Schon in der ehemaligen DDR hatte Jürgen Heinrich erste Erfolge. Nach der Wende erreichte er den Höhepunkt seiner Karriere. Nun feiert der „Wolffs Revier“-Star seinen 80. Geburtstag. Ein Porträt.
Jürgen Heinrich wird 80Was wurde aus dem „Wolffs Revier“-Darsteller?

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40 Filme drehte Jürgen Heinrich bis 1982 in der DDR. Nach der Wende wurde er vor allem mit der Rolle des Hauptkommissars Wolff in der vielfach preisgekrönten Serie „Wolffs Revier“ zum Begriff. (Bild: IMAGO / Zoonar)
„Es war der größte Umzug meines Lebens, aber auch der kürzeste“, so erinnerte sich der Schauspieler Jürgen Heinrich einmal an das Jahr 1985, in dem er Ostberlin verließ, um mit Kind und Kegel in den Westen überzusiedeln. Vom Prenzlauer Berg nach Lankwitz/Steglitz. Ein kurzer, aber beschwerlicher Weg, zu Zeiten der Mauer. 40 Filme hatte er in zwölf Jahren zuvor im Osten gedreht, 1980 hatten ihn die Leser einer Jugendzeitschrift gar zum „beliebtesten Schauspieler der DDR“ gewählt.
Auch in der neuen Welt führten ihn seine Filme immer wieder thematisch in jene Zeit zurück. 2007 zum Beispiel, da spielte Heinrich im ZDF-Drama „An die Grenze“ einen Durchhalte-Offizier der Nationalen Volksarmee. Vor unsympathischen Charakteren schreckte er überhaupt nie zurück. In der „SOKO Leipzig“-Folge „Unerwarteter Nahschuss“ spielte er einen der amtshöchsten Richter der DDR, der „Staatsfeinde“ zum Tod verurteilte und der selbst zu Wendezeiten noch immer glaubte „im Recht“ zu sein und am langen Hebel zu sitzen.
In den Mühlen des Systems

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In „Wolffs Revier“ spielte Jürgen Heinrich (links) seine Paraderolle. Hier ist er mit Rolf Zacher in der 1993 ausgestrahlten Episode „Toter Zeuge, guter Zeuge“ zu sehen. (Bild: IMAGO / United Archives)
Einsicht in die Fragwürdigkeit eines politischen System, das hat Jürgen Heinrich seinem Seriencharakter voraus. Der 1945 in Mecklenburg geborene Schauspieler bekannte offen, zunächst ein hoffnungsvoller Parteigänger des Arbeiter- und Bauernstaates gewesen zu sein. Doch bereits während des Studiums an der Theaterhochschule in Leipzig kam es Mitte der 60er-Jahre zu ersten Konflikten: Heinrich musste die Hochschule zwischenzeitlich verlassen und leistete seinen Militärdienst an der innerdeutschen Grenze.
Mit dem Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in Prag, dann mit dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan war Heinrich schon nicht einverstanden. Als er dann gar in der sowjetisch gelenkten Mongolei nahe der Hauptstadt Ulan-Bator zu Dreharbeiten für einen DDR-Indianerfilm weilte (“Der Scout“) und miterleben musste, wie in der dortigen Chinatown am Rande der Hauptstadt die chinesische Minderheit verfolgt, diskriminiert und in Lagern evakuiert wurde, war es mit seiner Begeisterung für den real existierenden Sozialismus zu Ende.

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Am 20. August feiert der nach wie vor produktive Schauspieler Jürgen Heinrich seinen 80. Geburtstag. (Bild: IMAGO / Michael Handelmann)
Einem offen geäußerten Protest folgte das faktische Berufsverbot: „Von einem Tag zum anderen hatte ich keine Chance mehr, egal, ob nun am Deutschen Theater, im 'Palast der Republik' oder beim Film“, sagte er einmal.
Geschickter Herrenhosen-Schneider
Die Zeit bis zur 1985 bewilligten Ausreise überbrückte Heinrich als Taxifahrer und - vor allem - als begehrter Schneider von Herrenhosen. Dieses Handwerk beherrschte Heinrich perfekt. „Ich nähte acht Stück am Tag“, erinnerte er sich, „verkaufte sie für 120 DDR-Mark pro Stück“. Das ging oft drei Wochen lang - ohne Pause. „Manchmal habe ich gedacht, ich muss die Maschine zerstören“, sagt Heinrich, „aber ich wollte möglichst viel produzieren, solange es die gute Nachfrage gab.“ Außerdem dachte er damals ja auch: „Die lassen dich hier niemals raus.“ Schließlich hatte er ja „auf Kosten des Volkes studiert. Wenn so einer öffentlich protestierte, galt er als Verräter.“

