Schauspieler Hilmi Sözer„Meine Kinder können mit mir über alles reden“

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Hilmi Sözer wuchs am Niederrhein auf – in einem „kleinen Paradies“ wie er heute selbst sagt. Er weiß aber: Kinder in der Großstadt haben’s heute schwerer. Er versucht, ein offener Vater zu sein, der immer für seine Kinder da ist. 

Kön – Endlich mal wieder was zum Lachen in dieser nicht so fröhlichen Zeit: Im Film „Es ist zu deinem Besten“ erleben wir drei besorgte, aber etwas durchgeknallte Väter, die ihre Töchter in die Pubertät verabschieden müssen – aber nicht wollen. Mit dabei auch der in Köln lebende Hilmi Sözer (60), der seit seinen Filmen mit Tom Gerhardt (63) Kultstatus genießt. Wir haben ihn zum großen Interview getroffen.

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Hilmi Sözer und EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher.

EXPRESS: Ihre eigene Tochter ist zwölf. Wie hat sie reagiert, als sie im Film gesehen hat, was Mädels in der Pubertät alles anstellen können? Hilmi Sözer: Ich habe im Kino bemerkt, dass sie da besonders hellhörig wurde. Kein Wunder! Bei ihr tauchen jetzt auch diese Themen auf. Und da war sie natürlich neugierig zu sehen, wie der Papa im Film reagiert.

Sind Sie auf die Erziehungsdiskussionen vorbereitet? Ja, die kenne ich schon von meinem jetzt 18-jährigen Sohn. Ein harter Lernprozess für mich, bis mir klar wurde, dass er seinen eigenen Weg geht. Einerseits bin ich der Schauspieler, der fordert: „Raus!“ „Mach!“ „Erlebe das alles!“ Auf der anderen Seite bin ich auch der ängstliche Vater, der bittet: „Bleib lieber zu Hause, da ist es auch schön.“ 

Haben es Kinder in der Pubertät heute schwerer? Ich hoffe, dass es meine schon deswegen besser haben, weil sie in mir einen Vater haben, mit dem sie reden können. Sie wissen, dass sie ein Zuhause haben, in dem es bei allen Themen kein Tabu gibt. So eine Anlaufstelle hatte ich nicht. Ich musste das meiste mit mir selber klären. Allerdings kannte ich viele Probleme, die die Kinder heute haben, in meiner Jugend nicht. Ich habe weit draußen am Niederrhein gewohnt, die Schule war eine Stunde entfernt. Das war eine andere Konstellation als in einer Stadt wie Köln.

Wie war es damals: Wurden Sie als Kind wegen Ihrer türkischen Herkunft gemobbt? Nein, ich habe erst mit 30 Jahren in Berlin realisiert, dass da ein Unterschied sein soll. Vorher habe ich nichts Negatives erfahren. Wenn ich höre, was andere Türken alles erlebt haben – dagegen lebte ich am Niederrhein in einem kleinen Paradies. Wir waren mitten in der Natur, konnten rumlaufen, wo wir wollten, es herrschte ein Grundverständnis zwischen allen Familien, weil ja alle Eltern im Bergwerk arbeiteten. Man lebte zusammen, half sich. Für ein Kind eine wunderbare Welt.

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Der Durchbruch gelang mit Blödelfilmen wie „Ballermann 6“ (1997) an der Seite von Tom Gerhardt – bis heute sind die (flachen) Gags unvergessen.

Sie haben schon früh mit dem Theaterspielen begonnen – wie kam es eigentlich dazu? Purer Zufall. In der Theater-AG meiner Schule sollte ein Stück gespielt werden, in dem viel Türkisch gesprochen wurde. Der vorgesehene Hauptdarsteller hatte keine Lust, das alles zu lernen. Und weil ich der einzige Türke an der Schule war, sprach er mich an: „Spiel du das doch!“ Ich habe es gemacht und bin dabei geblieben.

