„Die Situation ist besorgniserregend“Jenke präsentiert „Experiment Psyche“: Das sagt er den Kritikern

Autor Jenke von Wilmsdorff in „JENKE. Experiment Psyche: Wie depressiv ist Deutschland?“ auf ProSieben.

Autor Jenke von Wilmsdorff in „JENKE. Experiment Psyche: Wie depressiv ist Deutschland?“ auf ProSieben.

Für die Sendung „Experiment Psyche. Wie krank ist Deutschland?“ hat sich Jenke von Wilmsdorff in Isolation versetzen lassen. Begleitet wurde das Experiment auf ProSieben von Psychologe Leon Windscheid.

von Marcel Schwamborn (msw)

Die vergangenen zwei Jahre waren für alle nicht leicht. Pandemie, Lockdown, Einsamkeit, Angst, nun auch noch ein Krieg. Da geraten viele schnell aus der psychischen Balance. Journalist Jenke von Wilmsdorff (56) hat sich um das Thema gekümmert. Sein Urteil: „Die Situation ist besorgniserregend.“

„Experiment Psyche. Wie krank ist Deutschland?“ lautet der Sendungstitel am Montag (2. Mai 2022, 20.15 Uhr) auf ProSieben. Der gebürtige Bonner hat in seiner Karriere schon über 20 Experimente gewagt. „Das hier ist das privateste, was ich bisher gemacht habe“, sagte er im Gespräch mit EXPRESS.de. „Es geht nicht darum, mit dem Krankheitsbild Depressionen zu spielen. Ich möchte eine Brücke schlagen, um ins Umfeld psychisch erkrankter Menschen zu kommen, damit ihnen geholfen wird.“ Jenke ändert also seine Psyche...

Für das Experiment wurde von Wilmsdorff in Isolation versetzt. Er zog in ein Appartement, konnte dort nur ausgewählte und ausschließlich negative Nachrichten empfangen. Sechs Kameras waren in der Wohnung verteilt, in der Küche standen nur Fast-Food und Alkohol bereit. „Nach drei Tagen wurde ich in einen Strudel hineingezogen“, erkannte der Autor. „Ich habe angefangen, mit einem Massagestab zu sprechen, hab stundenlang gegrübelt und schlecht geschlafen. Mir hat nicht einmal der Alkohol geschmeckt.“

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ProSieben: Dr. Leon Windscheid begleitete Jenke-Experiment

Begleitet wurde das Experiment von Dr. Leon Windscheid (33). Der gewann 2015 als elfter Kandidat bei „Wer wird Millionär?“ den Hauptgewinn von einer Million Euro. Mit dem Gewinn kaufte er sich ein Schiff, die MS Günther ist heute eine Event- und Kulturlocation. Der Psychologe stand der Redaktion beim Experiment zur Seite und arbeitete das Erlebte mit Jenke intensiv auf.

„Depressionen haben nicht den einen Grund“, sagt der Experte. „Ein permanentes Gedanken-Karussell im Kopf kann dazu führen. Ich benutze gerne das Bild eines zugefrorenen Sees. Menschen, die eh schon einen schweren Rucksack mit sich tragen, denen wurde durch die Einsamkeit während Corona weiteres Gewicht aufgeladen. Irgendwann krachen sie dann ein. In der Pandemie sind die Depressions-Symptome drastisch hochgegangen.“

Viele Fragen drängen sich auf: Lassen sich die Veränderungen im Körper sogar in den Blutwerten ablesen? Welche Auswirkung hat unsere Ernährung auf die Psyche? Wie wichtig ist das soziale Miteinander? Wie erkennt man die Warnzeichen der Seele und wie zieht man die Reißleine?

Jenke von Wilmsdorff: „Verstehe die Kritik an diesem Experiment“

Die besondere Herausforderung der inszenierten Einsamkeit im ProSieben-Experiment war, dass Jenke nicht wusste, wann sie wieder endet. „Das nagt an der Psyche. Beide Seiten hätten das Experiment auch abbrechen können. Ich verstehe die Kritik von Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, an unserem Tun. Ich wollte jedoch sehen und mit dieser Sendung zeigen: Welche Faktoren gibt es, dass auch ich, als relativ stabiler Mensch, depressiv werde.“

Durch die Isolation kamen beim Journalisten plötzlich auch Erinnerungen an seine Kindheit wieder hoch. „Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich drei Jahre alt war. Plötzlich war mein Vater weg und hat sich nicht mehr gemeldet. Ich kam sogar ins Krankenhaus, musste künstlich ernährt werden, weil ich nicht mehr essen wollte.“

Jenke von Wilmsdorff spricht über seine Kindheit und Depressionen

Auch später erlebte von Wilmsdorff kritische Momente. „Ich hatte depressive Phasen in meinem Leben. Manchmal fehlte die Energie, in mir war nur Traurigkeit. Da bin ich regelmäßig zu einer Psychotherapeutin gegangen“, sagte er zu EXPRESS.de. „In der Öffentlichkeit heißt es oft: Wir müssen durchhalten, dürfen keine Weicheier sein. Doch vieles ist Fassade. Wenn ich leide, habe ich Hilfe verdient. Es geht darum, dass wir auch im Freundeskreis nicht wegschauen, wenn jemand Warnsignale aussendet.“

Diesen Appell unterstreicht auch Psychologe Windscheid. „Wenn sich jemand den Arm bricht, legt man auch kein Kühl-Akku darauf und sagt: ‚Das wird schon wieder‘. Dann muss ein Profi ran. Leider haben wir in Deutschland monatelange Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Aber das Warten zahlt sich aus. Eine Behandlung wirkt, die Aussicht auf Erfolg ist enorm hoch.“

Nach Abbruch des Experiments war Jenke von Wilmsdorff erleichtert, seine Liebsten wieder um sich zu haben. „Ich habe mir erst einmal beim Asiaten eine Gemüsepfanne gegönnt.“ Danach genoss er es vor allem wieder, mit anderen Menschen zu reden.