Schauspieler Jeremias Meyer spricht im Interview über seine Rolle in der großartigen Comedy-Serie „Tschappel“, das Landleben, seine ersten Schwäbisch-Versuche, und er verrät, warum er manchmal selbst ein Tschappel ist.
Jeremias Meyer im Interview„Ein bisschen 'Tschappel' steckt in uns allen“

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Im Interview spricht Schauspieler Jeremias Meyer über seine Erfahrungen am Set der neuen ZDFneo-Serie „Tschappel“, seine Pläne nach dem Abitur und darüber, wie es ist, einen Dialekt zu lernen. (Bild: Pascal Bünning)
Der Mann ist die Ruhe selbst - so erlebt man Jeremias Meyer im Interview. Der 25-jährige Schauspieler, bekannt aus Serien wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder „Der Greif“, plaudert über seine neue Rolle in der famosen ZDFneo-Comedyserie „Tschappel“ (ab Freitag, 23. Mai, in der ZDFmediathek, ab Dienstag, 3. Juni, 21.45 Uhr, wöchentlich in Doppelfolgen bei ZDFneo). Er spielt Carlo, der nach dem Abi eigentlich nach Australien wollte und dann doch im Gasthof seiner Eltern in Oberschwaben landet. Für die Rolle hat der Münchner extra Schwäbisch gelernt, wie er im Interview verrät.
teleschau: Die neue ZDFneo Serie trägt den Namen „Tschappel“. Was kann man sich eigentlich unter einem „Tschappel“ vorstellen?
Jeremias Meyer: Es ist nicht ganz klar, wer das Wort erfunden hat - eine offizielle Definition gibt es nicht. Aber der Begriff ist liebevoll gemeint. Ein „Tschappel“ ist jemand, der sich viel vornimmt, es aber oft nicht so richtig hinbekommt. Adjektive wie naiv oder tollpatschig treffen es ganz gut. Es geht um jemanden, den man gernhat, weil er es gut meint, auch wenn er dabei voll scheitert.

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Für sie kommt es anders, als geplant: Carlo (Jeremias Meyer, links), Aydin (David Ali Rashed, Mitte) und BlaBla (Sebastian Jakob Doppelbauer) verbringen ihren Sommer in der schwäbischen Provinz. Doch langweilig wird es ganz sicher nicht. (Bild: ZDF/ Conrad Lobst)
teleschau: Wie viel „Tschappel“ steckt in Ihnen?
Jeremias Meyer: Ich denke, ein bisschen „Tschappel“ steckt in uns allen. Ein gutes Anzeichen dafür, wie viel „Tschappel“ in einem steckt, ist, wenn der Freundeskreis es bemerkt. Denn der „Tschappel“ an sich merkt es eher weniger (lacht). Es gibt Momente, in denen ich mir Dinge vornehme, bei denen von vornherein klar ist, dass sie unmöglich sind: Neulich wollte ich bei einem Schreibwettbewerb mitmachen. Die Deadline war in einer Woche, und man sollte 100 Seiten einreichen. Für einen Tag dachte ich: Das mache ich. Das war ziemlich „tschappelig“.
„Ich wollte Kunst studieren und Maler werden“
teleschau: Gedreht wurde im 1.000-Seelen-Örtchen Zußdorf im Landkreis Ravensburg, der Heimat der Produzenten Marius und Paul Beck. Wie war die Stimmung vor Ort?
Jeremias Meyer: Mega schön. Bevor wir mit den Dreharbeiten begonnen haben, war ich mit Marius Beck dort. Wir sind ein wenig durch das Dorf gelaufen und haben uns die wichtigsten Institutionen angesehen: den Supermarkt, die Dorfwirtschaft und ein paar Freunde von Marius. Es ist sehr idyllisch dort. Im Dorf gab es die Vorstellung, dass die beiden mit einer Kamera und einem kleinen Vier-Personen-Team anreisen würden, um eine Serie zu drehen. Dann tauchte plötzlich das große ZDF-Team auf - das war schon spannend, als die Laster und der ganze Tross eintrafen. Wir waren in einer Halle neben dem Wirtshaus untergebracht, die wir für zweieinhalb Monate geblockt hatten. Das Ganze war sehr aufregend für viele im Dorf. Da war ordentlich was los.

