Der einstige Lehrmeister von Tim Mälzer und Jamie Oliver, Starkoch Gennaro Contaldo, hat mit uns über seine Heimat und seine „Zöglinge“ gesprochen. Und er verrät, was er am liebsten isst.
„Geht nicht ohne Amore“Herdgeheimnisse von Tim Mälzers Lehrmeister

Copyright: RTL/Markus Hertrich
Standen auch schon gemeinsam vor der „Kitchen Impossible“-Kamera (Vox/ RTL+): Tim Mälzer, Jamie Oliver und Gennaro Contaldo.
Aktualisiert
Er stammt von der wunderschönen Amalfiküste, lebt seit über 55 Jahren in London und ist eine weltweite Ikone der italienischen Küche: Gennaro Contaldo ist gefeierte Kochlegende.
Zum einen, weil kaum ein anderer mit so viel Herz kocht wie er. Zum anderen, weil er zwei „Ziehkinder“ hat, die mit dem von ihm Erlernten die internationale Welt des TV-Kochens revolutioniert haben. Contaldo ist der Mentor von Jamie Oliver (50) und Tim Mälzer (54). Sonntag-EXPRESS traf den sympathischen 76-Jährigen zum Talk.
Gennaro Contaldo: „Tim und Jamie kochen besser als ich“
Was braucht man, um gut kochen zu können?
Gennaro Contaldo: Nimm die besten Produkte und packe sehr viel Liebe dazu. Ganz einfach! Ohne Liebe, ohne viel Leidenschaft und Gefühl geht es nicht. Wissen Sie, wer am besten kocht? Es sind immer die Frauen. Weil sie mit Emotionen kochen.
Aber zwei Jungs, die Sie gut kennen, können auch sehr gut kochen: Jamie Oliver und Tim Mälzer – Sie waren quasi Ihre Ziehkinder in der Küche, Sie waren ihr Mentor.
Gennaro Contaldo: Oh ja, sie machen es sehr gut. Heute kochen sie sogar besser als ich, ehrlich!
Als Sie kürzlich in Düsseldorf mit dem Rolling Pin Award – dem Oscar der Gastroszene – ausgezeichnet wurden, hat Tim Mälzer Ihnen eine Liebeserklärung gemacht. Er sagte: „Gennaro hat sein Wissen benutzt, um es weiterzugeben. Er glänzt damit, dass er uns hat größer werden lassen“.
Gennaro Contaldo: Das ist, weil ein Vater immer will, dass es seinen Kindern gut geht. Ein Vater arbeitet immer hart, damit es seinen Kindern einmal noch besser geht. Natürlich arbeiten auch sie hart. Aber genauso ist es.
Man merkt auch stets, mit wie viel Respekt und Liebe Tim und Jamie Ihnen begegnen und von Ihnen reden. Und auch umgekehrt. Sind die beiden wie Ihre Kinder?
Gennaro Contaldo: Sie sind meine Kinder. Ich behandele sie wie meine Kinder. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte: Eines Tages besuchte ich meinen Vater in Italien – Jamie war dabei. Und ich sagte zu meinem Vater: „Das ist mein Sohn. Dein Enkel“. Mein Vater akzeptierte das. Jamie nannte ihn ‚‚Nonno‘‘ (Anmerkung der Red.: auf Deutsch Opa). Jamie war also dort, machte auch Filmaufnahmen mit ihm für die Produktion „Jamie in Italy“. Ein paar Jahre später. Vater, der auch nie Fernsehen geguckt hat, sagte zu mir: Sohn, der Junge ist wunderbar! Er sieht aus wie du. Aber warum hat er blondes Haar? (lacht). Ich habe es ihm erklärt.
Ihr Vater sah Jamie als Enkel an?
Gennaro Contaldo: Ja. Jedes Jahr, wenn ich bei Vater war, hat er auf eine Ecke voller Wein gezeigt und gesagt: „Vergiss bitte nicht, Jamie den Wein mitzubringen“. Ich habe es jedes Mal vergessen. Dann starb mein Vater. Und mir fiel irgendwann der Wein für Jamie wieder ein. Ich sah nach, fand Kisten voller wunderbarer Weine. Jede Flasche war ein Vintage-Wein, sie stammten aus ganz Italien. Ich managte den Transport mit einem Van nach England. Ich war noch unterwegs und rief Jamie über Facetime an: „Guck, was Nonno dir schickt“. Ich öffnete eine Kiste. Dort waren wunderbare Weine. Jeder einzelne Wein war 30, 40 oder 50 Jahre alt. Ganz besondere Weine, die er für den ganz besonderen Jungen Jamie aufgehoben hat. Unglaublich. Jamie war sehr berührt.

