Produzenten würden solch ein schnulziges Drehbuch vielleicht ablehnen, doch genau das ist Schlagerstar Semino Rossi (63) passiert.
Semino Rossi spricht über Luxus, den er sich geleistet hat
Semino Rossi klingt wie eine feurige Weinsorte. Wie sind Sie auf den Künstlernamen Namen gekommen?
Semino Rossi: Semino ist mein Familienname. Ich heiße Omar Ernesto Semino. Und Rossi ist ein Künstlername. Das klingt so richtig schön musikalisch, finde ich.
Vor 40 Jahren sind Sie aus Argentinien nach Europa gekommen, um mit der Musik Geld zu verdienen, waren lange Straßenmusiker. Prägt die Zeit Sie noch heute?
Semino Rossi: Ich habe mit 200 Dollar in der Tasche mein Argentinien verlassen – mit so vielen Träumen im Kopf. Ich wollte ein Sänger werden. Ich habe über 20 Jahre auf der Straße, in Hotels und Restaurants gesungen, auch auf vielen Hochzeiten. Bei der Geburtstagsfeier einer Mexikanerin war plötzlich jemand von der Plattenfirma Universal zu Gast und hat mir gesagt, dass ich eine wunderschöne Stimme hätte und ob ich ein Demo-Band hätte. Kurz darauf rief mich der Chef der Plattenfirma an und fragte, ob ich mich vorstellen könnte, mit dieser Stimme und meinem lateinamerikanischen Dialekt auf Deutsch zu singen. So ist vor 23 Jahren meine Karriere gestartet in dieser wunderschönen Schlagerwelt.
Sie sind mittlerweile Multimillionär, heißt es. Leben Sie trotzdem noch sparsam?
Semino Rossi: Multimillionär bin ich nicht (lacht). Doch ich habe schon ein wunderschönes Leben, ich habe auch viel gearbeitet dafür. Ich lebe ganz normal mit meiner Familie, mit meinen Enkeln und Kindern. Und: Ich bin sehr sparsam geblieben. Das habe ich von der Zeit gelernt, als ich auf der Straße gesungen habe. Da war jeder Cent wichtig für mich.
Gibt es denn irgendeinen Luxus, den Sie sich doch mal geleistet haben?
Semino Rossi: Ich habe mir einen Traum erfüllt und eine Reise auf die Malediven mit meiner ganzen Familie gemacht. Das war am Anfang von meinem großen Erfolg. Und ich habe mir ein Motorrad, eine BMW 1200 gekauft, die habe ich heute noch. Es ist ein sehr bequemes Motorrad. Ich bin kein Raser, ich bin ein Genießer. Da drehe ich in Südtirol mit meiner Frau gerne ein paar Runden. Wir vereisen auch gern, ich mag das Meer, diese Weite.
Nach der Corona-Zeit haben Sie sich nach fast 20 Ehejahren für zwei Jahre getrennt. Warum?
Semino Rossi: Das war einfach eine Phase in unserem Leben, wo es nicht rund lief. Wir sind normale Menschen, und in jeder Beziehung gibt es manchmal Höhen und Tiefen. Und ich wollte ehrlich sein, ich fühlte mich einfach nicht in der Lage, weiter mit Gabi zusammenzuleben. Ich habe ihr schweren Herzens gesagt, dass ich keine Scheidung will, aber eine Auszeit brauche. Ich habe diese Pause genommen und Gabi hat es akzeptiert, Gott sei Dank. Nach zwei Jahren kamen wir wieder zusammen. Diese Beziehungspause hat unsere Liebe noch stärker gemacht.
Bemühen Sie sich heute noch mehr als früher um die Beziehung, genießen noch bewusster die Zweisamkeit?
Semino Rossi: Auf jeden Fall. Ich habe gemerkt, wie schön es ist, an der Seite von Gabi zu leben, und wie schön es ist, eine Familie zu haben. Ich habe meine Frau in diesen zwei Jahren ehrlich vermisst. Aber ich habe eben auch die Zeit gebraucht, um diese Erfahrung zu machen, um das zu lernen.

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Semino Rossi und Ehefrau Gabi sind heute glücklicher denn je. Das Foto wurde 2023 in Wien aufgenommen.
Sie hatten einen Burnout. Lassen Sie es heute langsamer angehen?
Semino Rossi: Auf jeden Fall. Ich habe nach der Pandemie versucht, auf einmal alles schnell wieder auf die Beine zu stellen, alles, alles, alles. Zum Beispiel bin ich in einer Woche 8000 Kilometer gefahren für Interviews, Shows und Auftritte. Hauptsache, wieder präsent sein. Doch so bin ich schnell in den Burnout gerutscht. Es ging einfach nichts mehr. Deshalb habe ich eine Pause genommen, drei Monate lang, um wieder zu regenerieren und die richtigen Dinge in die richtige Position zu bringen. Das war für mich eine echte Lernphase, dass ich nicht überall dabei sein, nicht jedes Angebot annehmen muss. Heute mache ich nur das, was wichtig für mich ist und sich richtig anfühlt. Ich habe den Mut zu sagen, „Nein, ich möchte nur dieses Konzert machen. Die anderen mache ich nicht, weil es mir zu viel wird.“ Das klingt vielleicht einfach, war es für mich aber lange Zeit nicht.
Und wie schaffen Sie es, in der neu gewonnenen freien Zeit so richtig abzuschalten?