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Seine größten Erfolge feierte Jürgen Heinrich, dessen Karriere in der DDR begonnen hatte, nach der Wiedervereinigung Deutschlands. (Bild: 2011 Getty Images/Christian Augustin)
Damals, bei der Ausreise hatte ein Freund noch ein paar Wochen lang drüben die Miete bezahlt, bis eine neue Wohnung gefunden war. Die Kinder waren sieben und zehn Jahre alt, nun verloren sie ihre Freunde. Die Tochter, längst Schauspielerin wie der Papa, verstand damals schon, was geschah. Schon als kleines Kind hatte sie mit dem Vater auf der Bühne gestanden. Für ihren jüngeren Bruder, auch er heute Schauspieler, war's aber unbegreiflich.
Die Jobsuche im Westen gestaltete sich anfangs nicht leicht. Trotz großer Filme und beliebter Serien im Osten, war Heinrich im Westen nahezu unbekannt. Doch bald kamen die ersten Serienrollen, aus denen sein Auftritt im Berliner „Tatort“ mit Heinz Drache hervorstach. „Nichts Besonderes“ sei die Folge gewesen, schrieb damals eine Berliner Zeitung, „aber einer fiel auf“. Das war Jürgen Heinrich - der Durchbruch war geschafft.
Einfühlsamer Wolff
Mit der Rolle des Berliner Hauptkommissars Wolff in der Sat.1-Serie „Wolffs Revier“ wurde Heinrich - ab 1992 - schließlich auch im Westen berühmt. Als einfühlsamen, engagierten, mitunter auch übereifrigen Kommissar, so charakterisierte der Schauspieler seine mit dem Grimme-Preis gekürte Rolle des sympathischen Berliner Schnüfflers. Die Rolle war der Höhepunkt seiner Karriere.
Dass „Wolffs Revier“, einst das Renommierstück des Senders, dann 2006 unter die Räder kam, verstand Heinrich lange nicht. Doch der Kapitalismus-Kenner wusste: „Wir haben unser Geld ja nie wirklich verdient.“ Auf elfeinhalb Prozent sei man damals bei den „werberelevanten“ Zuschauern von 14 bis 49 Jahren schließlich gesunken. Dennoch: „Ich habe niemals gedacht, dass dieser Sender solch ein Produkt wegschmeißen würde“, fügte Heinrich hinzu.
Längst zog es ihn zu neuen Ufern. Neben hochkalibrigen Charakterrollen, bei denen er nicht selten auch den Unsympathen gibt, wusste er auch wertneutrale Unterhaltung zu schätzen. Charlotte Links ZDF-Bestsellerverfilmung „Das Echo der Schuld“ ist dafür ein gutes Beispiel. Auch verließ er schon mal das vertraute Terrain, etwa wenn er als Reisejournalist für Sender n-tv Reisefilme wie „Das ist mein Singapur“ oder „Das ist mein Victoria“ drehte.
Heinrich ist ein kreativer Tausendsassa - und ein nimmermüder dazu. Eifrig steht er weiter und regelmäßig vor der Kamera. Vor allem für TV-Produktionen wie „Inga Lindström“, „Morden im Norden“ oder „Kommissar Dupin“. Zuletzt sah man ihn mit Sebastian Ströbel und Franziska Wulf in Peter Sehrs Fernsehfilm „Das Beste zum Schluss“. Ein bezeichnender Titel? Ganz und gar nicht, wie es scheint. Ans Ende ist die Karriere Jürgen Heinrichs, der am 20. August seinen 80. Geburtstag feiert, noch lange nicht angelangt. (tsch)