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Carlo Brenner (Jeremias Meyer), der Tschappel, muss aufgrund des „Wildunfalls“ seine Schulden in der Küche seiner Eltern abarbeiten. Anstatt nach Australien zu reisen, ist er nun gezwungen, in der Gastwirtschaft mitzuhelfen. (Bild: ZDF/ Conrad Lobst)
teleschau: In der Serie geht es für Carlo statt nach Australien nur in den elterlichen Gasthof. Welche Träume hatten Sie nach dem Abitur?
Jeremias Meyer: Boah... Ich war nach dem Abi wahrscheinlich ähnlich ahnungslos wie Carlo. Im Nachhinein hätte ich mir wahrscheinlich etwas mehr Plan gewünscht. Ich wollte Kunst studieren und Maler werden.
„Da bin ich dann hängengeblieben“
teleschau: Wie kam es dazu, dass Sie Schauspieler geworden sind?
Jeremias Meyer: Meinen ersten Dreh hatte ich ja schon mit neun Jahren. Dann habe ich parallel zur Schule immer wieder ein, zwei Projekte im Jahr gemacht. Ich wollte aber eigentlich nie Schauspieler werden. Nach dem Abi kam dann die Frage auf: Okay, was wirst du jetzt? Womit machst du jetzt weiter? Was hast du die letzten Jahre sonst so gerne gemacht? Dann kam das mit der Schauspielerei noch mal auf. Außerdem habe ich während meiner Abizeit bei der Amazon-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ mitgespielt.

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Eigentlich hatte Carlo Brenner (Jeremias Meyer) geplant, nach dem Abi gemeinsam mit seinem Schwarm Pia Schneider (Mina-Giselle Rüffer) nach Australien zu reisen. Doch nun verbringt er den Sommer im Schwabenland. Hat er trotzdem eine Chance, Pia näherzukommen? (Bild: ZDF/ Conrad Lobst)
teleschau: Was schon eine große Nummer war ...
Meyer: Und ob das groß war! Ich dachte mir: Okay, dann schau ich mal, wie es weitergeht, und probiere es einfach mal aus. Da bin ich dann hängengeblieben.
teleschau: Ihr erster Auftritt vor der Kamera war als Kind in „Der Bergdoktor“. Haben Sie rückblickend das Gefühl, durch die frühe Schauspielkarriere etwas verpasst zu haben?
Jeremias Meyer: Ne, eigentlich nicht. Eigentlich würde ich genau das Gegenteil behaupten. Es war toll. Ich hatte dann immer eine Woche schulfrei und durfte irgendwohin fahren, um zu drehen. Das war natürlich sehr abenteuerlich. Mal abgesehen von irgendwelchen Inhalten, die interessant waren - aber auch in einem Hotel zu übernachten, war halt immer mega aufregend. Bis auf meine Abi-Feier, die ich verpasst habe aufgrund des Drehs von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, war ich immer sehr dankbar für die vielen Reisen. Ich mach das einfach gern.
„Ich habe bestimmt mehr erleben dürfen als andere Kinder“

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Carlo Brenner (Jeremias Meyer, rechts) fährt seine leicht angetrunkenen Freunde im geliebten Oldtimer seines Vaters nach Hause. Neben ihm sitzt Pia Schneider (Mina-Giselle Rüffer), auf der Rückbank Aydin Alkan (David Ali Rashed, Mitte), Carlos Tante Gabi (Nina Gnädig) und Niklas „BlaBla“ Härle (Sebastian Jakob Doppelbauer). Hätte Carlo geahnt, welche Folgen das haben würde ... (Bild: ZDF/ Conrad Lobst)
teleschau: Sie kommen aus München und sind ein Stadtkind. Glauben Sie, Sie wären auch Schauspieler geworden, wenn Sie auf dem Land aufgewachsen wären?
Jeremias Meyer: Gute Frage. Ich habe tatsächlich für Leute, die aus kleinen Dörfern kommen und das durchziehen mit der Schauspielerei ziemlichen Respekt. Ich denke schon, dass es einen großen Unterschied macht, ob man in der Nähe von Kinos wohnt und auch von Theatern und Museen umgeben ist und ob man vorgelebt bekommt, dass es so etwas gibt. Ich habe bestimmt mehr erleben dürfen als andere Kinder.
teleschau: Wo sehen Sie sich in den nächsten zehn Jahren: eher auf dem Land oder auf dem Dorf?
Jeremias Meyer: Gerade so in den nächsten zehn Jahren möchte ich irgendwie in der Stadt bleiben. Aber Reisen gehört eben zum Beruf. Das bedeutet auch, dass man nicht an einem festen Ort lebt und einen durchgehenden Alltag hat. Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Ich glaube, was ich voll toll finde, wie für den Dreh für „Tschappel“ mal zweieinhalb Monate aufs Land zu dürfen und das dann auch zu genießen. Trotzdem bin ich schon froh, dass ich ab und zu in die Stadt kommen kann.
„Es war langweilige Arbeit“

