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Mark Ruffalo über Geschlechterrollen„Wir sind Männer in einem umfassenderen Sinn“

„Es geht nicht nur um Gott, sondern um das Vertrauen in uns als Menschen“, sagt Mark Ruffalo über die Krimiserie „Task“. (Bild: 2025 Getty Images/Jesse Grant)

„Es geht nicht nur um Gott, sondern um das Vertrauen in uns als Menschen“, sagt Mark Ruffalo über die Krimiserie „Task“. (Bild: 2025 Getty Images/Jesse Grant)

In der Krimiserie „Task“ wird Ex-“Avenger“ Mark Ruffalo zum FBI-Agenten. Nach dem Staffelfinale spricht der Schauspieler im Interview unter anderem über sein Verständnis von Männlichkeit und verrät, warum ihm das Ende der Serie viel bedeutet.

Er ist einer der sensibelsten Charakterdarsteller Hollywoods - ein Mann, der seit Jahrzehnten Herz und Haltung miteinander vereint. Mark Ruffalo, dreifach Oscar-nominiert, bekannt aus „Spotlight“, „The Avengers“ und „I Know This Much Is True“, steht heute für eine neue Generation männlicher Rollenbilder: verletzlich, ehrlich, tiefgründig.

In der gefeierten HBO-Serie „Task“ (zu sehen bei Sky & WOW) verkörpert er den ehemaligen Priester und FBI-Agenten Tom Brandis - einen Mann, der Schuld, Verlust und Glaube auf schmerzliche Weise miteinander verknüpft. Im Staffelfinale findet seine Figur endlich Frieden - und vielleicht sogar Erlösung.

„Das Magische passiert immer zwischen zwei Menschen“

teleschau: Die letzte Szene in „Task“ - dieses stille, fast zurückhaltende Lesen des Briefes - hat viele Zuschauer tief berührt. Andere Schauspieler hätten da vielleicht auf große Emotionen gesetzt. Warum war für Sie der leise Weg der richtige?

Mark Ruffalo: Ich war ehrlich gesagt ziemlich nervös vor dieser Szene. Sie trägt so viel Gewicht - und gleichzeitig ist es im Grunde nur ein Mann, der einen Brief liest. „Wie interessant kann das schon sein?“, dachte ich. Aber am Ende war es genau das: die Einfachheit. Ich habe gemerkt, dass weniger wirklich mehr ist. Je weniger performativ, je offener ich bleibe - desto mehr Raum hat das Publikum, etwas Eigenes darin zu spüren. Ich wollte nicht zeigen, wie man trauert oder liebt. Ich wollte einfach sein.

teleschau: Sie haben einmal gesagt: „Manche Schauspieler brauchen niemanden - ich bin nicht so.“ Was meinten Sie damit?

Ruffalo: Ich finde, das Magische passiert immer zwischen zwei Menschen. Diese echten, unvorhersehbaren Augenblicke - wenn man sich wirklich aufeinander einlässt. Da entsteht Wahrheit. Und das gilt nicht nur fürs Spielen. Auch im Leben brauche ich diesen Austausch, dieses Gefühl, dass etwas Echtes passiert. Das ist es, was mich erfüllt - als Schauspieler, aber auch als Mensch.

„Vielleicht bin ich eher ein Cheerleader als ein Chef“

In „Task“ spielt Mark Ruffalo (links) einen ehemaligen Priester und FBI-Agenten. (Bild: Home Box Office)

In „Task“ spielt Mark Ruffalo (links) einen ehemaligen Priester und FBI-Agenten. (Bild: Home Box Office)

teleschau: Sie waren nicht nur Schauspieler, sondern auch Produzent der Serie. Was bedeutet Verantwortung für Sie - am Set und im Leben?

Ruffalo: Für mich heißt produzieren vor allem: beschützen. Es geht darum, dass sich alle sicher fühlen, dass die Arbeit respektiert wird. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, ständig Kontrolle auszuüben, sondern die Menschen zu ermutigen. Wir hatten ein großartiges Team - wunderbare Regisseure, starke Produzenten, eine Crew, die bei 40 Grad im Lagerhaus stand. Da wollte ich einfach dafür sorgen, dass es ihnen gut geht.

teleschau: Sie klingen wie jemand, der lieber motiviert als dirigiert.

Ruffalo: Ja, vielleicht bin ich eher ein Cheerleader als ein Chef. Ich glaube, wenn man anderen den Raum gibt, sich sicher zu fühlen, dann entsteht automatisch etwas Großes. Das gilt am Set genauso wie zu Hause.

teleschau: Wenn man die Serie auf eine moralische Frage herunterbrechen würde - was wäre für Sie die wichtigste?

