Bei „Markus Lanz“ lieferten Gäste wie Publizist Georg Mascolo und Autor Andrey Gurkov eine schonungslose Analyse der deutschen Russlandpolitik. Nicht nur Gerhard Schröder stand dabei im Zentrum der Kritik. Auch Olaf Scholz habe Wladimir Putin an der Nase herumgeführt, offenbarte Mascolo.
Publizist enthüllt bei Lanz Putin-Lüge gegenüber Olaf Scholz„Er sagt die Unwahrheit“

Copyright: ZDF / Markus Hertrich
Publizist Georg Mascolo beleuchtete bei „Markus Lanz“ ein Telefonat von Ex-Kanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Copyright: ZDF / Markus Hertrich
Bei „Markus Lanz“ nahmen Publizist Georg Mascolo (von links), Journalistin Katja Gloger und Autor Andrey Gurkov die deutsch-russischen Beziehungen näher unter die Lupe. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Markus Lanz nahm am Donnerstagabend die deutsche Russlandpolitik der vergangenen Jahrzehnte unter die Lupe. Mit seinen Gästen - darunter der in Moskau geborene Autor Andrey Gurkov - diskutierte Lanz dabei nicht nur über die politischen Versäumnisse, sondern auch über die Verführungskraft Wladimir Putins. Im Fokus: die Rolle Gerhard Schröders, der bis heute als enger Vertrauter des russischen Präsidenten gilt.
Publizist Georg Mascolo erklärte in dem Zusammenhang, dass Wladimir Putin sehr früh ein Talent dafür entwickelt habe, Menschen für sich zu gewinnen. „Er hat gelernt, mit Menschen umzugehen“, so Mascolo. Er fügte hinzu, dass Putin es verstehe, seine Gesprächspartner zu umgarnen, „um so sein besonderes Ziel zu erreichen“. Autor Andrey Gurkov ergänzte: „Schröder haben die materiellen Möglichkeiten sicherlich gefallen, die sich da in Russland ihm eröffneten.“ Markus Lanz fragte nach Putins KGB-Vergangenheit: „War den Russen klar, mit wem sie es da zu tun haben?“ Gurkov antwortete klar: „Ja, es war sogar erwünscht. (...) Es gab eine Sehnsucht nach einer harten Hand.“
Georg Mascolo erinnert an Stimmen, die schon früh vor Putin gewarnt haben

Copyright: ZDF / Markus Hertrich
Journalistin Katja Gloger erläuterte, wie sich Russland und vor allem Wladimir Putin seit Beginn des Ukrainekrieges verändert hat. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Zwar habe Putin anfangs marktwirtschaftliche Reformen umgesetzt, so Gurkov, doch: „Die Reden und die Worte von Putin muss man immer mit den Taten vergleichen. (...) Da relativiert sich das.“ Mascolo erinnerte sich zudem an Stimmen, die schon früh vor Putin gewarnt haben - etwa der frühere Bürgerrechtler Werner Schulz. Dieser habe damals gesagt, „man habe Putin gefeiert wie ein Enkel von Gorbatschow und habe nicht gesehen, dass es sich bei ihm um den Ziehsohn des KGB handele.“

Copyright: ZDF / Markus Hertrich
„Es gab eine Sehnsucht nach einer harten Hand“, erklärte Autor Andrey Gurkov den Aufstieg Wladimir Putins in Russland. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Wie Mascolo eröffnete, sei auch Ex-Kanzler Olaf Scholz vom russischen Präsidenten hinters Licht geführt worden. Kurz vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine habe sich Scholz in einem Telefonat mit Putin „außerordentlich beunruhigt“ gezeigt. „Und Putin tut das, was er auch in allen vorherigen und späteren Gesprächen getan hat“, offenbarte Mascolo. „Er sagt die Unwahrheit.“ Statt den von Putin am Telefon beschriebenen „Manövern“ und einem daraufhin angekündigten Rückzug sei damals „die Entscheidung zum Krieg längst gefallen“ gewesen.
Im Zentrum der Diskussion bei „Markus Lanz“ stand zudem die deutsche Haltung nach der Annexion der Krim im Jahr 2014. Lanz wollte wissen, warum Deutschland im Anschluss nur ein Jahr später an dem Nord-Stream-2-Projekt festhielt. Mascolo fand darauf nur schwer eine Antwort: „Das würde man gerne wissen. Wahrscheinlich unter den vielen schwer zu erklärenden die am schwersten zu erklärende Episode.“ Für ihn sei nach der Krim-Annexion „völlig klar“ gewesen, „womit wir es mit Wladimir Putin zu tun haben“. Dass Deutschland in dieser Situation die Energieabhängigkeit von Russland sogar noch vertieft habe, sei „einer der größeren Fehler“ gewesen.
Autor erklärt Annäherung an Russland: „Die Bevölkerung wollte billiges Gas“

Copyright: ZDF / Markus Hertrich
Deutschland hat in Bezug auf Russland einige Fehler gemacht, wie die Diskussionsrunde bei „Markus Lanz“ am Donnerstagabend herausarbeitete. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Der Publizist betonte, dass die deutsche Russlandpolitik „bis zum Jahr 2014“ zwar zu kritisieren gewesen sei, aber: „Ab 2014 wird es deshalb so unerklärlich, weil klar ist, worauf Wladimir Putin letztlich aus ist. Weil es nur noch um die Frage geht, wie schlimm es mit ihm eigentlich werden wird.“ Lanz hakte deshalb nach: War Deutschland zu naiv im Umgang mit autoritären Regimen?
Autor Andrey Gurkov widersprach - zumindest teilweise. „Es gab im Grunde genommen einen Wählerauftrag für eine unkritische Russland-Politik“, sagte er. Nicht die Politik sei naiv gewesen, sondern die Gesellschaft und Wirtschaft hätten eine Annäherung gewollt: Die Bevölkerung habe „billiges Gas“ sowie „Frieden mit Russland“ verlangt. Er selbst habe lange ähnlich gedacht, aber: „Für mich ist die Trennlinie der 24. Februar 2022. Also wer danach immer noch von einer Annäherung an Russland (...) spricht, (...) da kann ich kein positives Wort mehr finden.“
Lanz wollte anknüpfend daran wissen: „Wie hat dieser Krieg Russland verändert?“ Die Antwort von Journalistin Katja Gloger fiel deutlich aus: Putin sei ein „immer autoritärer auftretender Präsident“, der überzeugt sei, „dass er diesen Krieg (...) gewinnt und ihn weiterführen kann, um eine neue Sicherheitsordnung für Europa zu gestalten, die eine russische Sicherheitsordnung sein soll“. Auch Andrey Gurkov fasste die dramatische Entwicklung eindrücklich zusammen: „Dieser Krieg hat Russland endgültig von Europa abgeschnitten. Russland will sich nicht mehr als Europa verstehen und ist auch nicht Europa.“ (tsch)