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Carlo (Jeremias Meyer) hat es alles andere als einfach mit seinen Eltern Sabine (Bärbel Stolz) und Rainer (Bernd Gnann). Jetzt muss er den ganzen Sommer in ihrer Gastwirtschaft schuften, um seine Schulden zu begleichen. (Bild: ZDF/ Conrad Lobst)
teleschau: Für die Serie haben Sie sich den schwäbischen Dialekt angeeignet. Wie hart war das?
Jeremias Meyer: Es fing an mit dem ersten Casting. Ich sollte ein Video aufnehmen, in dem ich mich auf Schwäbisch vorstelle, weil ich online angegeben hatte, dass ich Schwäbisch spreche. Aber das war leicht übertrieben. Dann habe ich spontan eine Vorstellung auf Schwäbisch auswendig gelernt und sehr oft wiederholt. Das muss gereicht haben, um gerade so durchzukommen. Letzten Endes hat Marius, der Produzent, mir die Drehbücher eingesprochen - anfangs die ganzen Drehbücher. Das waren dann acht dreißigminütige Hörbücher, die ich sehr oft gehört habe.
teleschau: Würden Sie inzwischen als Schwabe durchgehen, was den Dialekt angeht?
Jeremias Meyer: Na ja. Es gibt ja auch keine richtigen Regeln, deshalb war für mich klar: In jeder Situation perfekt Schwäbisch zu sprechen, das kriege ich nicht hin. Aber ich kann die Texte so lernen, dass es sich authentisch anhört. Das habe ich dann so gepaukt. Es war langweilige Arbeit. Ich wusste, dass man auch daran scheitern kann. Man kann sehr viel falsch machen und sehr vielen Leuten auf die Füße treten. Ganz am Anfang dachte ich: Ach, ein bisschen Spätzle essen, damit man sich da so „reinviben“ kann, wird ausreichen. Aber das war nicht so. Der Tonmann war auch Schwabe. Der hatte mich immer sehr direkt auf dem Ohr. Ich weiß noch, dass er in einer Szene, die etwas emotionaler war, sehr oft zu mir kam und meinte: „Es heißt nicht muschtest, sondern mussteschst“ - also das SCH woanders. Die Stelle habe ich tatsächlich nachsynchronisiert.
„Ich wünsche mir einfach ganz viele weitere Rollen in unterschiedlichen Genres“
teleschau: Wie wird es mit Ihrer Karriere weitergehen?
Jeremias Meyer: Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn „Tschappel“ eine zweite Staffel bekommt. Da hätte ich große Lust drauf. Ansonsten kommt diesen Sommer ein Kinofilm raus - das genaue Datum steht aber noch nicht fest. Ende des Jahres gibt es noch den „Tatort: Ordnung ist das halbe Leben“ aus Ludwigshafen. Gerade bin ich in den Dreharbeiten für einen weiteren Kinofilm, der zusammen mit der ZDF-Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ gemacht wird.
teleschau: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Jeremias Meyer: Weiterhin in Projekten mitmachen zu können, die sich voneinander unterscheiden und in denen die Rollen etwas Besonderes mitbringen. Am Ende ist es immer eine Aufgabe oder eine Herausforderung, zum Beispiel, einen Dialekt zu lernen, aber es ist auch ein Geschenk, weil man sich mit etwas beschäftigt, das man vorher noch nicht kannte. Und dann ist das sehr intensiv für ein paar Monate. Ich mag dieses projekthafte Arbeiten total. Ich wünsche mir einfach ganz viele weitere Rollen in unterschiedlichen Genres. Da habe ich richtig Lust drauf. (tsch)