Ruffalo: Für mich geht es um den Glauben - aber nicht im religiösen Sinn. Sondern darum, was echter Glaube in einer Gesellschaft bedeutet. Und damit meine ich auch Empathie, Mitgefühl, Vergebung.

teleschau: Also ein Glaube aneinander - an die Menschlichkeit?

„Am Ende zählt nicht, was wir sagen, sondern wie sich jemand fühlt, wenn er nach einem Gespräch mit uns geht“, findet Mark Ruffalo. (Bild: Home Box Office)

„Am Ende zählt nicht, was wir sagen, sondern wie sich jemand fühlt, wenn er nach einem Gespräch mit uns geht“, findet Mark Ruffalo. (Bild: Home Box Office)

Ruffalo: Genau. Es geht nicht nur um Gott, sondern um das Vertrauen in uns als Menschen. Um den Glauben daran, dass wir einander brauchen - und dass wir füreinander da sein können, auch wenn alles andere versagt. Ich finde, das ist heute eine der wichtigsten Fragen überhaupt.

„Mark, es gibt keine Entschuldigungen, aber es gibt Gründe“

teleschau: Sie haben einmal gesagt, Vergebung sei eine Reise. Was bedeutet das für Sie persönlich?

Ruffalo: Ich habe einen engen Freund, der eine Zeit im Gefängnis verbracht hat. Er ist sehr pragmatisch, ein großartiger Schauspieler und seit 17 Jahren trocken. Er hat vieles gesehen, auch wirklich schwere Dinge. Und er sagte einmal zu mir: „Mark, es gibt keine Entschuldigungen, aber es gibt Gründe.“ Dieser Satz ist in meinem Kopf geblieben. Wenn man mit dem Gesetz in Berührung kommt, ist vieles schwarz oder weiß. Aber das Leben ist nicht so einfach. Es gibt Umstände, Herkunft, Traumata - Dinge, die man nicht auf den ersten Blick sieht. Ich glaube, echte Vergebung beginnt genau da: Wenn man versucht zu verstehen, statt zu urteilen.

teleschau: Wenn man sich so intensiv mit Themen wie Vergebung und Neuanfang beschäftigt - verändert das auch den Blick auf das eigene Leben?

Ruffalo: Absolut. Es geht für mich um Familie - und darum, wie wir leben, wie wir miteinander umgehen. Und vielleicht auch darum, wie Menschen eines Tages über uns denken, wenn wir nicht mehr da sind. Am Ende zählt nicht, was wir sagen, sondern wie sich jemand fühlt, wenn er nach einem Gespräch mit uns geht. Dieses Gefühl bleibt. Ich glaube, das ist das, was für mich wirklich Bedeutung hat: Wie habe ich andere behandelt? War ich fair, respektvoll, mitfühlend? Konnte ich verzeihen - und mich selbst entschuldigen, wenn ich zu weit gegangen bin? Habe ich anderen erlaubt, einfach menschlich zu sein - fehlerhaft, unperfekt, echt? Das ist, finde ich, die Reise, die am Ende wirklich zählt.

teleschau: Sie sind mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen aufgewachsen. Hat das Ihren Blick auf Menschlichkeit geprägt?

Ruffalo: Ich bin in einem Haus groß geworden, in dem Christentum, Katholizismus und der Bahai-Glaube aufeinandertrafen - und ehrlich gesagt, sie lebten nicht immer friedlich zusammen. (lacht) Aber ich habe von allen etwas gelernt. Über Mitgefühl. Über Vergebung. Über die Idee, dass es etwas Größeres gibt als uns selbst. Und über die Verantwortung, sich um die zu kümmern, die weniger Glück im Leben hatten. Egal, ob religiös oder nicht - das sind Werte, die uns als Menschen verbinden. Glaube ist immer ein Akt des Vertrauens. Vergebung auch. Sie bedeutet, an die Fähigkeit des Menschen zu glauben, über Schmerz, Verletzung und Rache hinauszuwachsen. Das ist schwer - aber genau da beginnt Heilung.

Mark Ruffalo war bei „Task“ auch Produzent. „Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, ständig Kontrolle auszuüben, sondern die Menschen zu ermutigen“, sagt er im Interview über seine Tätigkeit. (Bild: © Home Box Office, Inc. All rights reserved. )

Mark Ruffalo war bei „Task“ auch Produzent. „Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, ständig Kontrolle auszuüben, sondern die Menschen zu ermutigen“, sagt er im Interview über seine Tätigkeit. (Bild: © Home Box Office, Inc. All rights reserved. )

teleschau: Gibt es Momente im Leben, in denen Schmerz oder Verlust uns mehr lehren als alles andere?

