Netflix-Schauspielerin schwärmt„Ich habe mich total in Köln verliebt“

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Super erfolgreich: Schauspielerin Michelle Barthel (26) ist gerade von Berlin nach Köln gezogen.

Köln – Erst 26 Jahre jung, aber schon über 40 Filme gedreht – und was für welche! Michelle Barthel ist Spezialistin für die Rollen junger Mädchen und Frauen, die im Schatten stehen, es im Leben nicht geschafft haben und vielleicht auch nie schaffen werden.

Jetzt kommt ein nächster schwerer Brocken dazu: Sie spielt die weibliche Hauptrolle in der neuen Netflix-Serie „Wir sind die Welle“. Viele Gründe für ein Treffen mit der Rheinländerin.

Sie ertragen in Ihren Filmen viel Leid, werden gejagt, vergewaltigt oder wurden auf den Strich geschickt. Hätten Sie nicht mal Spaß an was Heiterem? Michelle Barthel: Stimmt, ich habe viele Figuren gespielt, die sehr schwere und traurige Geschichten erzählten und die mit sehr viel Leid umgehen mussten. Aber natürlich kann ich mir Komödie gut für mich vorstellen, ich war ja auch schon in der einen oder anderen dabei. Ich habe ein kleines Problem – ich bin sehr leicht zu erheitern. Wenn ein Kollege witzig ist, bin ich immer kurz davor, mich kaputtzulachen.

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Wer ist Ihr Komik-Vorbild? Anke Engelke – sie ist die Göttin. Was sie macht, kann ich mir 100.000 Stunden lang immer wieder angucken.

Bei Netflix sehen wir Sie seit Freitag wieder mal in einer Extremrolle – in der Serie „Wir sind die Welle“. Worum geht’s? Um fünf Jugendliche, die nicht mehr über die Missstände der Welt hinwegsehen wollen. Sie bilden eine Gruppe und setzen sich für das Gute ein…

Klingt vom Ansatz her wie die Serie zu „Fridays for Future“… Das Verrückte ist, dass die Serie schon ein Jahr vor „Fridays for Future“ entstanden ist. Als wir die Bücher bekamen, kannte noch keiner von uns Greta Thunberg. Dazu kommt, dass es in der Serie irgendwann nicht mehr friedlich zugeht. Die große Frage ist dann, ob der Zweck alle Mittel heiligt.

Hat die Serie Ihr eigenes Denken beeinflusst? Nein, ich komme aus einer Generation, in der man weiß, dass der Weg zur Lösung immer über eine Diskussion und einen Austausch führt. Und die mitsprechen und gehört werden will. Es stimmt nicht, dass man nichts zu sagen hat, nur weil man 20 oder 30 Jahre später sprechen gelernt hat.

Erst 26, aber bereits über 40 Filme – meist Hauptrollen – gedreht und mit vielen Filmpreisen ausgezeichnet. Wie kommt es zu so einer Karriere? Ich habe als Kind gern Theater gespielt, war sogar schon mit sieben Jahren der „Puck“ im „Sommernachtstraum“. Irgendwann, als ich acht war, hat meine Freundin gelesen, dass es in der Nähe ein Fotokatalog-Casting gab, da sind wir natürlich hin. Ich habe auf dem Steckbrief, den ich da ausgefüllt habe, als Hobby „Theater-AG“ angegeben, ich war ja im örtlichen Theaterverein und jedes Jahr im Weihnachtsmärchen dabei. Nach dem Casting wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, zum Casting für den Kinderfilm „Der zehnte Sommer“ zu gehen.

Sie bekamen da die Hauptrolle – woran lag das? Ich glaube, nur daran, dass ich als Einzige den Mut hatte, den Jungen, der zwölf war und mein Partner werden sollte, vor der Kamera zu küssen. Die anderen zierten sich. Ein Kuss war mein Schicksal (lacht).

Waren Sie ein ernsthaftes Mädchen oder konnten Sie durchgeknallt wie andere sein? So richtig nicht, die Drehwelt ist eine Erwachsenenwelt. Außerdem ist damals mein Vater sehr plötzlich verstorben, so etwas verändert das Leben grundlegend. Aber ich habe eine ganz tolle Mutter, eine ganz tolle Familie, einen tollen Freundeskreis. Ich war zwölf und habe gelernt, dass man gemeinsam auch durch so eine Zeit kommt. Das zu erleben, hat mich mutig gemacht, mir wurde klar, dass die Zeit, die man miteinander hat, so wertvoll ist, dass man sie nicht im Streit verbringen sollte.

Sie sind nach sieben Jahren Berlin gerade ins Rheinland umgezogen. Schauspieler gehen oft den anderen Weg – warum haben Sie es gemacht? Wir haben die „Welle“ in und um Köln gedreht, es war eine Superzeit für mich. Ich habe mich total in die Stadt verliebt, ich wollte nicht mehr weg. Jetzt habe ich die richtige Wohnung gefunden. Ich habe das noch keine Sekunde bereut – ich liebe die netten Menschen, die wunderbare Umgebung und diese Nähe zu Frankreich. Diese Nähe kommt mir auch privat entgegen: Ich lebe mit einem französischen Seemann, der für die Seenotrettungsorganisation „SOS Mediterranée“ vor Libyen im Einsatz ist, zusammen, und stehe oft winkend in französischen Häfen.

Bald geht es im Rheinland wieder los. Sind die bereit für den Karneval – oder kneifen Sie? Warum das? Ich hatte schon immer viele Freunde in Köln, deswegen war Karneval immer ein Thema. 

Schon ein Kostüm ausgesucht? Vielleicht gehe ich mit roter Perücke als „Puck“, aber ich weiß noch nicht genau. Ich habe eine gut bestückte Verkleidungskiste, die ich sehr pflege. Wenn ich beim Dreh was trage, was ich toll finde, kaufe ich es – und ab damit in die Kiste. Braucht man im Rheinland unbedingt.

Sie sind auch Sängerin ... Mein Vater war Bassist und Fan von Led Zeppelin, Joe Cocker, Janis Joplin oder Jethro Tull. Deswegen durfte ich bei ihm übrigens nie Britney Spears hören. Als ich acht war, bekam ich zu Weihnachten eine Gitarre mit einem Selbstlernbuch – und darüber habe ich das Singen entdeckt und in verschieden Bands gesungen.

Haben Sie in Köln schon eine neue Band? Nein – aber ich suche eine.

In vielen „Tatorten“ mischte Michelle mit

Michelle Barthel (geboren am 30. Juli 1993 in Remscheid), aufgewachsen in Nottuln-Schapdetten (bei Münster).

2003: „Der zehnte Sommer“. 2009: „Keine Angst“ (u.a. Grimme-Preis „Beste Schauspielerin, „Beste Schauspielerin international“ beim TV-Festival Biarritz, Förderpreis beim Deutschen Fernsehpreis, Marler Fernsehpreis für Menschenrechte).

2010: Köln-Tatort „Schmale Schultern“.

2012 Münster-Tatort „Hinkebein“.

2018: Münster-Tatort „Treibjagd“. Seit 1. November „Wir sind die Welle“ bei Netflix. Sie lebt in einer festen Beziehung in Köln.