Gab’s einen Plan B? Nein, nie. Aber es gab den enormen Druck meiner Eltern, die das, was ich machen wollte, nicht wollten. Ihr großer Wunsch war es, dass ich studiere. Je größer ihr Druck wurde, desto weniger Lust hatte ich. Doch weil ich wollte, dass das Leben meiner Eltern weiter funktioniert, habe ich Germanistik und Pädagogik studiert – aber nur mit halben Herzen.

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Väter im Ausnahmezustand: Jürgen Vogel, Hilmi Sözer und Heiner Lauterbach in „Es ist zu deinem Besten“ (läuft jetzt im Kino).

Vor 25 Jahren kam Ihr Durchbruch an der Seite von Tom Gerhardt, mit dem Sie in „Voll normaaal“ und „Ballermann 6“ für den totalen Klamauk sorgten. Der richtige Schritt? Klar! Tom war unglaublich wichtig für mich. Ich hatte fast nur ernsthafte Sachen gespielt. Da konnte ich vor der Kamera den totalen Hampelmann machen, zeigen, was ich als Schauspieler noch drauf habe. Wäre das nicht gewesen, wäre ich bis heute wohl der typische türkische Gemüseverkäufer im Film. So wurde ich zu einem der wenigen, der von der extremen Komödie bis zur dramatischen Rolle angefragt wird.

Wir leben Sie in Coronazeiten? Nach den großen Sorgen zu Beginn fand ich es gut, dass ich mich mal zurückziehen konnte. So bin ich mal wieder aus dem Schauspieler-Gefühl rausgekommen, habe die andere, die normale Existenz, wahrgenommen. Ich schreibe wieder und bin viel mit meinen Kindern zusammen.

Kollegen klagen über Existenzangst. Wie ist‘s bei Ihnen? Natürlich sind auch bei mir alle Filme aufs nächste Jahr verschoben, ich muss an meine Rücklagen gehen. Da ich jedoch nie der Typ war, der seine Gagen sofort verjubelt hat, ist auch noch was da. Ich kann gut feiern, aber ich wache am nächsten Tag gern mit dem Gefühl auf, dass weiterhin alles geregelt ist. Und seitdem ich Vater bin, ist mir sowieso klar, wofür Geld da sein muss.

In der letzten Zeit geht es wieder sehr ums Thema Rassismus. Was glauben Sie – ist er in den Jahren, in denen Sie hier leben, stärker oder schwächer geworden? Er war da, er ist immer noch da, da hat sich nicht viel getan. Wir merken ja gerade, was für Pickel plötzlich aufgehen – und das sowohl in der Politik als auch bei der Polizei.

Fühlen Sie sich als Deutscher oder Türke? Ich kann mich auch heute noch nicht als Deutscher bezeichnen. Dafür habe ich den NSU-Prozess und die Auseinandersetzung, die nicht stattgefunden hat, nicht vergessen. Man hat zwar eine Frau verurteilt, aber was dahintersteckt, ist immer noch nicht nach vorn geholt worden. Es ist mir wichtig zu sagen, dass ich ein Türke bin und in Deutschland lebe. Ich hoffe, dass es eine Frage der Zeit und der Generationen ist und dass wir erkennen, welches positive Potenzial in unserer Diversität steckt.

Hilmi Sözer: Ernste und schräge Rollen

Hilmi Sözer (geboren am 9. März 1970 in Çubuk nahe Ankara in der Türkei) kam mit fünf Jahren nach Deutschland und wuchs in Tönisberg (heute Stadtteil von Kempen) auf. Als Jugendlicher feierte er Erfolge in einer freien Theatergruppe.

Es folgten viele kleinere TV-Rollen, dann Hauptrollen in Tom Gerhardts „Voll normaaal“ und „Ballermann 6“ sowie Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“. 2008 war er im Spielfilm „Jerichow“ über einen aus Afghanistan zurückkehrenden Soldaten, der sich auf eine Affäre mit einer verheirateten Frau einlässt (mit Benno Fürmann, Nina Hoss) zu sehen. Er lebt in Köln und hat drei Kinder.