Hollywood ruft, sie bleibt im Rhein-Erft-KreisThriller-Queen Petra Hammesfahr

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Petra Hammesfahrs neues Buch „Nach dem Feuer“ (Diana-Verlag, 15,99 Euro) ist ab Montag im Handel erhältlich. Es wird sicher nicht der letzte Roman der 69-Jährigen sein.

Kerpen – Jeder Kerpener weiß, dass Michael Schuhmacher und Adolf Kolping berühmte Söhne dieser Stadt sind. Aber was ist mit bekannten Töchtern?

In Kerpener Buchläden sucht man Werke von Petra Hammesfahr (69) vergebens, auch Bürgermeister Dieter Spürck kennt sie „nicht persönlich“. Dabei ist sie eine wahre Thriller-Königin in Deutschland.

Peter Hammesfahrs Bücher sind international erfolgreich

Mittlerweile hat sie 36 Bücher geschrieben, die in 23 Sprachen übersetzt wurden, vier Literaturpreise bekommen, sechs Bücher wurden verfilmt, bei Netflix läuft ihre „Sünderin“ erfolgreich als Serie. Auch ihr neuer Roman „Nach dem Feuer“ habe das Potenzial für Hollywood, sagt Hammesfahr.

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Das Thema – wie so oft – eine Familientragödie. Es geht um einen ungewöhnlichen Missbrauch an einem behinderten Jungen, der sein Lebensbild aus TV-Sendungen zusammenzimmert. Eine Frau wird gepfählt, ein Wohnwagen geht in einer Erddeponie in Flammen auf ...

Hammesfahr: Orte müssen realistisch sein

Stopp, Deponie im Rhein-Erft-Kreis? Ja, die gibt es – wie so viele Orte in ihren Romanen – wirklich.

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Die Firma Maassen betreibt in Kerpen eine Deponie für unbelasteten Erdaushub. Eine riesige Fläche, an der Petra Hammesfahr täglich vorbeifährt und die sie zu einer Schlüsselszene in ihrem neuen Buch inspirierte: Da fackelt jetzt ein Wohnwagen ab.

„Seit 46 Jahren lebe ich hier, bin an den Anblick der riesigen Braunkohlegruben gewöhnt. Doch auf die Dimension der Deponie der Firma Maassen war ich nicht vorbereitet. Eigentlich suchte ich nur ein Plätzchen, an dem ich fiktiv ein Wohnmobil ausbrennen lassen konnte, ohne zu großen Schaden an der Natur anzurichten, sonst hätte ich bei der Trockenheit des vergangenen Sommers auch noch einen Waldbrand einbauen müssen“, so die Perfektionistin.

Die Logik muss schon stimmen in ihren Romanen.

Deutsch-französische TV-Produktion über Hammesfahr

Sie durfte sich vor Ort umsehen – und war überwältigt von den Ausmaßen der Grube. „Am Rand stehend fühlte ich mich fast so winzig wie neben einem der riesigen Bagger im Braunkohletagebau“, sagt sie. Welche Abgründe sich hinter dieser provinziellen Fassade Kerpens verbergen könnten, ist ihr Thema.

Und deshalb ist Kerpen demnächst auch in einer deutsch-französischen ARTE-Produktion über Hammesfahr zu sehen („Stadt, Land, Kunst“). Eine „Mordsstadt“, diese Kolpingstadt Kerpen, wird man danach womöglich in Frankreich sagen.

Petra Hammesfahr bleibt in der Heimat meist unerkannt

Schon irre! Japaner und Amerikaner kennen nach ihren Romanen die Provinzstadt mit 60.000 Einwohnern, ihren Geburtsort Titz oder Grottenherden, feiern die Thriller-Queen im Netz. Aber in Kerpen selbst nimmt kaum einer Notiz von ihr.

