„Ich hab’ mich geschämt“Isabel Varell: Kölner TV-Star bereut „Playboy“-Shooting

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Kann der Corona-Krise auch was Positives abgewinnen: Isabel Varell, hier bei einer TV-Spendengala am 4. Dezember 2019, schreibt gerade an ihrem nächsten Buch.

Köln – Die quirlige Frau für alle Fälle: Isabel Varell (58) talkt, moderiert, schauspielert – und macht jetzt wieder als Liedermacherin und Sängerin auf sich aufmerksam. „Eine Tasse Tee“ heißt ihr Album, mit dem das Multitalent gerade in den Charts gelandet ist, „Wiedersehen“ ist der Song darauf, der ihr besonders am Herzen liegt. Und das aus gutem Grund, wie die Wahl-Kölnerin im langen Interview mit uns erzählt...

Ihr neues Album ist da – welcher Song bedeutet Ihnen am meisten? Isabel Varell: Das Lied „Auf Wiedersehen“, das ich mit einem Prolog versehen habe, weil ich es allen Flüchtlingen widme, die Heimatland und Familien verlassen müssen – ganz bewusst auch denen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern. Mein Herz ist weit offen für alle, die dieses enorme, unfassbare Schicksal auf sich nehmen, um ein besseres Leben zu führen. Ihr Leiden bewegt mich so sehr, dass ich mit den Tränen kämpfe, wenn ich es singe.

Kommt bei deutschen Sängern nicht oft vor, dass sie ihre Meinung so klar formulieren. Keine Angst vorm Shitstorm, den Sie damit auslösen können? Wir leben in einer Zeit, in der wir eine Meinung haben und sie vertreten müssen. Deswegen ist es mir vollkommen egal, ob ich in einen Shitstorm gerate.

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Klingt selbstbewusst… Dieses Selbstbewusstsein habe ich vom Leben gelernt. Das war bei mir zuerst auch anders. Ich wurde von Kriegskindern erzogen, denen vor allem wichtig war, was andere über sie denken und sagen! Schrecklich! Wir müssen eine eigene Meinung haben. Wenn nicht jetzt, wann dann? Es gibt so viel Wichtiges in der heutigen Welt, zu dem man nicht schweigen darf.

Sie haben viele Berufe: Schauspielerin, Sängerin, Moderatorin, Autorin. Gab’s mal das Gefühl, dass Sie sich mit allem auf einmal selbst im Weg stehen? Ich bin aufgefordert worden: „Entscheide dich! So etwas geht in Deutschland nicht!“ Ich habe nie drauf gehört – zum Glück. Ich habe immer Angebote für alles bekommen, habe nie nein gesagt. Ich wollte meinen Terminkalender voll kriegen, musste ja Geld verdienen. So habe ich im Gegensatz zu vielen, die nur einen großen Hit hatten, kontinuierlich was zu tun gehabt.

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Interview mit Abstand: Isabel Varell und Reporter Horst Stellmacher.

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie ins Showgeschäft gehören? Mit 13, als Folge eines Nachwuchswettbewerbs an der Ostsee. Ich hatte vorher grauenhaftes Lampenfieber, aber danach war’s vergessen. Dieser Zuspruch, dieser Applaus! Ich hatte zum ersten Mal wirkliche Anerkennung gespürt und mit dem Singen ein Talent entdeckt, das mir keiner zugetraut hatte.

Fühlten Sie sich da als Sängerin? Dafür gibt es keinen festen Zeitpunkt. Ich bin nicht über Nacht dazu geworden, sondern hatte schon während der Schulzeit gemerkt, dass das Singen richtig für mich ist. Deswegen war Schule nie wichtig. Ich war ein hochschwieriges Kind und habe die Schulzeit nur abgesessen.

Keine Bilderbuch-Kindheit… Nein. Ich hatte eine Mutter, die nicht nur zu streng, sondern auch gewalttätig war. Wo soll da Selbstbewusstsein herkommen? Dazu die Scheidung meiner Eltern, die Spuren bei mir hinterlassen hat. Ich habe als Jugendliche zu Hause keine Gespräche gehabt. Dabei ist das wichtig in einem Alter, in dem jeder eine unbändige Kraft in sich hat, die irgendwo hin will. Wenn man zu Hause nichts darf, ständig weggesperrt wird, geht die Kraft woanders hin. Ich habe mich in der Schule ausgetobt. Für mich war alles gut, was verboten war.

