KirschblütengemeinschaftDrehbuchautorin über Drogen und Gruppensex in Psycho-Sekte

Ariela Bogenberger

Drehbuchautorin Ariela Bogenberger war 18 Jahre lang Mitglied in einer Psycho-Sekte.

Berlin – Sie gewann den Grimme-Preis für die Drehbücher zu „Marias letzte Reise“ und „In aller Stille“, jetzt tritt Ariela Bogenberger selbst vor die Kamera.

Sie spricht über die Schweizer Psycho-Sekte „Kirschblütengemeinschaft“, der sie fast 20 Jahre lang angehörte. Am 25. Juli strahlt der BR die Interview-Collage „Aussteigen” ab 22.30 Uhr aus. „Meedia“ sah den Film vorab.

Bogenberger war Ende 20 und sei sehr verletzlich gewesen: Ihr Vater, Schauspieler Willi Anders, der schwer alkoholkrank war, nahm sich das Leben – dann sei sie durch eine falsche Therapie in den Kontakt mit Drogen gekommen und so in die Sekte gerutscht.

18 Jahre lang Mitglied in der Psycho-Sekte

Im September 2015 traf sie dann aber eine lebensverändernde Entscheidung. „Ich habe beschlossen, mit Namen zu sagen, dass ich das nicht gut finde“, so die Drehbuchautorin in „Aussteigen“.

Der Auslöser: In der Nähe von Hamburg mussten 29 Heilpraktiker, Psychologen und Ärzte in die Notaufnahme gebracht werden. Die Ursache: ein ziemlich schlechter Trip.

Bogenberger selbst war 18 Jahre in der Psycho-Sekte. Zur ihr gehörte auch der Aachener Psychotherapeut Stefan S., der zusammen mit seiner Frau das Seminar bei Hamburg geleitet hatte und sich deshalb vor Gericht verantworten muss.

Sie war ständig auf Droge

In der BR-Dokumentation erzählt Bogenberger, dass sie dem narzisstischen Scharlatan Samuel Widmer fast 20 Jahre hinterherlief und dabei ständig auf Drogen war.

Diese „Gruppenmeditation“ ist nur einer von zwei Grundsteinen der Widmer-„Therapie“.

„Psycholyse“ nennt sich das Verfahren, bei dem bewusstseinsverändernde Mittel zur Unterstützung der Psychotherapie eingesetzt werden.

In der Kirschblütengemeinschaft wurde jedoch nicht therapiert, sondern manipuliert. „Er hat mein Geld genommen, er hat meine Kreativität genommen, er hat mich in Situationen gebracht, wo ich hilflos wie ein Kind am Boden gelegen bin“, sagt Ariela Bogenberger über ihren Guru.

Freundin erlitt zwei Hirnblutungen

Einen ähnlich misslungenen Trip wie in Hamburg hat auch Bogenberger miterlebt: Mehrere Teilnehmer hätten damals „mit Valium niedergespritzt“ werden müssen.

Besonders tragisch: Ihre Freundin Sabine Bundschuh, die die Ansagen der Münchener Verkehrsgesellschaft spricht, erlitt nach Einnahme des Fluoramphetamins 4-FMP zwei Hirnblutungen.

„Man liegt aufeinander – dann kommt es zum Äußersten“

Der andere Grundstein der Therapie ist der Sex. Vor allem Gruppensex, der sektentypisch als Tantra-Ritual verklärt wird. „Man liegt aufeinander, und dann kommt es zum Äußersten. Den Orgasmus hat man auf dem, auf dem man gerade zufällig landet“, erklärt Bogenberger.

Eine große Zahl von Frauen legt sich bei diesem Ritual nackt auf den Boden. Männer legen sich auf sie und haben Sex mit ihnen, rücken nach einer gewissen Zeit aber eine Frau weiter.

Wer bei diesem Gruppensex nicht mitmacht, der gilt im Sinne Widmers als Versager. Die Lehre besagt, dass man alle Menschen gleich intensiv lieben solle.

Widmer selbst war eine Ausnahme: Er hatte zu Lebzeiten bei seinen Anhängern einen gottähnlichen Status.

Laut Bogenberger habe der Guru sogar selbst ab und zu bei der Orgie mitgemacht. „Er war noch zwei Männer vor mir, da habe ich spontan meine Regelblutung bekommen und musste den Raum verlassen. Später habe ich es so gesehen, dass ich mir selbst das Paradies verweigert habe.“

Zwei Todesfälle bei „Psycholose“

2009 gab es dann bei einer „Psycholose“-Sitzung in Berlin zwei Todesfälle – und für Bogenberger den Bruch mit der Sekte.

„Ich dachte damals: Eigentlich bin ich in der Mafia gelandet. Ein Menschenleben zählt nicht viel bei uns“, sagt sie. Denn die meisten Mitglieder der Kirschblütengemeinschaft waren sich einig, dass die Toten selbst schuld an ihrem Tod seien.

Die Interview-Collage „Aussteigen“ sehen Sie am 25. Juli um 22.30 Uhr beim BR.

(sch)