„Im Aldi erkennt mich keiner – auch der Bürgermeister weiß wohl gar nicht, wer ich bin“, schmunzelt sie. Aber Dieter Spürck kennt zumindest ihren Namen, wie er auf Anfrage bestätigt: „Es erfüllt mich mit Freude, eine Persönlichkeit wie Frau Hammesfahr hier in Kerpen zu beheimaten. Und weiter: „Ich muss jedoch gestehen, dass ich bislang zeitlich nicht die Gelegenheit hatte, die Bücher zu lesen oder die Serie zu schauen.“

Hollywood will mehr, aber es hapert an Englischkenntnissen

Petra Hammesfahr und ihr zweiter Mann Wilfried verlassen die Stadt nur selten. „Wo sollen wir auch hin? Wir sprechen keine Fremdsprache, nicht mal Englisch.“ Als nach dem Riesen-Netflix-Erfolg von „The Sinner“ auf Facebook Fans aus aller Welt mit der Autorin Kontakt aufnehmen wollten, mussten Wilfried und sie das Übersetzungsprogramm von Google nutzen, um ihnen überhaupt zu antworten.

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Seit 45 Jahren zusammen: Petra Hammesfahr und ihr zweiter Ehemann Wilfried.

An den mangelnden Sprachkenntnissen würden auch die Verhandlungen mit der US-Produktionsfirma scheitern. „Die wollen mehr von mir, aber wenn die mir keinen Dolmetscher stellen, kann ich schlecht Konzepte vorstellen“, sagt sie.

Mit 13 wurde sie in die Lehre geschickt

Wen reizt schon Hollywood? Kerpen ist auch schön. Hier lebt sie, hier schreibt sie. Jeden Tag – mittlerweile in „Altersteilzeit“ – ab Mittag. Urlaub kennt das Ehepaar nicht. Die Geschichten seien nun mal in ihrem Kopf drin, „die müssen einfach raus“, sagt die 69-Jährige, der man als Kind verboten hatte, zu schreiben – oder sich Bildung anzueignen.

Mit 13 wurde sie in die Lehre geschickt, mit 17 das erste Mal schwanger und Ehefrau. Ein bettelarmes, einsames Leben an der Seite eines Alkoholikers.

Petra Hammesfahr schrieb einst auf Kassenbons

„Ein Arzt vor Ort hatte mir damals ein Psychologiebuch in die Hand gedrückt, um meinem Mann zu helfen.“ Klappte nicht, die Ehe scheiterte, aber ihre Leidenschaft war geweckt. Erst für die Psychologie, dann für die Medizin, für die Forensik...

Sie las und las und schrieb und schrieb, mangels Papier wie J. K. Rowling auf Einkaufsbons und Briefumschlägen, heute am Computer in ihrem mit Zetteln übersäten Kerpener Reihenhäuschen, das so gar nichts Mondänes hat.

Die Familie unterstützt sie

Statt teurer Kunstwerke gibt’s Fotos von den Kindern und Enkeln im Wohnzimmer. Ihre jüngste Tochter Tanja (49) ist ihre schärfste Kritikerin und liest die Kapitel gegen, Wilfried, Ex-Frisör und jetzt Rentner, ist in Personalunion Manager, Fotograf und Fahrer.

Zur Ruhe setzen will sich die Autorin noch lange nicht. Kurze Lesereisen sind für sie und Wilfried schöner als jeder Luxusurlaub, lieber sonnen sie sich am Otto-Maigler-See als in der Karibik. „Dort hatte ich übrigens die Grundidee für »Die Sünderin«, verrät sie. „Da lag ich mit Kopfschmerzen am Strand, neben mir lärmte eine Horde Rocker und ich habe mir vorgestellt, was wohl passieren würde, wenn ich jetzt einfach aufstehen und einen von ihnen erstechen würde...“.

Na, da muss der Ehemann ja richtig Angst kriegen, oder? Sie grinst: „Wir sind seit 45 Jahren glücklich. Ohne meinen Wilfried käme ich gar nicht klar.“