Krieg in der HeimatDeutscher will Ukrainerin im Bus Geschenk machen: „Ich konnte es einfach nicht“

Ein Ukrainer steigt aus einem Sonderzug, der in Cottbus ankommt, ein Drehkreuz für die Verteilung von Flüchtlingen. Vielen fällt es psychologisch schwer, finanzielle Hilfen anzunehmen.

Ein Ukrainer steigt aus einem Sonderzug, der in Cottbus ankommt, ein Drehkreuz für die Verteilung von Flüchtlingen. Vielen fällt es psychologisch schwer, finanzielle Hilfen anzunehmen.

Unsere ukrainische Kollegin, die Journalistin Yuliia Dysa, schreibt in einer regelmäßigen Kolumne über ihre ganz persönlichen Gedanken und Gefühle während des schrecklichen Krieges in ihrer Heimat sowie über das Leben ukrainischer Geflüchteter.

von Yuliia Dysa (yd)

„Ich bin mit dem Bus gefahren, als ein Mann uns zugehört hat. Er hat uns gefragt, ob wir aus der Ukraine kommen. Als Nächstes sah ich, dass er 50 Euro aus seiner Handtasche genommen hat und darauf bestanden hat, dass ich sie nehmen soll. Ich konnte es einfach nicht.“ Das erzählte mir kürzlich eine in Köln lebende Ukrainerin, während wir über ein Interview sprechen. Sie fügte noch hinzu: „Ich hoffe, er hat es nicht als Beleidigung aufgefasst.“

Als Flüchtlinge können wir nicht anders, als zu wiederholen, wie glücklich wir sind, hier in Europa. Über all jene, die uns helfen, die Herausforderungen zu meistern, der Obdachlosigkeit und der vielen finanziellen Probleme zu begegnen. Und – ganz ehrlich – unsere Dankbarkeit kennt keine Grenzen. 

Ukraine: „Ich wünschte, man wüsste, wie schwer es uns fällt, finanzielle Hilfe anzunehmen“

Aber ich wünschte, man wüsste, wie schwer es uns psychologisch fällt, finanzielle Hilfe anzunehmen. 

Die Sache ist folgende: Für einen unabhängigen, unternehmungsfreudigen Menschen, der sein ganzes Leben lang aus jeder Situation einen Ausweg gefunden hat – und das sind die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer – ist diese Flüchtlingsrealität einfach ein Schlag in die Magengrube, ein Schlag für die Psyche.

Aufgrund der aktuellen Umstände schienen sich viele von uns in völliger Abhängigkeit zu befinden, egal von wem: Freiwillige, Sozialdienste, Jobcenter, Bekannte und so weiter. Doch es schmerzt nicht weniger – obwohl wir alle wissen, dass das normalerweise so funktioniert (und in solchen Fällen auch funktionieren sollte).


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Auf der anderen Seite ist es das Verständnis, dass es anderswo immer einen anderen Ukrainer oder eine andere Ukrainerin in einer viel schlimmeren Situation gibt als hier in Deutschland – unter russischer Besatzung, ohne Wasser, versteckt in einem Keller, während der Raketenalarm heult. Oder einfach in einem Land, in dem die finanzielle Unterstützung weniger stabil ist und nicht so hoch wie in Deutschland. 

Das wiederum führt zwangsläufig zu einer weiteren Frage: Habe ich moralisch gesehen das Recht, diese Hilfe anzunehmen, während viele dieser Menschen oft nicht einmal den Zugang dazu haben?

Daher bin ich überhaupt nicht überrascht, Geschichten über ukrainische Flüchtlinge zu hören, die einen Teil ihrer sozialen Hilfe weitergeben. An Freiwillige, die sich um andere kümmern, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, oder, um der Armee zu helfen. Denn: Das ist, was wir sind. Das sind wir. Deshalb finden wir immer einen Ausweg.