Inzwischen freigeschwommen von der Zeit? Oder immer noch im Hinterkopf? Natürlich sollte man versuchen, in Frieden mit sich und seiner Vergangenheit zu leben, aber man muss auch nicht alles verzeihen. Hin und wieder taucht alles wieder auf. Ich habe an mir gearbeitet, mir für einige Dinge professionelle Hilfe geholt.

Zwei Wochen im Monat moderieren Sie im ARD-Vormittagsprogramm täglich das erfolgreiche „Live nach 9“ und müssen dafür in Allerherrgottsfrühe aufstehen. Wie sehr nervt’s? Meine beiden Wecker klingeln um 4.48 Uhr – doch dafür stehe ich total gern auf. „Live nach 9“ ist ein wertvoller Spielplatz in meinem Leben geworden, weil ich mit sehr netten Menschen arbeiten kann. Außerdem ist die Sendung ein Beispiel dafür, dass es mein Glück ist, mich nicht für einen einzigen Beruf entschieden zu haben. In der Corona-Zeit ist es mein einziger Job – eine Theatertournee ist geplatzt, andere gebuchte Veranstaltungen und Vorträge sind abgesagt.

40 Jahre dabei – gibt es was, das Sie bereuen? Ja, ich hab’ mich lange sehr geschämt, dass ich mich als junge Frau zu Playboy-Fotos habe überreden lassen. Ich wollte als Sängerin wahrgenommen werden, landete stattdessen oben ohne in den Zeitungen. Das hat mir im Nachhinein weh getan. Ansonsten hatte alles seinen Sinn.

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Sie waren schon in einer Zeit im Showgeschäft unterwegs, von der man sagt, Frauen hätten da zu leiden gehabt – war das so? Aber ja. Ich habe von vielen Situationen gehört, war selbst in einigen, in denen männliche Entscheider merken ließen, dass man als Frau weniger wert war. So gab es viele berühmte Liedermacher, die tiefe, berührende Texte schrieben, sich aber außerhalb des Scheinwerferlichtes ganz anders verhielten, Frauen schlecht behandelten.

Was ist Ihnen passiert? Ich bin von einem TV-Produzenten sexuell belästigt und unsittlich berührt worden, da waren andere dabei, die das mitkriegten, hat ihn nicht gestört.

Wie haben Sie reagiert? Ich habe einen Anwalt eingeschaltet und erreicht, dass er 5000 Euro an ein Frauenhaus zahlen musste.

Sind Sie damit an die Öffentlichkeit getreten? Nein. Ich hatte Sorge, nicht ohne Schaden aus der Sache rauszukommen. Zum Glück gibt es diese mutigen Frauen, die die MeToo-Welle ausgelöst haben. Dadurch hat sich vieles geändert. Der Mann produziert immer noch, ich habe ihn glücklicherweise nie mehr getroffen.

Vor vier Jahren hatten Sie mit Ihrer Autobiografie „Mittlere Reife“ großen Erfolg, das Buch landete auf der Spiegel-Bestsellerliste... Ich schreibe jetzt wieder. Das ist ja der Vorteil der Corona-Zeit, dass dafür Zeit ist. Das Buch wird wieder autobiografisch.

Das ist Isabel Varell

Isabel Varell (geboren am 31. Juli 1961 als Isabel Wehmann in Kempen) wurde nach der Mittleren Reife vom Luisen-Gymnasium Düsseldorf verwiesen.

1981 kam ihre erste Single „Ich kämpf’ um dich“ auf den Markt. 1984 gab es die „Goldene Europa“ für „Verträumt“. 2009 in der ARD-Soap „Rote Rosen“ zu sehen und von 2010 bis 2011 in der ZDF-Serie „Lena – Liebe meines Herzens“.

Seit Mai 2018 ist sie Moderatorin des ARD-Service-Magazins „Live nach neun“. Verheiratet ist sie seit 2015 mit TV-Produzenten Pit Weyrich (71). Die beiden leben in der Kölner Südstadt.