Semino Rossi: Dafür bedarf es nicht viel. Wir leben in einer wunderschönen Gegend in Tirol. Wir machen fast jeden Nachmittag einen Spaziergang, meine Frau und ich. Manchmal in den Bergen, manchmal durch die normalen Wiesen oder um die Seen. Ich habe das große Glück, in einem Paradies zu leben. Das mache ich mir immer wieder bewusst.
Vermissen Sie ihre Heimat, Argentinien, gar nicht mehr?
Semino Rossi: Doch, natürlich. Ich versuche einmal pro Jahr in Argentinien zu sein. Ich habe dieses Jahr im September ein Konzert in Paraguay gegeben und noch in der Nacht bin ich zu meinem Bruder gefahren, er ist für mich eine wichtige Verbindung mit meiner Familie, mit meiner Heimat und das hat mir total gutgetan.
Aber Weihnachten verbringen Sie hier. Was unterscheidet die Feste?
Semino Rossi: In Argentinien ist es Brauch, den Christbaum ab 8. Dezember aufzustellen. Wir haben dort natürlich einen künstlichen Baum, mittlerweile auch in Tirol. Da spielt zum einen der Umweltgedanke mit, aber es ist auch eine liebe Erinnerung an das Weihnachtsfest meiner Kindheit. Geschenke gab es dort an Heiligabend nicht, die bekommen die Kinder erst am 6. Januar, dann wird der Baum auch abgeschmückt. Und Heiligabend ist natürlich schon allein wegen des Wetters völlig anders.
Wie denn?
Semino Rossi: Nun, bei uns in Rosario ist Weihnachten Sommer, wir stellen bei 35 Grad die künstliche Tanne auf. Und wir spielen viel Musik. Wir gehen am 24. Dezember in die Kirche, kommen zurück und machen ein Abendessen mit der ganzen Familie, um Mitternacht gibt es ein Feuerwerk und danach wird getanzt und laut Musik gehört – mit Familie, Freunden und Nachbarn bis zwei, drei Uhr morgens auf der Straße. Das ist sehr temperamentvoll. Ich habe in Europa gelernt, wie schön es ist, etwas besinnlicher zu feiern. So eine richtige Weihnacht mit Schnee, das ist schon etwas Schönes. Genau diesen Mix versuche ich auf meiner neuen CD „Blanco Navidad“ (Weiße Weihnacht) und auf meiner Tour „Feliz Navidad“ einzufangen. Das ist ein Konzert mit normalen Liedern, mit temperamentvollen lateinamerikanischen/argentinischen Songs, aber auch mit klassischen Weihnachtsliedern und Schlagertiteln von mir, die zu meinen Konzerten einfach dazugehören.
Semino Rossi: Sein größer Traum hat mit dem Kölner Dom zu tun
Da gibt es dann auch bestimmt „Feliz Navidad“. Hängt Ihnen das nach so vielen Jahren nicht manchmal zum Halse raus, dass sie es immer wieder singen müssen?
Semino Rossi: Nein, das haben wir früher auch schon immer zu Hause gesungen. Und ich finde, das ist ein tolles, ein sehr markantes Lied von José Feliciano. Das ist ein Klassiker aus Lateinamerika, den die Leute auch hierzulande unbedingt in der Weihnachtszeit hören möchten. Wenn ich eine neue CD habe, versuche ich natürlich auch immer wieder, neue Lieder zu bringen. Und es gibt klassische Lieder, die alle hören wollen, die ich seit 25 Jahren immer noch gern singe, wie zum Beispiel „Rot sind die Rosen“ oder das „Ave Maria“. Das habe ich schon als Jugendlicher im Kirchenchor gesungen und auf meinen Hochzeiten mit Gitarre für Gabi. Wir haben zweimal geheiratet, einmal in Tirol und einmal in Argentinien. Soll ich etwas verraten: Ich habe es schon in vielen Kirchen gesungen, aber es war schon immer ein Traum für mich, dieses „Ave Maria“ für den lieben Gott im Kölner Dom zu singen. Das ist so eine fantastische Kirche, eine wunderbare Kulisse.
Na, da fragen wir doch gerne mal nach. Sie haben doch am ersten Advent ein Konzert in Köln, vielleicht findet sich da ja eine Möglichkeit.
Semino Rossi (lacht): Ich will mich da nicht aufdrängen, das dürfte etwas kurzfristig sein. Aber über eine Einladung irgendwann würde ich mich wirklich freuen, dafür würde ich bestimmt Zeit finden.
Semino Rossi: Karriere begann als Straßensänger in Deutschland
Semino Rossi ist ein argentinisch-österreichischer Schlager- und Volksmusik-Sänger. Er kam am 29. Mai 1962 in Rosario auf die Welt, wuchs in Armut auf, wurde aber musikalisch von seinen Eltern, einem Tangosänger und einer Pianistin, geprägt. Seine Karriere begann er in Europa als Straßenmusiker, bevor er 2004 in Deutschland bekannt wurde und zahlreiche Erfolge feierte. Er gewann 2006 den Echo-Musikpreis – und die Krone der Volksmusik in den Jahren 2007 und 2008.
Zahlreiche Alben erreichten die Spitze der Charts in Österreich, teilweise auch in Deutschland und der Schweiz. Er lebt mit seiner Frau Gabi in Tirol, hat zwei Töchter und ist stolzer Großvater. Sein soziales Engagement gilt indigenen Kindern in seiner Heimatstadt Rosario, denen er den Schulbesuch ermöglicht.

