Yaenniver, Kontra K und die im März überraschend verstorbene AnNa. R, deren posthum veröffentlichtes letztes Album zu einem weiteren Plädoyer für mehr Liebe wird: Erfahren Sie hier, was neu, wichtig und hörenswert ist in der Welt der Musik.
AnNa R. singt ein letztes Mal vom Leben und der LiebeDas sind die Musik-Highlights der Woche

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AnNa R. verstarb im März völlig überraschend, die ehemalige Rosenstolz-Sängerin wurde nur 55 Jahre alt. Jetzt erscheint posthum das neue Soloalbum „Mut zur Liebe“. (Bild: Ariola/Sony Music)
Mit Rosentolz sang AnNa R. sich in die Herzen von Millionen, Hits wie „Liebe ist alles“ und „Ich bin ich (wir sind wir)“ werden im kollektiven deutschen Pop-Gedächtnis noch lange nachhallen. Jetzt kommen da noch ein paar besondere, neue Melodien: Gut ein halbes Jahr nach dem überraschenden Tod von AnNa R. erscheint posthum ein Album mit Songs, an denen sie zuletzt noch arbeitete. Neues und Hörenswertes gibt es außerdem von Jennifer Weist alias Yaenniver und Kontra K.
AnNa R. - Mut zur Liebe

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Eine wütende Frau: Jennifer Weist alias Yaenniver nennt ihr zweites Soloalbum „Angry Woman“. (Bild: Viktor Schanz)
„Und ich denke daran, wie schön es sein kann, am Leben zu sein ...“ - Man sollte wohl zurückhaltend sein, wenn es um die Deutung solcher Zeilen geht (in dem Fall aus dem Song „Zwanzig nach vier“). Bloß nicht zu viel hineininterpretieren. Aber eines gewissen kurzen Schauderns kann man sich kaum erwehren. Und natürlich sind es genau diese Momente auf „Mut zur Liebe“, dem letzten Album von AnNa R., nach denen die Hörerschaft in den nächsten Tagen und Wochen verstärkt suchen wird.
AnNa R., die mit dem Bandprojekt Rosenstolz vor allem in den 2000-ern riesige Erfolge feierte (“Ich bin ich (wir sind wir)“), starb im März 2025 im Alter von 55 Jahren. Ihr Tod kam „unerwartet“, viele Details sind auch ein halbes Jahr später nicht bekannt, es soll wohl eine nicht genauer benannte Erkrankung gegeben haben. In jedem Fall hatte AnNa R. noch sehr konkrete Pläne. Im Herbst 2025 sollte es eine Tour geben. Zudem arbeitete AnNa R. zuletzt an einem neuen Album, das jetzt posthum unter dem Titel „Mut zur Liebe“ veröffentlicht wird.
Die Liebe und das Leben waren immer schon zentrale Themen in den Liedern von AnNa R., sowohl bei Rosenstolz als auch bei der Nachfolgeband Gleis 8 (ab 2013) und in ihrer Soloarbeit. Um die Liebe und das Leben geht es jetzt auch noch einmal auf diesen zehn vermeintlich letzten Songs der Ausnahmekünstlerin mit der großen Stimme und einem noch größeren Herzen. Es geht um Sehnsüchte, Mut, Schmerz, Aufbruch - das ganze Gefühlskarussell eben und „wie schön“ das alles sein kann ...
Kontra K - Augen träumen Herzen sehen

