„Fatale Folgen“Suchtexperte zerlegt Lauterbachs Cannabis-Gesetz in TV-Interview

„Tagesgespräch“-Moderator Florian Bauer (rechts) sprach mit dem Suchtexperten Rainer Thomasius über das neue Cannabisgesetz.

„Tagesgespräch“-Moderator Florian Bauer (rechts) sprach mit dem Suchtexperten Rainer Thomasius über das neue Cannabisgesetz.

Die Bundesregierung hat heute das neue Cannabisgesetz beschlossen. Suchtexperte Rainer Thomasius bewertet die Teil-Legalisierung der Droge in einem TV-Interview kritisch: „Folgeschäden werden steigen“, ist nur einer seiner Kritikpunkte.

Das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ ist beschlossene Sache. Es soll laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach „den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückdrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen eindämmen und die Konsumentenzahlen drücken.“ Nach Einschätzung von Rainer Thomasius werde mit der Teil-Legalisierung von Cannabis keines dieser politischen Ziele erreicht.

Im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender Phoenix erklärte der Suchtmediziner und Kinder- und Jugendpsychiater an der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf, dass es einen „guten Forschungsstand“ und diverse Studien gebe, die bezweifeln ließen, dass die Ziele erreicht würden. Im Gegenteil: „Die Folgeschäden werden zunehmen“, meinte Thomasius im Gespräch mit Moderator Florian Bauer.

Cannabis-Gesetz: Abgabe an Jugendliche bleibt verboten

„Für Jugendliche bleibt der Konsum verboten“, sagte Lauterbach bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Cannabisgesetzes, für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren soll er nur bedingt möglich sein - eingeschränkt auf bis zu 30 Gramm pro Monat. Lauterbach: „Diese Einschränkung ist notwendig, denn Cannabis schadet besonders dem noch wachsenden Gehirn.“

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Hier immerhin stimmt Thomasius zu. Vor allem Jugendliche seien anfällig für Folgeschäden. Der regelmäßige Gebrauch von Cannabis fördere unter anderem Psychosen und Angststörungen und verursache eine Störung der Hirnreifung. Es komme durch Cannabiskonsum zu „Ausdünnungsprozessen im Frontalhirn“, die dazu führen könnten, dass sich der Intelligenzquotient um bis zu zehn IQ-Punkte verringere.

„Privater Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis werden für Erwachsene legal“, sagte Lauterbach. „Das Gesetz sorgt für die überfällige Entkriminalisierung der zahlreichen Menschen, die Cannabis lediglich zum Eigenbedarf nutzen und stärkt gleichzeitig endlich den Jugendschutz. So entziehen wir dem Dealer an der Straßenecke die Geschäftsgrundlage und schaffen mit den Cannabis-Clubs sichere, kontrollierte und legale Zugangsmöglichkeiten zu Cannabis für Volljährige.“ Thomasius widersprach der Erwartung im Phoenix-Gesrpäch deutlich.

Cannabis: Qualitätskontrolle durch die Ordnungsämter?

„Der experimentelle gelegentliche Gebrauch von Cannabis bereitet Suchtmedizinern weniger Sorgen“, meint Thomasius im Interview. Erschreckend sei vielmehr, dass der tägliche oder fast tägliche Konsum von Cannabis in Ländern mit Legalisierung sehr stark ansteige. Zum Beispiel, so zeigten Studien in den Legalisierungs-Staaten der USA, bei Erwachsenen um 100 Prozent, bei Jugendlichen um 15 bis 20 Prozent. Laut Thomasius werde der Konsum also nicht eingeschränkt, sondern steigen. Und: „Der regelmäßige Konsum ist es, der die Folgeschäden mit sich bringt.“

Deshalb sieht Thomasus in der „unnötigen Markterweiterung“ nichts Gutes, sondern rechnet mit „fatalen Folgen“. Auch zweifelt er daran, dass, wie im Gesetz versprochen, die Teil-Legalisierung zu einer Qualitätsverbesserung des verkauften Stoffes führe. Wer solle, so Thomasius, die Qualität denn prüfen? „Die Ordnungsämter sind eh schon überlastet.“ Und wie wolle denn ein normaler Erwachsener wissen, was für eine Qualität seine drei erlaubten Hanfpflanzen auf der Terrasse hätten.

Hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage zur Cannabis-Legalisierung teilnehmen:

Gleiches gelte für die zugelassenen Anbauvereinigungen, in denen laut Gesetz maximal 500 Mitglieder mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben dürfen.

Suchtexperte Thomasius: „Der Schwarzmarkt wird nicht abgeschafft“

Wichtig ist der Regierung der Schutz von Kindern und Jugendlichen. „Um zu verhindern, dass Heranwachsende trotzdem konsumieren, starten wir bereits jetzt eine Aufklärungskampagne. Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem“, erklärte Lauterbach.

Das sieht auch Thomasius so. „Das Paradigma muss sein: kein Cannabis-Gebrauch im Jugendalter!“ Durch die Legalisierung sieht er dies aber „konterkariert“. Zuletzt zweifelt Thomasius auch daran, dass der Schwarzmarkt abgeschafft werde. (tsch)