„Der Mord wird katastrophale Folgen haben“Wagner-Gruppe schwört „Rache“ – und will Kreml stürmen

Auf diesem Archivfoto steht Jewgeni Prigoschin (Mitte) mit einer russischen Nationalfahne inmitten seiner Söldner. Die Wut bei der Wagner-Gruppe nach dem mutmaßlichen Tod ihres Anführers ist groß.

Auf diesem Archivfoto steht Jewgeni Prigoschin (Mitte) mit einer russischen Nationalfahne inmitten seiner Söldner. Die Wut bei der Wagner-Gruppe nach dem mutmaßlichen Tod ihres Anführers ist groß.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin soll bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein. Noch immer herrscht jede Menge Unklarheit, viele Spekulationen sind im Umlauf. Der Kreml schweigt, Militärblogger schreiben von Mord. Und Wagner selbst schwört auf Telegram „Rache“.

von Martin Gätke (mg)

Die „Enthauptung“ Wagners ging schneller vonstatten als von vielen Fachleuten erwartet: Jewgeni Prigoschin wurde nach dem Flugzeugabsturz nahe der russischen Hauptstadt von seiner Anhängerschaft für tot erklärt. Der Telegram-Kanal „Grey Zone“  selbst, Prigoschins Sprachrohr und Hauptkanal zur Verbreitung seiner Videos, meldete am Mittwochabend den Tod des Söldner-Chefs.

Unter den Toten soll sich auch Dmitri Utkin befunden haben, der 2014 die Wagner-Gruppe mitgegründet haben soll. Viele Fragen rund um den Absturz und den mutmaßlichen Tod der Wagner-Führungsriege sind noch offen, eindeutige Belege gibt es noch nicht. Doch auf Telegram sind die Hauptverdächtigen schnell gefunden.

Russland: Wut bei Wagner und Militärbloggern ist groß

Dort schwören Mitglieder von Wagner „Rache“. Laut dem Telegramkanal „Mozhem Obyasnit“, der von der Organisation der vom im Exil lebenden Geschäftsmann Michail Chodorkowski betrieben wird, wurden auf einschlägigen Wagner-Kanälen zahlreiche Drohungen in Richtung Putin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu ausgesprochen.

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Man wolle den Kreml stürmen, sollte der Tod Prigoschins offiziell bestätigt werden, heißt es. Putin wird offen beschuldigt, Prigoschin getötet zu haben, ein „zweiter Aufstand gegen den Kreml“ werde die Folge sein. 

„Wir sagen direkt, dass wir die von Putin angeführten Kremlbeamten eines Mordversuchs verdächtigen“, heißt es auf einem der Wagner-Kanäle. Und weiter: „Wenn sich die Informationen über Prigoschins Tod bestätigen, werden wir einen zweiten ‚Marsch der Gerechtigkeit‘ in Richtung Moskau organisieren! Er sollte besser am Leben sein, das liegt in Ihrem eigenen Interesse.“

Auf russischen Telegram-Kanälen kursierte ein weiteres Video von einer Gruppe von uniformierten und maskierten Männern, die sich als Wagner-Söldner ausgeben. „Im Moment wird viel darüber geredet, was die Wagner-Gruppe wohl tun wird. Eines können sicher sagen: Wir starten jetzt durch, machen Sie sich bereit.“ Vor dem einstigen Wagner-Zentrum in Sankt Petersburg wurden rote Nelken niedergelegt. 

Russland: „Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben“

Auch unter den bekannten russischen Militärbloggern ist die Wut groß. „Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben“, erklärt der Militärjournalist Roman Saponkow auf Telegram. „Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral.“ Denn Prigoschin war beliebt bei großen Teilen der Armee, weil er Missstände offen angesprochen hatte. Und seine Söldner aus ihrer Sicht Erfolge feiern konnten, vor allem rund um die Einnahme Bachmuts. 

Ein Mann legt an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen PMC-Wagner-Zentrum Blumen nieder.

Ein Mann legt an der informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen PMC-Wagner-Zentrum in St. Petersburg Blumen nieder. 

Wie Wagner genau reagieren wird, bleibt unklar. Zwar wird auf Telegram Rache und Vergeltung geschworen. Allerdings ist die Gruppe derzeit nicht nur kopflos. Sondern die Kämpfer mussten auch in den letzten Monaten ihr schweres Gerät und ihre Waffen abgeben, sodass sie aktuell schwächer dastehen dürften als es noch vor Prigoschins Meuterei-Versuch der Fall war. 

Auch Russland-Experte Gerhard Mangott (Universität Innsbruck) erklärte jüngst gegenüber n-tv: „Einzelaktionen kann es geben, aber für eine massive Racheaktion fehlt Wagner die Stärke.“ Es gebe zu dem aktuell niemanden, der Prigoschins Nachfolge antreten könnte.

Während der Kreml noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben hat, dementiert Kyjiw, in einen Anschlag verwickelt zu sein. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte, es sei offensichtlich, dass Putin niemandem für jene Angst vergeben werde, die ihm die Meuterei eingeflößt habe. Prigoschins Schicksal sei ein klares Signal an die russische Elite: Illoyalität werde mit dem Tod bestraft.