Ruffalo: Der Dichter Rumi sagte einmal: „Das Licht tritt durch die Wunde in dich ein.“ Und das stimmt. Etwas am Leid macht uns demütig. Verlust, Trauer - sie bringen dich auf die Knie. Und wenn du dort bist, kannst du auf niemanden mehr herabsehen (lacht). Ich glaube, genau das öffnet das Herz. Es macht dich weicher, menschlicher. All diese Strukturen, an die man so fest glaubt - was richtig oder falsch ist, was man erreichen oder festhalten will - verlieren plötzlich an Bedeutung. In dieser Trauer steckt eine Chance, zu wachsen. Spirituell, als Mensch.

„Ich glaube, der schönste Moment ist erreicht, wenn am Set echter Respekt herrscht“

teleschau: Sie haben in Ihrer Karriere mit vielen ganz unterschiedlichen Teams gearbeitet - was ist Ihnen heute am wichtigsten, wenn es um Zusammenarbeit geht?

Ruffalo: Ich glaube, der schönste Moment ist erreicht, wenn am Set echter Respekt herrscht - unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Status. Wenn jeder sich sicher fühlt, frei zu sein. Das klingt vielleicht nach einer Kleinigkeit, aber in Wahrheit ist das die Basis für Kreativität. Dieses Gefühl von Sicherheit und Gleichgewicht - das ist etwas, das ich heute sehr weiblich empfinde. Selbst wenn Männer es leben oder einfordern, ist es doch eine Form von Sanftheit, von Zuhören, von Miteinander. Wir waren - und sind - Männer in einem umfassenderen Sinn: nicht laut, nicht dominant, sondern offen. Und das ist, finde ich, wahre Stärke.

teleschau: Nach so intensiven Dreharbeiten - fällt es Ihnen leicht, eine Figur wieder loszulassen?

Ruffalo: Ehrlich gesagt: Ja. Ich schreibe mir am letzten Drehtag immer eine kleine Notiz: „Morgen ist Schluss.“ Und dann lasse ich los. Natürlich - sieben Monate lang lebst du im Kopf, in den Schuhen und in den Gedanken eines anderen Menschen. Du sagst seine Sätze, trägst seine Kleidung, wohnst in seinem Haus. Meine Schauspiellehrerin Stella Adler sagte einmal: „Wenn etwas durch deine Vorstellungskraft geht, wird es zur Wahrheit, Darling.“ Und so ist es. Aber irgendwann musst du wieder zurück ins eigene Leben - und das fühlt sich jedes Mal wie ein kleines Aufwachen an.

„Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich das wirklich genießen kann“

teleschau: Am Ende der Serie sieht man Ihre Figur lächeln, während draußen die Vögel singen. Was steckt für Sie in diesem Moment - was bedeutet er?

Ruffalo: Es ist nicht das Ende - es ist die Erkenntnis, dass es weitergeht. Selbst nach Verlust, Schmerz und Chaos gibt es dieses kleine Stück Gnade, das uns weitermachen lässt. Wir schaffen es - irgendwie. Und die Natur hilft uns dabei. Ich liebe, dass wir mit Vogelgezwitscher enden. Die Vögel kommen jeden Tag, egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Ihr Gesang ist eine Erinnerung daran, dass das Leben weitergeht. Wenn wir das begreifen und im Moment bleiben, dann werden wir auch okay sein.

teleschau: Gibt es einen Moment beim Drehen, den Sie besonders lieben - den Prozess des Erarbeitens, das Spielen selbst oder die emotionalen Zwischentöne?

Ruffalo: Am liebsten bin ich einfach am Set - in diesem magischen Raum zwischen „Cut“ und „Action“. Da passiert etwas, das man kaum in Worte fassen kann: So viele Menschen, die gleichzeitig kreativ sind, alle geben ihr Bestes, alle wollen etwas Besonderes schaffen. Wenn das funktioniert, ist es wie Magie. Ich fühle mich heute unglaublich dankbar, dass ich das machen darf - nach all den Jahren, nach allem, was in der Welt passiert. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich das wirklich genießen kann. Ich weiß, wie man es gut macht, aber ich bin auch frei genug, es einfach geschehen zu lassen. Das ist das Schönste daran.

teleschau: Sie haben in Ihrer Karriere sowohl Superhelden als auch tief menschliche Figuren gespielt - was macht Ihnen mehr Spaß?

Ruffalo: Beides. Jede Rolle hat ihre eigenen Herausforderungen - und ihren eigenen Reiz. Ich liebe das Schauspiel, ich liebe das Filmemachen. Natürlich gibt es Tage, an denen alles schwerfällt oder ich einfach schlecht drauf bin. Aber trotzdem: Es ist das Beste, was ich mir vorstellen kann. Und es ist das Einzige auf der Welt, das ich wirklich kann - mein Ding eben. (tsch)