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Interview

Oliver Masucci„Ich hab wohl einen Ruf – von genial bis anstrengend“

Schauspieler Oliver Masucci steht mit freundlicher Miene vor einer lila-magenta-getönten Wand. Er trägt schwarzes Sakko und schwarzes Hemd.

Oliver Masucci beim französischen Filmfestival in Lille. Der Charakterdarsteller ist nicht nur in seiner Heimat gefragt, sondern auch in Hollywood, London und Frankreich.

Schauspieler Oliver Masucci hat mit uns über seine rheinische Heimat und seine Haltung zum Gaza-Krieg gesprochen. Und er verrät, warum er am Set kocht.

Aktuell ist er in der internationalen TV-Serie „The German“ zu sehen – natürlich als Hauptdarsteller. Doch schon dreht Oliver Masucci (56) den nächsten großen Film: „Adams Acht“, in dem er den legendären Rudertrainer Karl Adam spielt.

Masucci ist ganz oben angekommen. Er dreht in Hollywood, London oder Rom. Dabei begann seine Filmkarriere nach 30 Jahren am Theater erst spät, aber mit einem Knall: Masucci spielte 2014 in „Er ist wieder da“ den Wiedergänger Adolf Hitler. Über seine Erfolge und seine Wurzeln im Rheinland hat er mit EXPRESS gesprochen.

Oliver Masucci: Rouladen fürs ganze Filmteam

Sie sind als Gastarbeiterkind in Bonn aufgewachsen. Nicht ganz einfach, wie Sie in Ihrer Biografie „Träumertänzer“ schreiben, oder?

Oliver Masucci: Ich hatte eine tolle Kindheit, in der ich aber auch einstecken und mich hart durchsetzen musste. Ich habe damals gelernt, mich zu wehren, und das nicht zu knapp. Ich wollte nie das Opfer sein.

Ihre Eltern betrieben das Club-Restaurant des HTC Schwarz-Weiß Bonn. Dort haben Sie auch Kochen gelernt. Stimmt es, dass Sie bei Dreharbeiten für einen Film in Ihrem Trailer selbst kochen?

Oliver Masucci: Ja, stimmt. Beim Film über den legendären Rudertrainer Karl Adam, den ich gerade drehe, war mein Trailer nicht gut genug ausgestattet. Also habe ich im Ratzeburger Ruderclub meine eigene Küche bekommen – und meine Rouladen für das Team schmeckten besonders gut. Dank auch an die Metzgerei. Ich entfliehe so der Monotonie des Caterings am Set.

Haben Sie damit so schlechte Erfahrungen gesammelt?

Oliver Masucci: Ja. Das Catering ist am ersten Tag in der Regel gut, lässt dann oft deutlich nach. Nur in Brüssel, beim Dreh von „Herrhausen – Der Herr des Geldes“, war es umgekehrt. Normalerweise holt man sich das Essen wie in der Uni-Mensa, dort wurde es am Platz serviert. Am Ende gab's von der ganzen Crew Standing Ovations, weil sich in den zwei Monaten kein Gericht wiederholt hat – toll!

Oliver Masucci, Schauspieler in der Rolle als Rudertrainer Klaus Adam, sitzt am Set in seiner Werkstatt im Bootshaus des Ratzeburger Ruderclubs.

Als legendärer Rudertrainer Karl Adam drehte Oliver Masucci kürzlich in seiner rheinischen Heimat.

In der aktuellen TV-Serie „The German“ spielen Sie Uri, einen israelischen Siedler im Kibbuz, der 1970 vom Mossad nach Deutschland geschickt und dort in die Alt-Nazi-Szene eingeschleust wird. Uri soll Infos über den Verbleib des KZ-Arztes Josef Mengele bekommen. Eine schwierige Rolle, oder?

Oliver Masucci: Dieser Uri ist in sich tief gespalten. Er will im Kibbuz ein neues Leben führen, hat sein altes komplett verdrängt. Die Mossad-Mission zwingt ihn plötzlich, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Zum Hintergrund muss man wissen, dass mancher Holocaust-Überlebende selber in gewisser Art Schuld auf sich laden mussten, um zu überleben. Also: ein hoch spannendes Thema.

Die Dreharbeiten fanden während des Gaza-Krieges mitten in Israel statt. Wie war das?

Oliver Masucci: Wir mussten uns mit deutscher und israelischer Geschichte auseinandersetzen, während um uns herum Raketen einschlugen. Ich habe ein tief traumatisiertes, gespaltenes Land erlebt. Man darf nie vergessen: Ohne die Shoa, dieses Menschheitsverbrechen der Deutschen, und ohne den jahrhundertealten Antisemitismus, gäbe es dieses Israel gar nicht.

Was sagen Sie zur Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz, die deutschen Waffenlieferungen für die Einsätze in Gaza zu stoppen?

Oliver Masucci: Nach Expertensicht ist das ohne praktische Relevanz, aber ein Signal. Die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu hängt von kleinen, ultrarechten Parteien ab. Sie haben kein Interesse an einer fairen Lösung. Netanjahu, konfrontiert mit Korruptionsverfahren, will den Krieg gewinnen – was auch immer das für ihn heißt. Um jeden Preis. Gegen ihn demonstrieren hunderttausende Israelis. Für die Hamas ist jedes Opfer in Gaza ein Märtyrer für die gute Sache. Die Terroristen wollen Hunger und Leid, um mit den schrecklichen Bildern auch unsere Gesellschaft zu spalten.

Gewagte These.

