Chaos im US-KongressPlötzlich tauchen verdächtige Eimer und Tüten auf – danach kommt es zum Drama

Die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez lacht im Repräsentantenhaus, nachdem es dem neuen Kongress nicht gelungen ist, einen Sprecher zu wählen. Die hält sich die Hand vor den Mund.

Sie kann sich das Lachen nicht verkneifen: Die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez im Repräsentantenhaus, nachdem es dem neuen Kongress nicht gelungen ist, einen Sprecher zu wählen.

Was für ein politischer Krimi in den USA: Während sich die Republikaner im neuen US-Kongress selbst demontieren, genießen die Demokraten die Show mit einer hämischen Aktion. Auf Twitter präsentieren sie, wie sie sich auf die spannende „Aufführung“ auf dem Capitol Hill vorbereitet haben.

von Martin Gätke (mg)

Ein Hollywood-Thriller hätte diese Szenen im US-Repräsentantenhaus nicht besser inszenieren können: Eigentlich sollten es die Republikaner seien, die jubeln und sich freuen. Schließlich sind sie es, die den Kongress nach den Midterms im vergangenen Jahr zurückerobert hatten. Doch die Partei ist tief gespalten – wie tief, zeigte sich am Dienstag im Kapitol. 

Dort kam es im Plenarsaal zu spektakulären Szenen zwischen den republikanischen Parlamentariern. Sie zerfleischten sich in aller Öffentlichkeit selbst. Die Demokraten indes genossen diese Show – auf ihre ganz eigene Art und Weise, wie sie auf Twitter zeigten.

Chaos im US-Kongress: Republikaner zerfleischen sich selbst

Eigentlich sollten sich die Republikaner dringend auf die US-Wahl 2024 vorbereiten – und darauf, wie sie Joe Biden aus dem Weißen Haus bekommen. Doch stattdessen zerlegt sich die GOP selbst, der Kongress versinkt im Chaos schon beim ersten Tagesordnungspunkt.

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Der sah vor, dass der Republikaner Kevin McCarthy als „Speaker“ antreten wollte, um die Sprecherin Nancy Pelosi abzulösen. Die ist noch einmal ganz in Pink hinter das Pult getreten und hat mit einem Hammerschlag ihre eigene Amtszeit verabschiedet. Nachdem sie unter Jubel (auch von vielen Republikanern) auf einen der hinteren Plätze verschwand, sollte von den Republikanern ein neuer Sprecher gewählt werden. Doch was stattdessen folgte, ist eine historische Sensation. 

Kevin McCarthy (l.) wirkt völlig versteinert, als er eine Schlappe realisiert. er beißt auf seine Unterlippe.

Kevin McCarthy (l.) wirkt völlig versteinert, als er eine Schlappe realisiert. 

Der rechte Flügel der Partei sabotierte die Wahl: In insgesamt drei Wahlgängen schaffte es der Fraktionschef Kevin McCarthy nicht, zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses gewählt zu werden. Eine Schlappe, sie so zuletzt vor hundert Jahren passierte. Nach langen fünfeinhalb Stunden musste die Sitzung vertagt werden auf Mittwoch. Eine Show, die von auch der anderen Seite, den Demokraten, mit Freude erwartet wurde. Man ahnte wohl, was an diesem Tag passieren würde. 

Eine Zuschauerin schläft, während das Repräsentantenhaus am ersten Tag des 118. Kongresses die Wahl zum Sprecher durchführt.

Eine Zuschauerin schläft, während das Repräsentantenhaus am ersten Tag des 118. Kongresses die Wahl zum Sprecher durchführt.

Bevor es losging, haben viele Abgeordnete ihre Familie mit ins Kapitol gebracht, die Kinder besuchen den Arbeitsplatz ihrer Eltern. Der Demokrat Joaquín Castro etwa trägt seine acht Monate alte Tochter durch den Plenarsaal, es wird fotografiert und gelacht.

Und viele Demokraten haben sich vorab gut vorbereitet auf die Aufführung, die da kommen mag: Sie zeigten sich auch auf Twitter demonstrativ mit Tüten und Eimern voller Popcorn. Die Abgeordnete Robin Kelly zeigte sich mit Vorfreude und einer Tüte in der Hand, ebenso Jan Schakowksy, die allen einen „glücklichen ersten Tag des 118. Kongresses“ wünschte.

Der Abgeordnete Rubnen Gallego zeigte einen besonders großen Popcorn-Eimer: „Wir naschen unser Popcorn, bis sich die Republikaner zusammenreißen“.

Im Plenarsaal ist Essen eigentlich nicht erlaubt, aber in den Garderoben und Zimmern der Abgeordneten. Dort wird der Tag wie ein Kino-Abend gefeiert. Die Demokraten freuen sich sichtlich über das Drama, jemand ruft: „Let the show begin!“, bevor es losgeht.

USA: McCarthy-Schlappe zeigt, wie gespalten Republikaner sind

Die Republikaner hingegen wirken eher versteinert an dem Tag. McCarthy, nach dem Wahlfiasko gedemütigt, sitzt steif auf seinem Sitz, die Beine fest umklammernd. Einmal mehr wird klar, wie desolat der Zustand seiner Partei ist. Donald Trump hat sie tief gespalten, seine rechten Hardliner scheinen selbst für führende Köpfe der Republikaner unkontrollierbar. 

McCarthy darf sich nur vier Abweichler leisten bei der Wahl, denn die Republikaner haben eine knappe Mehrheit. Doch eine kleine Gruppe ultrakonservativer Abgeordneter hatte bereits vor der Wahl angekündigt, den Kalifornier nicht zu wählen. Es stimmten zweimal 19 und im vorerst letzten Wahlgang sogar 20 Republikaner nicht für ihren Fraktionsführer.

Rädelsführer ist einer der härtesten Gegner McCarthys, der Parlamentarier Matt Gaetz. Er wütete bereits vor der Wahl: „Wenn Sie den Sumpf entwässern wollen, können Sie nicht den größten Alligator mit der Übung beauftragen.“ Das Amt des Sprechers des Repräsentantenhauses werde von Kevin McCarthy „belagert“. Der sei nicht der Sprecher, sein wirklicher Wahlkreis seien vielmehr die Lobbyisten.