„Gefährliche Nazi-Schläger“ trifft Lena Elfers in Erfurt nicht - und auch keine „kriminellen Ausländer“. Dennoch machen so manche der Aussagen, die in der neuen „Y-Kollektiv“-Doku fallen, der Reporterin „große Angst“.
AfD-Fans im Osten getroffenARD-Reporterin reist verwirrt ab – zwischen Sympathie und „großer Angst“

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„Ausländer kriminell, Ossis rassistisch?“ - ARD-Reporterin Lena Elfers will wissen, was an den Klischees dran ist. (Bild: ARD)
Ursprünglich kommt Lena Elfers aus „dem Westen“, erklärt sie. Seit 20 Jahren lebt die ARD-Journalistin in Leipzig, nun reist sie für eine Reportage nach Erfurt - „raus aus meiner Komfortzone, raus aus meiner Bubble“, wie sie sagt. „Ausländer kriminell, Ossis rassistisch?“ lautet die reißerische Überschrift des „Y-Kollektiv“-Films, der Elfers Erfahrungen in der Hauptstadt Thüringens dokumentiert.
Die titelgebenden Klischees will die Reporterin auf den Prüfstand stellen, indem sie ein Praktikum in einer Unterkunft für Geflüchtete macht und zeitgleich in einem Viertel lebt, das als „Nazi-Kiez“ verschrien sein soll.
Reporterin muss Anwohner-Aussagen „erst mal verdauen“
„Ost-Bashing“ mache sie „immer richtig traurig und wütend“, stellt Elfers klar. Doch schon beim Einzug in ihr vorübergehendes Zuhause wird sie mit Ansichten konfrontiert, die sie selbst ganz und gar nicht teilt. „Die AfD wird nur runtergemacht. Warum gibt man denen nicht mal die Chance, eine Wahlperiode?“, fragt die Vermieterin der Pension. „Ich bin nicht gegen Ausländer, aber wenn ich sehe, was hier rumläuft und kreucht ... junge Männer, die sollen doch daheim bleiben und ihren eigenen Staat aufbauen.“
Sie selbst habe „eine kleine Rente, nicht mal 800 Euro“, erzählt die ehemalige Ingenieurökonomin. „Ich habe mein Leben lang gearbeitet, habe zwei Kinder großgezogen - und da soll ich die Leute aus Syrien und Pakistan mit unterhalten und denen Essen und Trinken geben?“ Zu einem späteren Zeitpunkt erläutert die Rentnerin, weshalb sie Sympathien für die AfD-Chefin Alice Weidel hege: „Das ist wenigstens mal eine Person, die weiß, worüber sie spricht - ob das immer richtig ist, ist eine andere Seite.“
Die Gespräche mit ihrer Vermieterin muss die Journalistin erst mal „ein bisschen verdauen“, gesteht sie: „Ich will das ja gar nicht werten. Aber ich weiß manchmal gar nicht so richtig, wie ich reagieren soll.“
„Wenn die AfD hier mal regieren sollte, dann werdet ihr euch umgucken“
Auch beim Ostereier-Malwettbewerb in einem Plattenbau am Erfurter Herrenberg geht es um die AfD. „Die sagen ja nicht generell: Ausländer raus. Pflegekräfte, Ärzte, Fachkräfte, die sollen gerne hier bleiben“, behauptet einer der anwesenden Senioren und echauffiert sich über die in der Nähe lebenden Geflüchteten: „Die haben nicht solche billigen Handys wie wir! Die lungern hier in der Gegend rum und führen sich auf wie Graf Rotz.“ Für ihn steht fest: „Ausländer können gerne rein. Das können Tschechen sein, Polen, Italiener, Spanier. Die können alle gerne reinkommen, aber um Gottes willen keine Muslime!“
Die meisten Anwesenden schweigen, auch die Reporterin selbst. Nur eine Frau widerspricht: „Ich glaube, wenn die AfD hier mal regieren sollte, dann werdet ihr euch umgucken. Das wird nicht so sein, wie ihr euch das denkt.“
Dass ihnen viele Menschen im Ort nicht freundlich gesinnt sind, wissen die Bewohnerinnen und Bewohner in der nahegelegenen Geflüchtetenunterkunft. „Jedes Mal, wenn ich eine Versammlung am Anger sehe, denke ich mir: Ich hoffe, das sind nicht die, die wollen, dass wir gehen. Ich hoffe, das sind keine, die gegen Geflüchtete sind“, sagt Seba. Die junge Frau aus Syrien ist schon lange auf der Flucht. Unter Tränen erzählt sie, dass sie sich einfach nur ein Zuhause wünsche. „Ich werde lernen, ich werde arbeiten, ich werde Steuern zahlen. Und ich wünschte, sie wüssten das.“
Leben in Deutschland für Geflüchtete „echt traurig und herzzerreißend“
Auch Igosa aus Nigeria träumt davon, hier zu bleiben. Er will Softwareentwickler werden. „Ich hoffe nur, dass mir Deutschland eine Chance gibt“, sagt er. „Es ist hart, wenn man jeden Tag rausgeht und dann einfach nur spürt, dass sie nicht wollen, dass du in dem Land bist. Das ist irgendwie echt traurig und herzzerreißend.“
Ein klares Fazit kann die Reporterin am Ende ihrer zehntägigen Recherche nicht ziehen. „Alle in der Geflüchtetenunterkunft sind mir mit Respekt begegnet. Aber vielleicht hatte ich ja auch einfach nur Glück“, resümiert sie. Auch ihre Begegnungen außerhalb der Unterkunft kann sie nicht eindeutig einordnen: „Ich habe keine gefährlichen Nazi-Schläger getroffen, sondern Menschen, die ich gern hatte - aber deren politische Ansichten mir große Angst machen.“
Die Reportage „Y-Kollektiv: Ausländer kriminell, Ossis rassistisch?“ ist in der ARD Mediathek abrufbar. (tsch)