Oliver Masucci: Wieso? Dass Zivilisten der Hamas als menschliche Schutzschilde dienen, ist grausame Realität. Und deshalb können wir keinen Palästinenser-Staat anerkennen, bevor der nicht Israel anerkennt. Solange es Vernichtungspläne gibt, braucht Israel jede Unterstützung von uns. Deshalb kann ich auch den offenen Brief aus der Kulturszene nicht unterschreiben, der von Friedrich Merz fordert: „Lassen Sie Gaza nicht sterben.“ Mir fehlt darin die Empathie mit den Geiseln, die in den Terrortunneln gequält werden. Und die Unterzeichner mögen sich fragen, wie viel Solidarität sie mit den Menschen in Israel am 8. Oktober 2023 gezeigt haben.

Sie meinen, einen Tag nach dem Überfall der Hamas?

Oliver Masucci: Richtig. Ich war im Ausland, aber später bei einer Demo vor der Humboldt-Uni. Wir waren 34 Leute. 34! Darunter die damalige Grünen-Chefin Ricarda Lang und der Pianist Igor Levit. Der fragte: „Warum muss ich hier stehen, als Jude, um Solidarität mit Juden zu demonstrieren? Wo sind die anderen?“ Inzwischen werden weltweit wieder Juden auf den Straßen attackiert. Juden werden für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich gemacht. Bei Russen ist das nicht so, obwohl Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Palästinenser macht man nicht für die Hamas verantwortlich, obwohl die Bevölkerung den Terroristen am 7. Oktober zujubelte, wie sie die jüdischen Geiseln über die Grenze schleppten. Da wurden auf unseren Straßen sogar Süßigkeiten verteilt. Bei Juden ist das anders. Die werden alle in einen Topf geschmissen. Da nimmt man es irgendwie hin, wenn die auf der Straße zusammengeschlagen werden und Sie sich nicht mehr in die Hörsäle oder in die Schulen trauen. Wo sind die offenen Briefe gegen Antisemitismus?

Sie haben einmal gesagt: „Widerstand erzeugt Reibung, erzeugt Kunst“. Wenn das Ihr Prinzip ist, heißt es da am Set eines Films: „Vorsicht, der Masucci kommt“?

Oliver Masucci: Zunächst: Ja, mir geht es um die Kunst. Und bestimmt habe ich einen Ruf – er reicht mutmaßlich von „genial“ bis „anstrengend“. Ich nenne es: anspruchsvoll. Das bin ich. Mir selbst gegenüber, aber auch dem Team. Die meisten kommen damit klar und wissen, dass am Set keine Zeit mehr ist, groß zu diskutieren. Also versuche ich, wie bei „The German“, als einer der Produzenten frühzeitig kreativ mitzusteuern. Es ist ganz einfach: Ich möchte das Beste aus mir und einem Film herausholen. Immer.

Oliver Masucci mit verschwitztem Hemd in der Seire "The German"

Schauspieler Oliver Masucci in „The German“ (läuft bei MagentaTV).

Da werden einige sagen: „Ja, der Mann dreht in Hollywood, London, Paris, der kann sich das erlauben.“

Oliver Masucci: Moment – ich war nicht immer so bekannt und gefragt. Ich musste mich in 30 Jahren am Theater 30 Jahre erniedrigen lassen, bin aber wieder aufgestanden, habe auch da Reibung erzeugt und sehr viel gelernt. Dann kam ich zum Film, als Adolf Hitler in „Er ist wieder da“. Auch da hatte ich eigene Vorstellungen. Wer mir sagt: „Stell dich mal da hin, mach das und guck so“, der muss sich einen anderen suchen. Ich wusste immer: Ich will nicht zum Fernsehen, sondern zum Film. Ich will auf der ganzen Welt drehen, tolle Leute kennenlernen.

Das haben Sie ja auch geschafft.

Oliver Masucci: Und das hat nicht geklappt, weil ich immer einfach war oder jedes Angebot angenommen habe. Ich habe mir meine Träume erhalten. Nicht immer leicht – zahlt sich aber aus.

Noch ein Zitat von Ihnen lautet: „Manche Kollegen sind egozentrische Arschlöcher.“ Stehen Sie dazu?

Oliver Masucci: Ja, weil ich mich davon gar nicht ausnehme. Es gibt Kollegen, die kokettieren mit Sätzen wie: „Ich bin nicht eitel“. Allein das ist ja schon eitel, so etwas zu sagen. Denn was ist das anderes als Eitelkeit, wenn man auf der Bühne steht und sich anschauen lässt?

Sie leben in der Schweiz und auf Mallorca. Wie ist es, wenn Sie die alte Heimat im Rheinland besuchen?

Oliver Masucci: Wenn ich Bonn oder Köln besuche, ist das wie nach Hause zu kommen.

Gilt das auch für Düsseldorf?

Oliver Masucci: Nö.

Oliver Masucci: Spezialist für schwierige Charaktere

Der Weg zum Filmstar war nicht unbedingt zu erahnen: Oliver Masucci wuchs in Bonn auf, wo seine deutsche Mutter und sein italienischer Vater die Vereinsgaststätte des HTC Schwarz-Weiß Bonn betrieben. Nach Jahren an diversen deutschen Theaterbühnen begann seine Filmkarriere recht spät.

Masuccis Spezialität auf der Leinwand und im TV sind die schwierigen Charaktere, zum Beispiel Rainer Werner Fassbinder, den er in dem Biopic „Enfant Terrible“ entfesselt verkörperte. Er spielte in der Netflix-Serie „Dark“, in den Filmen „Der Schwarm“, „Eine Billion Dollar“, „German Crime Story: Gefesselt“ und „The Palace“. Er lebt mit seiner Partnerin, der Journalistin Tanit Koch, auf Mallorca und in der Schweiz. Masucci hat drei Kinder von zwei Frauen.