Beim CSDSchlagerlegende Mary Roos sorgte für Coming-out von Kölner Szene-Star

Mary Roos posiert 2021 in einem schwarzen Abendkleid für die Kameras.

Sängerin Mary Roos, hier auf einer Aufnahme von Januar 2021, hat ein bewegendes Buch über ihr bewegtes Leben geschrieben.

Mary Roos, eine Frau mit vielen Facetten. Die Schlagerlegende, die nun Kabarett macht, hat Höhen und Tiefen hinter sich. Welche das sind, hat sie EXPRESS.de verraten.

von Horst Stellmacher (sm)

Erste Platte mit neun, Hitparaden-Erfolge, eigene TV-Sendung, internationale Karriere – aber auch die Tiefschläge, die das Leben und die Liebe für sie bereithielten: Es gibt fast nichts, was Schlager-Diva Mary Roos (73) nicht selbst erlebt hat.

In Bingen geboren und in Köln (im „Edelweiß“ von Daddy Blatzheim) entdeckt. Mit 70 von der Schlagerbühne abgetreten, gibt sie nun im Buch „Aufrecht geh’n – Mein liederliches Leben“ (Rowohlt, 22 Euro) Auskunft über ihr Leben. Das macht sie auch im Gespräch mit EXPRESS.de.

Mary Roos: Bittere Tränen beim Schreiben ihrer Biografie

Ist für Sie eine Buch-Premiere was anderes als eine Platten-Premiere? Mary Roos: Aber ja. Das mit den Platten bin ich gewohnt. Aber ein Buch? So aufgeregt war ich noch nie. Am ersten Tag habe ich mir eine Brille und Mütze aufgezogen, bin verkleidet in eine große Buchhandlung gegangen, habe das Buch aber nicht gefunden. Ich erfuhr, dass es schon viele Nachfragen gegeben hatte: Es aber noch gar nicht geliefert worden sei. Ich habe sofort den Verlag angerufen und angeboten, die Bücher, die ich schon zu Hause hatte, in die Buchhandlung zu bringen.

Für das Schreiben muss man viel in Erinnerungen wühlen und manche Schublade öffnen, die man eigentlich für immer geschlossen halten möchte ... Mary Roos: Ja, das habe ich gemerkt, und ich habe in der Zeit nicht nur gelacht, sondern auch geweint.

Was hat Sie im Rückblick am meisten überrascht? Mary Roos: Dass ich so vieles gemacht habe – obwohl ich „nur“ Schlagersängerin gewesen bin. So habe ich in Münster ein Jahr Theater gespielt, meine TV-Show wurde in 25 Länder verkauft, ich habe Peter Ustinov kennengelernt, ein Duett mit Gilbert Bécaud gesungen. Bin zwei Monate mit eigenem Programm im Pariser „Olympia“ aufgetreten, wo man nur reinkam, wenn man sich den ansonsten spielfreien Montag kaufte. Ich hatte in Paris die weibliche Hauptrolle im Musical „Un enfant dans la ville (Dépêche-toi)“.

Konnten Sie so gut Französisch sprechen? Mary Roos: Nee, gar nicht. Alles, was ich zu sagen und singen hatte, wurde mir in Lautschrift aufgeschrieben, und ich habe es auswendig gelernt. Ich habe so lange geübt, bis man mir nicht mehr glaubte, dass ich nichts von dem verstand. Übrigens hatte ich auch mit meinem Namen ein kleines Problem. Ich wusste bis dahin nicht, dass „Mary Roos“ in Frankreich auch der Name eines damals sehr bekannten Entlausungsmittels war.

Mary Roos erklärt: Darum kam sie 1994 beim Grand Prix (ESC) nur auf Platz 13

Welche schlimmen Erinnerungen sind beim Schreiben wieder hochgekommen? Mary Roos: Am schlimmsten waren die an den Grand Prix 1984 in Luxemburg, bei dem ich mit „Aufrecht geh’n“ nur auf Platz 13 landete, obwohl vorher alle begeistert waren. Das lag am Anruf, der mich am Morgen der Entscheidung erreichte. Eine mir bis dahin vollkommen unbekannten Frau erklärte mir: „Ich bekomme ein Kind von Ihrem Mann“.

