Zum ersten Mal hat sich Charles III. als neuer König an die Nation gewandt. In einer emotionalen Rede dankte er seiner Mutter für die Liebe und Hingabe – und begeisterte mit seinen Worten viele Britinnen und Briten. Doch ein Historiker bewertet die Rede des neuen Königs völlig anders.
Historiker über die erste Rede des Königs„Charles macht mir Angst – das hätte seine Mutter nie getan“
Die erste Rede von Charles III. hat nicht nur in Großbritannien, sondern auch in großen Teilen der Welt viel Begeisterung ausgelöst. Für seine emotionalen Worte zum Tod von Queen Elizabeth II. gab es viel Lob.
Er ließ ein Stück weit in sein Seelenleben blicken, erklärte, wie „tiefe Trauer“ er wegen des Todes seiner Mutter verspüre. Und versprach dem Volk, ebenso wie sie ein ganzes Leben lang, „möge es kurz oder lang sein“, zu dienen.
Er richtete sich während seiner Rede gar direkt an seine Mutter, die neben ihm auf einem Bild zu sehen war: „Liebste Mama, während du deine letzte große Reise zu meinem lieben verstorbenen Papa beginnst, will ich nur eines sagen: Danke.“
Queen als Kitt in den Krisen-Jahren Großbritanniens
Die Queen galt gewissermaßen als der Kitt, der das Vereinigte Königreich sieben Jahrzehnte lang zusammenhielt – vor allen Dingen in den jüngsten Krisen-Jahren. Brexit, Pandemie, Ukraine-Krieg, Energie-Krise – auf den neuen König warten jede Menge Herausforderungen. Herausforderungen, denen Charles mit einer Modernisierung des Königshauses begegnen muss, findet der britische Historiker und Politologe der University of Buckingham, Anthony Glees.
Nicht bei jeder Britin oder jede Briten kam die Rede des neuen Königs gut an. „Wissen Sie, ich persönlich habe Probleme mit seiner Rede“, sagt der britische Historiker Glees gegenüber „NTV“. „Das war eine Rede, die seine Mutter niemals gehalten hätte.“
Charles neuer König: „Das macht mich ein bisschen ängstlich“
„Es war eine Rede voller Emotionen, voller Tränen, voller Liebe – ja. Aber in einem Stil, der zu persönlich war und nicht sehr politisch im großen Sinne. Das macht mich ein bisschen ängstlich“, erklärt Glees. Doch nach dem Tod der beliebten Queen brauche es weniger Emotionalität, sondern einen klaren Kompass.
„Das ist ein tiefer Einschnitt in unserer Geschichte, in der Geschichte eines Landes, ohnehin in den letzten Jahren viele Krisen hinter sich gebracht hat. Und während seiner Rede kam er an als jemand, der vielleicht nicht imstande ist, die Monarchie so zu modernisieren, dass sie am Leben bleiben kann“, so Glees. „Denn eigentlich ist die Monarchie ja ein Relikt der Geschichte und hat mit der Zukunft wenig zu tun.“
König Charles III.: Lange war er seinem Volk fremd
Queen Elizabeth, die Symbolfigur Großbritanniens, ist weg. Wie wird es also weitergehen mit der Krone? Fest steht, dass die Monarchie eine andere sein wird und das liegt nicht zuletzt an der oft umstrittenen Person von Charles.
Anders als seine Mutter hatte sich Charles durchaus immer wieder in das öffentliche Leben eingemischt, hat sich kritisch geäußert, hat sich früh für Ökologie und Umweltschutz eingesetzt. Auf seinen Gütern in Cornwall hat er durchaus erfolgreich ökologische Landwirtschaft betrieben – ein untypischer Thronfolger, der sich weniger um Luxus, sondern mehr um gesellschaftliche Entwicklungen kümmerte. Charles könnte damit sicherlich auch eine Chance für Großbritannien sein.
Doch der ungewöhnliche Charles wird es anfangs schwer haben, so sehr das Volk zu erreichen wie seine Mutter. Die Queen war gänzlich unprätentiös und volksnah, diese Herzlichkeit wird ihrem Sohn weniger zugeschrieben. Vielen Britinnen und Briten blieb er lange fremd. Diese Hürde wird König Charles III. nun vorerst nehmen müssen.
Das weiß wohl auch der König selbst: Am Samstag sagte er bei seiner Proklamation, dass er sich des „großen Erbes“ und der Pflichten „äußerst bewusst“ sei. „Indem ich diese aufnehme, werde ich mich bemühen, dem Vorbild folgen, das gesetzt wurde“, versprach Charles seinem Volk. (mg)