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60 Jahre im ShowgeschäftAchim Reichel: „Ich lass’ mich von Kohle nicht verbiegen!“

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Hat sich gut gehalten: Achim Reichel meditiert und macht die eine oder andere Ayurveda-Kur. Ihm geht es dabei nicht um die eigene Optik, sondern darum fit in Körper und Hirn zu bleiben.

Köln – Die Zahl ist gigantisch: Seit 60 Jahren ist Achim Reichel (76) im Showgeschäft. 1960 gründete er die „Rattles“, die mit „The Witch“ ihren größten Hit hatten. Die Band ging mit den Stones auf Tour, trat neben den Beatles im Star-Club auf. Nach dem Ausstieg entwickelte sich Reichel zum vielseitigsten Musiker Deutschlands.

Er vertonte moderne Lyrik und alte Gedichte, sang Shantys, landete mit „Moscow“ einen Pop-Welthit. Wir haben ihn getroffen – und da unser Reporter Reichel vor 38 Jahren das erste Mal interviewte, wurde auch geduzt.

Achim, dein Vater ist ganz früh gestorben, was bedeutete das für dich? Achim Reichel: Der fuhr zur See, war viel unterwegs, aber das war schon heftig, vor allem für meine Mutter. Meine zwei Töchter meinten übrigens, da ich quasi ohne Vater aufgewachsen sei, hätte ich in der Rolle gewisse Defizite. Ich dachte erst: Was wollen die denn? Aber wenn ich ehrlich bin, erachte ich mich nicht als sehr talentierten Vater – obwohl ich jetzt sogar Opa bin.

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Wir müssen natürlich über die 60er Jahre reden. Der größte Rattles-Erfolg, „The Witch“, kommt in deiner neuen Autobiografie „Ich hab das Paradies gesehen“ gar nicht vor. Wieso? Den hat unser Bass-Mann Herbert Hildebrandt geschrieben. Da habe ich also gar keine Aktien drin. Es gab innerhalb der Band Spannungen, weil ich für die anderen zu sehr Frontmann war. Die Presse hatte immer den blonden Achim am Wickel.

Ein anderer Song, „Moscow“, ist heute noch ein Kracher bei Oldie-Partys... Ja, den habe ich wenigstens komponiert.

Und dann kam als Produzent James Last ins Studio... Richtig. Wir dachten: Was will der denn hier? Aber Hansi hat daraus den großen Hit gemacht. Er hat z. B. vorgeschlagen, am Anfang Balalaikas spielen zu lassen. „Hat der sie noch alle?“, dachten wir. Dann hatte er auch noch einen Kosaken-Chor engagiert. James Last war eben ein unfassbar musikalischer Mensch.

Du bist 76 Jahre alt. Manche Weggefährten sind schon tot. Wie gehst du damit um? Als Frank Dostal, der „Moscow“ gesungen hat und mit dem ich später ein Label hatte, 2017 starb, dachte ich, das Blut in den Adern wird kalt. Ich glaube fest daran, dass manche Menschen wissen, dass sie sterben werden. Musikjournalist Jörg Gülden kam 2009 auf mich zu und meinte, wir müssten ein Buch über mich schreiben, das dulde keinen Aufschub. Und eine Woche später war Jörg tot. Da kommt man schon ans Nachdenken.

Du hast 1962 John Lennon erlebt, wie er im Hamburger Star-Club mit Klobrille auf dem Kopf den Hitler-Gruß machte und das auch noch lustig fand. Bekommt man dadurch einen anderen Blick auf sogenannte Weltstars? Auch die kochen alle nur mit Wasser. Man muss erst einmal klarkommen mit der Medienwelt. Denn wenn ständig über einen berichtet wird, gerät man schon in die Gefahr, sich für etwas Besonderes zu halten. Weltruhm kann dir mächtig auf den Keks gehen. Deshalb war immer mein Motto: Du lässt dich für die verdammte Kohle nicht verbiegen, du willst auch mal was Neues ausprobieren.

Zum Beispiel Blues mit deutschen Texten von Jörg Fauser, Gedichte von Theodor Fontane und Theodor Storm als Rock-Balladen, Shantys auf Speed – wie fand’s die Plattenfirma? Die hat gesagt: Beim Reichel weiß man nie, woran man ist, aber von Zeit zu Zeit trifft er ins Schwarze. Ich hab gedacht: Als deutscher Musiker englische Texte zu singen, ist so ein bisschen wie Urkundenfälschung.

Warum heißt das Buch „Ich hab das Paradies gesehen“? Wenn man im Leben mehr als einmal das Glück hatte, den Richtigen zu treffen oder so eine Rosine im Kopp zu haben, mit der man landen kann, dann denkt man schon: „Hey, du bist ein Glückspilz“.

Den Glückspilz scheint man in Köln besonders zu mögen, wie dein Konzert letztes Jahr im „Gloria“ zeigte... War das ein heißer Laden! Und ein geiler Abend! Ich habe alle Konzerte der Tour mitgeschnitten, als ich mir den Kölner Auftritte angesehen habe, dachte ich: Mein Gott, das war ja eine Affenstimmung – unglaublich!

Zum Glück gehört auch deine zweite Ehe mit Heidi, mit der du seit 1978 verheiratet bist... Ich habe schon früh realisiert, dass dieses haltlose Rummachen zu sehr ernüchternden Situationen führt, wenn man am nächsten Morgen aufwacht und denkt: Was ist denn hier los? Nee, lass man gut sein.

Als du etwa zeitgleich mit Udo Lindenberg anfingst, deutsche Texte zu singen, wart ihr quasi Exoten. Warum? Wir sind, was populäre Musik angeht, ein sehr verunsichertes Land. Lange galt die Devise: Schlager, heile Welt, und alles muss irgendwie lustig sein. Aber dass Menschen auch mal den Blues haben und traurig sind, das wurde in der Musik nicht ausgedrückt.

Du bist 76 – gut gehalten, oder? Danke fürs Kompliment. Ich glaub’s ja manchmal selbst nicht. Weniger wegen des Aussehens, sondern dass ich noch so gut alles beieinander habe. Das weiß ich schon sehr zu schätzen. Ein Grund könnte sein, dass ich schon seit Jahren TM-Meditationen mache und ab und an eine Ayurveda-Kur einlege.

Wenn du das Paradies schon gesehen hast, was kommt dann? Das Leben selbst ist für mich die höchste Instanz. Die Nummer mit dem lieben Gott haben sich Menschen ausgedacht. Ich kann noch nachvollziehen, dass man Gene oder Talent vererbt bekommen hat. Aber ob es eine Seele gibt, die weiterexistiert? Weiß nicht. Ehrlich gesagt: Ich bin vom Leben genug beschenkt worden. Das reicht mir.

Achim Reichel: Die Bundeswehr kam dazwischen

Achim Reichel wurde am 28. Januar 1944 in Wentorf bei Hamburg geboren. 1960 gründete er die Band The Rattles, die neben The Lords zu einer der erfolgreichsten deutschen Beat-Bands wurde.

1966 wurde Reichel zur Bundeswehr eingezogen, was seiner Karriere mit den Rattles ein Ende bereitete, später machte er solo und mit anderen Projekten weiter, landete 1991 mit dem Shanty „Aloha Heja He“ einen Riesen-Hit. Ab und an betätigt sich Reichel neben der Musik auch als Schauspieler und Synchronsprecher. Er lebt in Hamburg.