Millennials wird nachgesagt, nostalgisch auf die eigene Jugend zurückzuschauen. Doch war jung sein in den frühen 2000-ern wirklich so viel besser? Die fiktive ZDFneo-Serie „Chabos“ lässt daran zweifeln.
„Chabos“ hinterfragt den verklärten Blick auf die Jugend der Millennials

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Sie sind die titelgebenden „Chabos“, die unsicher und mit falschen Idealen durch den Wahnsinn Pubertät steuern (von links): PD (Jonathan Kriener), Gollum (Arsseni Bultmann), Alba (Loran Alhasan) und Peppi (Nico Marischka). (Bild: ZDF/Nikolaus Schreiber)

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Peppi (Johannes Kienast) ist Mitte 30 und nicht zum Klassentreffen eingeladen. Doch warum? (Bild: ZDF/Nikolaus Schreiber)
2006, das Jahr des deutschen Sommermärchens: Eine Zeit, in der Facebook, ICQ und Vanille-Deos „voll in“ und die Personalausweise noch größer als das heutige Scheckkartenformat waren. Einen ehrlichen, wenig verklärten Blick zurück auf diese Zeit wagt „Chabos“, eine neue, achtteilige Serie ab Freitag, 22. August, in der ZDFmediathek. ZDFneo zeigt jeweils drei Folgen am Sonntag, 24. August, und Sonntag, 31. August, um 20.15 Uhr. Die finalen zwei Folgen sind am Sonntag, 7. September, um 20.15 Uhr zu sehen.

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Die Peppis (Nico Marischka) Igelfrisur hatte ihre Hochphase bereits in den 1990-ern. Dennoch ist sie einer der vielen fragwürdigen Modetrends, die „Chabos“ wieder aufleben lässt. (Bild: ZDF/Nikolaus Schreiber)
Die von BBC Germany produzierte Serie wurde von der britischen Comedy-Serie „Landhood“ (2019) inspiriert: Hier wie dort wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Peppi (Johannes Kienast) ist 36, Single und ohne konkreten Plan für sein Leben, als er in der Kneipe zufällig einen alten Schulkameraden trifft. Der erzählt ihm vom Klassentreffen in einer Woche: „Hä? Was denn für ein Klassentreffen?“, wundert sich Peppi. Kann es sein, dass er absichtlich nicht eingeladen wurde? Und wenn ja: Warum? Auf der Suche nach einer Antwort reist Peppi zurück in seine Heimat Duisburg und zu seinen Eltern (Anke Engelke und Peter Schneider).
Die Nostalgie der Jugend auf dem Prüfstand

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Das Jahr 2006 ist für Peppi (Nico Marischka, Mitte) nicht besonders lustig: In einem Albtraum landen er und seine Eltern (Anke Engelke und Peter Schneider) sogar in der Talk-Show „Britt - Der Talk um eins“. (Bild: ZDF/Frank Dicks)
„'Chabos' ist ein Generationenporträt über Freundschaft, toxische Männlichkeit und die ungeschönte Nostalgie einer Jugend im Ruhrgebiet“, erklären die Serien-Macher Mickey Paatzsch und Arkadij Khaet (beide Jahrgang 1991). In der Tat ist das, was da in den vielen Szenen auf der zweiten Zeitebene, also im Jahr 2006 nacherzählt wird, alles andere als schön: Peppi (in jungen Jahren gespielt von Nico Marischka) war Teil einer Jungs-Clique, wie sie wohl alle Kinder der 1990-er und frühen 2000-er aus ihrer Schulzeit kennen: Er, PD (Jonathan Kriener), Alba (Loran Alhasan) und Gollum (Arsseni Bultmann) drücken ihre gegenseitige Zuneigung vor allem durch körperliche wie verbale Demütigungen aus.

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„Chabos“ spielt auf zwei Zeitebenen. Vor allem in der Jetzt-Zeit thematisiert der erwachsene Peppi (Johannes Kienast) die toxische Männlichkeit des Jahres 2006. (Bild: ZDF/Nikolaus Schreiber)
„So war das früher“, erklärt der erwachsene Peppi, der in vielen Szenen einordnend und die vierte Wand durchbrechend mit dem Serienpublikum kommuniziert: „Prügel und Mutter beleidigen - das nennt man Freundschaft!“ „Chabos“ ist als „Comedy-Serie“ deklariert. Das Lachen bleibt einem beim Betrachten aber doch recht häufig im Hals stecken. Vielmehr beginnt man die eigene verklärte Erinnerung an die Jugend kritisch zu hinterfragen.
2000-er oder doch eher 1990-er?
„Früher war es mir sehr wichtig als männlich, also als stark und nicht 'verweichlicht' wahrgenommen zu werden“, reflektiert auch Johannes Kienast (Jahrgang 1986): „Irgendwann habe ich aber angefangen diese Sichtweise zu hinterfragen, da sie mir, aber auch unserer Gesellschaft nicht gut tut. Ich musste erkennen, dass ich oft sehr gemein gewesen bin, verletzend und toxisch gehandelt habe. Momentan bin ich auf der Suche, um den Begriff Männlichkeit für mich neu zu definieren und einen Umgang damit zu finden, den ich auch gerne an meinen Sohn weitergeben möchte. Weniger Brusttrommeln, mehr Durchlässigkeit und den Mut Verantwortung zu übernehmen.“
„'Chabos' zelebriert den popkulturellen Trash der 2000er Jahre“, erklären die Serienmacher. Dass Peppes Igelfrisur eher in den 1990-er in Mode war, während die titelgebende Bezeichnung „Chabos“ für „Freunde“ erst durch den Song „Chabos wissen wer der Babo ist“ des Rappers Haftbefehl 2012 in Mode kam - geschenkt! Für viele Millennials dürfte die Serie unterhaltsam sein. Das zu Beginn der Serie kommunzierte Ziel des ZDF, Menschen unter 65 Jahren anzusprechen, könnte in diesem Fall durchaus erreicht werden. (tsch)