Copyright: Riahi
Kochlegende Gennaro Contaldo und EXPRESS-Redakteurin Nathalie Riahi.
Ende des Jahres erscheint Ihr neues Kochbuch „Italia Mia“ – was bedeutet für Sie „Ihr Italien“?
Gennaro Contaldo: Es ist mein Essen – das, was ich liebe. Es bedeutet, dass ich mein Italien an dich weitergebe. Es sind die Gerichte, die zu mir gehören und mich ausmachen. Wenn du das Buch siehst und kaufst, hast du dich schon in das Buch verliebt – und es wird deins. Mein Italien ist dein Italien. So einfach!
Und wenn Sie an Italien denken, was bedeutet Ihnen Ihre Heimat?
Gennaro Contaldo: Ich wurde in einem Haus 30 Meter über dem Meer geboren. Direkt an der Küste. Das Meer war mein Schwimmbad. Die Berge waren mein Garten. Und das Dorf war mein Spielplatz, wo ich seit meiner frühesten Kindheit alles gelernt habe. In unserem kleinen Dorf haben alle immer von Essen geredet. Ich habe immer zugehört. Sehr jung habe ich schon Kochen gelernt. Wir haben immer auf die Jahreszeiten gewartet, etwa um im Herbst Pilze zu sammeln. Oder im Frühling den Spargel. Dann hieß es: „Lass ihn uns ernten“! Ende Mai: „Kirschen sind da – wunderschön! Lass sie uns alle pflücken“. Du kombinierst die Jahreszeitenprodukte. Das macht es aus.
Sie stammen aus Minori, einer kleinen, malerischen Stadt an der Amalfiküste. Mit 20 Jahren sind Sie aber nach Großbritannien gezogen, leben in London ...
Gennaro Contaldo: Ich liebe Italien noch immer. Aber es gibt so viele wundervolle Menschen auf der ganzen Welt – ich wollte mehr von ihnen treffen.

Copyright: David Loftus/Ars Vivendi
Mit Leidenschaft am Herd und am Tisch: Gennaro Contaldo begeistert die Welt mit seiner italienischen Kochkunst.
Was hat Sie an England gereizt? Das Wetter war es wohl nicht ...
Gennaro Contaldo: Als ich nach England kam, wollte ich vor allem eins: Freiheit. Ich war damals schon Koch, ich stand ja schon mit elf oder zwölf Jahren in Minori in der Küche. England hatte eine besondere Anziehungskraft, ein besonderes Gefühl von Freiheit. Dort gab es die Beatles. Dann die schöne Landschaft außerhalb der Städte: Berge, Meer – alles.
Was sind die besten Zutaten für ein Gericht?
Gennaro Contaldo: Respekt und Demut vor den Produkten zu haben, ist genauso wichtig wie ihre Regionalität zu beachten und dass sie den Jahreszeiten entsprechen. Und ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie in den Supermarkt gehen und Tomaten kaufen, wollen Sie die besten. Und so schauen Sie nach den schönsten Tomaten. Dabei sind die, die nicht so schön aussehen, meist viel besser – und dazu noch die günstigeren, weil der Händler sie wegen ihrer Macken nicht teuer verkaufen kann. Kommen Ihre Tomaten in den Kühlschrank?
Nein.
Gennaro Contaldo: Sehr gut. Da gehören sie nämlich nicht hin. Genauso wenig wie Erdbeeren. Wenn Sie eine Schüssel voller grüner Tomaten in die Mitte des Tisches stellen und eine Woche oder zwei stehen lassen, dann reifen sie und werden so süß und aromatisch – besser als eine Erdbeere. Das ist die Wahrheit über die besten Zutaten.
Kochen Sie selbst zu Hause?
Gennaro Contaldo: Ja, jeden Tag! Und was essen Sie selbst am liebsten? Cucina povera – die einfache Küche aus guten Zutaten. Fisch, Fleisch, sehr viel Gemüse – und am allerliebsten Pasta! Ich liebe Pasta.
Welche Sorte?
Gennaro Contaldo: Am liebsten Spaghetti. Aber ich verrate Ihnen noch was: Mein Frühstück ist ganz verrückt. Ich esse ein Stück gutes Brot, was ich übrigens gerne selbst backe, und dazu esse ich Früchte. Jede Menge Früchte, die die Saison hergibt! Und das jeden Tag. Ich liebe das!
Gennaro Contaldo – der Herzenskoch
Gennaro Contaldo wurde am 20. Januar 1949 in Minori – einer Gemeinde mit rund 2600 Einwohnern in der Region Kampanien an der Amalfiküste – geboren. Schon als Kind ging er mit seinem Vater und Opa auf die Jagd. Früh fing er an, im Ort in Restaurants zu arbeiten. 1969 zog Contaldo nach London, wo er in einigen der bekanntesten Restaurants arbeitete, wie in Antonio Carluccios „Neal Street Restaurant“. Dort arbeiteten in den 1990er Jahren auch Jamie Oliver und Tim Mälzer als junge Köche, denen Gennaro Contaldo mit viel Leidenschaft alles über die italienische Küche beibrachte.
Contaldos Motto: Minimale Zutaten, maximaler Geschmack. Weltweit bekannt wurde er durch verschiedene TV-Sendungen mit Antonio Carluccio sowie mit Jamie Oliver. Contaldo hat acht Kochbücher im „ars vivendi“-Verlag veröffentlicht. Ende des Jahres erscheint sein neues Buch „Italia Mia“.