Ukraine-KriegSelenskyj redet EU-Staatschefs mit einer einfachen Frage ins Gewissen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (hier am 29.5. in Charkiw) hat sich mit einer eindringlichen Rede an die EU gewandt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (hier am 29.5. in Charkiw) hat sich mit einer eindringlichen Rede an die EU gewandt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat beim EU-Sondergipfel an die Staats- und Regierungschefs appelliert. Selenskyj übte auch deutliche Kritik, er vermisse die notwendige Einigkeit in der EU.

von Yuliia Dysa (yd)

Wolodymyr Selensky hat sich erneut mit einer Rede an die EU gewandt. Der ukrainische Staatschef war dabei präzise wie immer – und gleichzeitig wie noch nie zuvor. Denn er stellte die Einigkeit der EU mit einer einfachen Frage in Zweifel.

„Russland will bei diesen Treffen keinen vereinten Europäischen Rat sehen, den wir jetzt gesehen haben, und keine vereinte EU, sondern 27 einzelne Staaten, 27 Fragmente, die man nicht auf einen Haufen sammeln kann. Das ist die Politik des Aggressors“, - glaubt der ukrainische Präsident.

Und darüber lässt sich kaum streiten. Vor allem mit zwei Monaten erfolglosen Versuchens, sich auf ein Ölembargo zu einigen – insbesondere, aber nicht nur dank Ungarn, das immer neue Verhandlungsbedingungen bringt, und Deutschland, das Berichten zufolge die Militärhilfe in den letzten zwei Monaten auf ein Minimum reduziert hat. „Interne Streitigkeiten ermutigen Russland nur, Druck auf die EU auszuüben“, betont Selenskyj.

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Ukraine-Krieg: Selenskyj warnt vor Putins wachsender Aggression

Der Präsident lenkt die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Daten, die eine wachsende Aggression Russlands in Monaten nach der Annahme des letzten Pakets der EU-Sanktionen zeigen. Denn während neue Beschränkungen immer noch nicht vereinbart sind, tötet Russland weiterhin Kinder und zerstört ukrainische Städte.

„Man ist auf Russland angewiesen, nicht umgekehrt“, stellt Selenskyj fest und stellt offensichtliche und schmerzhafte Fragen. Warum kooperieren Banken mit dem russischen System? Warum verdient Moskau weiterhin am Export von Energieressourcen nach Europa? Warum haben russische Propagandakanäle immer noch ihre Stimme innerhalb der EU? „Bei jeder dieser Fragen geht es nicht um den Krieg in der Ukraine, es geht um uns – um Europa“, so der ukrainische Präsident weiter.

Russland ist ein geschickter Erpresser, und jetzt entscheidet es sich, mit einer Nahrungsmittelkrise zu drohen, die eigentlich von Moskau selbst provoziert wurde. Selenskyj sieht darin zu Recht „einen bewussten Schlag gegen die europäische Gesellschaft“. Wie es jeder mit klarem Verstand tun sollte.

Ukraine-Krieg: Selenskyj fordert EU-Staaten zu mehr Mut auf

Der ukrainische Präsident ruft nicht nur zur Einigkeit auf, sondern auch zum Mut, Entscheidungen zu treffen und wahrhaft europäische Werte zu verteidigen, die einzelne Politiker innerhalb der EU anscheinend bereit sind, auf einige illusorische Garantien und Stabilität in der Wirtschaft zu verzichten, die am Ende des Tages Russland sowieso unterminieren wird – so wie jetzt. „Wir brauchen den Frieden, um unabhängig und nicht von Moskaus Kabinetten abhängig zu sein“, sagt Selenskyj.

Während Russland auf politisches Chaos setzt, muss Europa seine Stärke zeigen. „Es ist an der Zeit, nicht Fragmente zu sein, sondern ein Ganzes“, ermahnt Selenskyj. Und ja: Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt deutlich – es gibt einfach keine andere Chance, es zu tun.