KommentarNächstes ESC-Debakel: Macht eine Teilnahme überhaupt noch Sinn?

Das war wieder eine absolute Katastrophe! Zumindest aus deutscher Sicht. Lord Of The Lost gerieten beim ESC unter die Räder. Wieder einmal der letzte Platz für Deutschland. Doch ist das gerecht? Ein Kommentar.

Als ARD-Kommentator Peter Urban am späten Samstagabend (13. Mai 2023) die Startnummer 21 aufrief, dürften zahlreiche Menschen – vor allem in Deutschland – bereits die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen haben. „Das wird doch eh nichts!“

Denn die deutsche ESC-Historie ist nicht unbedingt das, was man als märchenhafte Erfolgsgeschichte bezeichnen könnte. Seit dem Sieg von Lena Meyer-Landrut („Satellite“, 2010) ging es stetig bergab.

Eurovision Song Contest: Lord of The Lost geht in Liverpool unter – müssen wir uns das noch antun? 

Die Bundesrepublik landete achtmal auf hinteren Rängen – in den Jahren 2005, 2008, 2015, 2016 und 2022 auf dem letzten. Auch in den Jahren 1964, 1965, 1974 und 1995 bildeten wir das Schlusslicht. Nur Finnland und Norwegen (je elfmal) sind in der ESC-Historie schlechter.

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Ein letzter Platz sollte es am Samstagabend auch wieder werden. Mit gerade einmal 18 mageren Gesamtpunkten ging Deutschland sang- und klanglos unter. Eine absolute Voll-Katastrophe. Zumindest Punkte-technisch. Aber SO schlecht war der Auftritt der deutschen Vertreter doch gar nicht. Oder?

Die Dark-Rock-Band rund um Frontmann Chris Harms ließ es mit ihrem Song „Blood & Glitter“ ordentlich krachen. In schrillen Kostümen fegten die Jungs über die ESC-Bühne in Liverpool und lieferten eine feurige Show. Zugeben: Nicht jeder Ton saß. Vollkommen normal, wenn live performt wird. Auch über Musik-Geschmack kann man streiten. Aber: Der Einsatz stimmte. Auch im Vorfeld sorgten sie bei gleich mehreren Auftritten in Liverpooler Clubs für positive Fan-Reaktionen.

Wieder einmal das Schlusslicht des geschichtsträchtigen Wetterwerbs zu sein, der bereits seine 67. Auflage feierte, wirkt daher irgendwie ungerecht.

Zumal der serbische Vertreter Luke Black mit seinen Gesangskünsten in den Wohnzimmern zeitweise den Eindruck entstehen ließ, dass womöglich die Boxen des Fernsehgeräts kaputt sind. Dennoch gab es hier immerhin 30 Punkte (Platz 24). Auch unsere österreichischen Nachbarinnen Teya & Salena ergatterten mit ihrem Song „Who The Hell Is Edgar?“ 120 Punkte, die in Platz 15 resultierten. Dass der Song der beiden Österreicherinnen qualitativ höherwertiger gewesen sein soll, als der Beitrag der Hamburger Band, darf durchaus kritisch bewertet werden werden. 

Da stellt sich natürlich die Frage: Warum tun wir uns das eigentlich noch an? Ist der ESC wirklich so unpolitisch, wie er es selbst von sich behauptet? Es entsteht zumindest der Eindruck, dass die deutschen Farben ein Stück weit für unsere miesen Bewertungen verantwortlich sein könnten. 

Auch auf Twitter äußerten sich zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer verwundet über das nächste deutsche ESC-Debakel:

  • „Lord of the Lost sind nicht mit epischer Inszenierung, brillanten Outfits, auf den Punkt gebrachtem Make-up und einem verdammt guten Metal-Song für diese Art von Punkte-Raub erschienen.“
  • „Sorry, aber Lord of the Lost wurde in keinster Weise gewählt, weil sie sich irgendwie anders definieren, sondern weil deren Musik einfach mal was anderes war als der ewig dröge Einheitsbrei. Es ist europaweit einfach ein Meme, dass Deutschland letzter sein muss.“
  • „Ohne Deutschland wäre für Lord of the Lost was jenseits der 20 drin gewesen.“
  • „Das lag definitiv nicht an Lord of the Lost, die waren klasse, und hätten mindestens gutes Mittelfeld bis vorderes Mittelfeld verdient gehabt.“ 
  • „Es ist voll okay, wenn „Blood & Glitter“ nicht euren Musikgeschmack trifft. Aber es war wirklich mal ein guter Beitrag von Deutschland, die Punkte sind unverhältnismäßig.“

Was die Wenigsten wissen: Lord Of The Lost ist auf den Eurovision Song Contest nicht angewiesen. Dass sich die Hamburger in der Metal-Szene bereits einen Namen gemacht haben, dürfte das Lob einer echten Szene-Größe bewiesen haben. 

„Ich habe kürzlich eine interessante deutsche Band entdeckt, Lord of the Lost. Ihr letztes Album ist brillant“, sagte Steve Harris, Gründungsmitglied und Bassist der englischen Heavy-Metal-Band Iron Maiden im Januar 2020 im „Metal Hammer“-Interview.

Harris lud die Lord Of The Lost im Anschluss sogar ein, als Voract auf der Iron-Maiden-Tour aufzutreten. Damals machte die Corona-Pandemie der Sache einen Strich durch die Rechnung. Aber: Im Sommer 2023 soll es endlich so weit sein! Die Hamburger gehen mit der Kult-Metalband auf große Sommer-Tour. Ein Ritterschlag, der wohl mehr wert sein dürfte, als 12 Punkte beim ESC. (cw)