Ihr Mann war damals Werner Böhm, der als Gottlieb Wendehals Riesenerfolge hatte, aber auch als Hallodri galt. Wie hat er reagiert? Mary Roos: Zuerst hat er alles abgestritten – aber ich wusste instinktiv, dass es stimmte. Der Anruf und die anschließenden Diskussionen hatten Spuren hinterlassen. Nach dem Auftritt sagte mir meine Schwester: „Du warst auf der Bühne so weiß wie dein Kleid! Und hast dich wie ein Maschinen-Wesen bewegt.“

„Aufrecht geh’n“ wurde ein sehr wichtiger Song für Sie. Der Text war für viele Frauen wichtig: „Ich habe endlich gelernt, wenn ich fall’, aufzusteh’n. Mit Stolz in meinen Augen und trotz Tränen im Gesicht – aufrecht geh’n durch die Nacht ins Licht“ ... Mary Roos: Ich bin immer noch stolz auf das Lied und den Gedanken dahinter: Wenn man hinfällt, weil man was erlebt hat, was nicht schön war, und man dann doch das macht, was man machen wollte, ist es die richtige Entscheidung. Das macht stark.

Sie waren im deutschen Schlager ganz oben, aber selten die Nummer 1. Nie den Ehrgeiz, ganz oben zu bleiben? Mary Roos: Ich fand und finde es angenehmer, in der zweiten Reihe zu leben. Ich wollte nie, dass mein privates Leben zu kurz kommt, wollte auch immer andere Dinge machen. Dazu kommt, dass ich eigentlich eine ganz faule Socke bin. Ich kann unheimlich lange nichts tun. Ich kann eine ganze Woche oder sogar zwei zu Hause bleiben, ohne mich zu rühren.

Mary Ross und Horst Stellmacher im November 2022 in Köln.

Mary Ross und Horst Stellmacher trafen sich im November 2022 in Köln zum EXPRESS.de-Gespräch..

Sie haben eine enge Beziehung zur schwulen Community. Dabei haben Sie den Kölner Klaus Duch, Chef des Kult-Lokals „Kaiserin“ und als Lola Lametta Star der Travestie-Szene, sogar in einem Lied verewigt: „Die Königin der Nacht“. Wie kam es dazu? Mary Roos: Wir haben uns bei der Arbeit für die Aids-Hilfe kennengelernt, seitdem gehört er zu meinem und ich zu seinem Leben. Unsere Beziehung hatte für ihn übrigens ganz private Folgen – sie führte zu seinem späten Coming-out bei seiner Mutter.

Was war passiert? Mary Roos: Wir waren bei einem CSD-Zug als Brautpaar auf seinem Wagen, er im weißen Hochzeitskleid, ich im schwarzen Anzug. Damals vermutete der EXPRESS, dass wir zusammen seien, machte daraus eine Schlagzeile. Danach rief seine Mutter umgehend an: „Du bist mit Mary Roos zusammen?“ Da erfuhr sie die Wahrheit: „Mama, das geht schlecht. Ich bin schwul!“

Noch sind Sie mit Wolfgang Trepper im Kabarett „Mehr Nutten, mehr Koks – Scheiß auf die Erdbeeren“ unterwegs, mit Ihrem Buch auf Lesereise. Angst, dass es danach leerer wird? Mary Roos: Da mache ich mir keine Sorgen. Ich möchte auf keinen Fall nur zu Hause sitzen. Ich träume davon, ein kleines Café zu führen, mit Kunst an den Wänden, Lesungen und Live-Musik. Und um 18 Uhr schmeiße ich alle raus, habe Zeit für mich. Dann geht’s ab auf die Couch.

Cover des Buches «Aufrecht geh'n» von Schlagersängerin Mary Roos – veröffentlicht 2022.

Mary Roos lässt ihr Leben im Buch „Aufrecht geh’n“ (Rowohlt, 22 Euro) Revue passieren. Auch die schmerzhaften Momente ihrer Karriere und Beziehungen. 

Mary Roos (geboren am 9. Januar 1949 als Rosemarie Schwab in Bingen) nahm ihre erste Schallplatte als Neunjährige auf: „Ja, die Dicken sind ja so gemütlich“. 1970 dann ihr erster Hit „Arizona Man“. 1971 folgte die TV-Show „Marys Music“. 1972 belegte sie den dritten Platz beim Grand Prix d’Eurovision mit „Nur die Liebe lässt uns leben“.

1984 dann der bittere 13. Platz mit „Aufrecht geh’n“. 2020 nahm Mary Roos ihren Abschied von der Schlagerbühne, sie macht seit 2015 aber Kabarett mit Wolfgang Trepper (61). Sie war in erster Ehe mit Pierre Scardin (1970 – 1977) verheiratet, aus ihrer zweiten Ehe (1981 – 1989) mit Werner Böhm (1941 – 2020) stammt der gemeinsame Sohn Julian (36).