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Auf dem Weg zur nächsten Nummer eins? Kontra K gibt sich auch auf „Augen träumen Herzen sehen“ als harter Kerl, will gleichzeitig aber auch ein „gutes Vorbild“ sein. (Bild: Niculai Constantinescu)
„Gutes Vorbild“, das Label kann man nur wenigen Deutschrappern ohne Vorbehalte anheften. Andersherum würden es womöglich auch nur wenige Rapper gerne annehmen in einer Szene, in der „gute Vorbilder“ nach wie vor nicht als besonders cool gelten. Kontra K allerdings hätte wohl kein Problem damit. Früher mit dem Image des gnadenlosen Streetfighters unterwegs, hat der Berliner sich inzwischen zum musikalischen Motivationscoach gewandelt. Disziplin, Durchhaltevermögen, immer wieder Aufstehen nach dem Niederschlag! Nach zuletzt acht Nummer-eins-Alben in Folge veröffentlicht Kontra K jetzt „Augen träumen Herzen sehen“ - mit einigem Gefluche zwar, aber auch wieder mit mancher sehr vertretbaren Botschaft.
Kontra K, das ist natürlich immer noch ein ziemlich harter Kerl. Tätowiert, austrainiert, sieht gefährlich aus. Auf dem Cover zu seinem neuen Album posiert er mit einem riesigen, Zähne fletschenden Hund. Aber wer genauer hinsieht, entdeckt da auch ein süßes, flauschiges kleines Lamm auf seinem Arm. „Eine Welt, in der Gegensätze aufeinandertreffen und verschmelzen“, heißt es in einer Ankündigung zu „Augen träumen Herzen sehen“.
Um Fragen der „Street Credibility“ muss Kontra K sich inzwischen keine Sorgen mehr machen, dafür ist er längst zu groß und zu erfolgreich. Das bringt auch Freiheiten: etwa die, einen Song mit der Goth-Pop-Band Unheilig aufzunehmen, zwischendurch mit Stilen wie Country und Rock zu spielen und neben seiner Kämpfermentalität immer wieder auch seine weiche, verletzliche und vernünftige Seite zu zeigen. Es gäbe da draußen noch manche offene Rechnung zu begleichen, lässt er in „Kampfgeist 6“ wissen. Und belässt es wohlwollend dabei - dann „war ich wenigstens ein gutes Vorbild für meine Kinder“.
Yaenniver - Angry Woman
Frauen und Männer: Da gibt's ja immer wieder „Probleme“. Manche sind gewiss auch noch viel mehr als nur das. Man kann darüber reden. Oder laut schreien, so wie Jennifer Weist. Als Frau in der Welt und speziell auch als Frau im Showgeschäft hat die frühere Jennifer-Rostock-Sängerin zur Genüge ihre Beobachtungen und Erfahrungen gemacht. Und sie hat ihre Stimme als Musikerin, Autorin (neues Buch „Nackt - Mein Leben zwischen den Zeilen“), Künstlerin und Businessfrau immer wieder genutzt, um deutlich zu sagen, was ihr nicht passt. Jetzt präsentiert Weist als Yaenniver ihr zweites Soloalbum, und auch auf „Angry Woman“ hat sie wieder richtig „Bock zu streiten“.
Nicht zu sensibel oder zu empfindlich, nicht menstruierend und hysterisch, sondern einfach stinksauer: Mit dem ersten Track dieses immer wieder sehr scharfkantigen Albums zeigt Yaenniver bereits deutlich an, wo die Reise hingeht. „Angry Women“ (Plural) heißt der Song mit Featuregast Eunique, nicht „Angry Woman“ wie das Album. Solidarität unter Frauen ist ein großes Thema für Weist, auch wenn sie im weiteren Verlauf nach „neuen Männern“ ruft (eine Hommage an Ina Deter, allerdings weniger diplomatisch als im NDW-Klassiker von 1982). „Schon viel zu lang steht es nur an jeder Wand / Jetzt reißen wir sie ein, Hand in Hand“.
Musikalisch bespielt Yaenniver wie schon auf dem Vorgängeralbum „Nackt“ (2022) ein breites Feld zwischen HipHop, Dance-Pop und brachialem Rock - ein durchgehend spannender Mix. Die Inhalte stehen aber doch klar im Vordergrund. Es geht nicht nur darum, welche Schweinereien Männer sich immer wieder leisten - Weist singt zwischendurch auch von „goldenen Zeiten“ (mit Erinnerungen an Jennifer Rostock), Selbstrespekt und Selbstbefriedigung. Aber auch im Abschlusstrack sind sie wieder da, die wütenden Frauen, die sich von den Männern nichts mehr gefallen lassen wollen: „Keine Angst, wir hassen garantiert nicht jeden Mann / Aber wenn sich hier nichts ändert irgendwann / Dann zünden wir den ganzen Laden an“. (tsch)