In ihren Ledermänteln schauen sie beide Seit an Seit einer Demonstration der nordkoreanischen Luftwaffe zu – am sogenannten „Tag der Flieger“. Einige Tage später beobachtet Kim Jong Un zusammen mit seiner Tochter den Test einer atomwaffenfähigen Interkontinentalrakete. Es sind die jüngsten beiden Auftritte des nordkoreanischen Führers und seines Nachwuchses.

Wo die Bilder entstanden sind, ist unklar. Denn unabhängige Journalistinnen und Journalisten haben keinen Zugang zu den Ereignissen. Die Fotos werden von Kims staatlicher Nachrichtenagentur veröffentlicht – und dass er sich zuletzt vermehrt mit seiner Tochter Kim Ju-ae zeigt, hat südkoreanischen Berichten zufolge einen guten Grund. 

Kim Jong Uns erstgeborenes Kind spielt keine Rolle

Bislang wurde Nordkorea ausschließlich von der männlichen Seite der Kim-Dynastie geführt, wobei Kim Jong Un selbst viele Jahre lang darauf vorbereitet wurde, die Nachfolge seines Vaters Kim Jong Il anzutreten. Der wiederum war der älteste Sohn des Gründers des Landes, Kim Il Sung.

Doch Kim Jong Uns erstgeborenes Kind, von dem südkoreanische Analystinnen und Analysten annehmen, dass es sich um einen Sohn im Alter von etwa 13 Jahren handelt, wurde nie öffentlich gezeigt oder anerkannt. Tochter Ju-ae aber wurde der breiten Öffentlichkeit bei einem Raketenstart im November 2022 vorgestellt – und tritt seitdem immer wieder an der Seite ihres Vaters in Erscheinung.

Bei vielen der bedeutendsten Anlässe ist sie aufgetreten, spielte eine prominente Rolle in der Berichterstattung der staatlichen Medien. Von Raketenstarts über Militärparaden bis hin zu Besuchen in Regierungseinrichtungen hat Ju-ae seit ihrem öffentlichen Debüt in etwas mehr als einem Jahr insgesamt 19 Auftritte absolviert.

Kim Jong Un zeigt sich immer öfter mit Tochter – ein klares Zeichen

Die Häufigkeit und Bedeutung dieser Auftritte sowie die Art und Weise, wie sie von den staatlich kontrollierten Medien als „geliebtes Kind“ oder „respektiertes Kind“ bezeichnet wird, lassen viele Fachleute zu der Annahme kommen, dass sie auf die Nachfolge von Kim vorbereitet wird.

Der südkoreanische Abgeordnete Yoo Sang-bum sagte im März nach einer Pressekonferenz des National Intelligence Service (NIS), dass der Geheimdienst der Ansicht sei, dass Kim, etwa 39 Jahre alt, noch zu jung und gesund sei, um überhaupt über Nachfolgepläne nachzudenken. Doch diese Ansicht wurde offenbar über Bord geworfen.

Anfang Dezember sagte NIS-Chef Cho Tae-yong, dass man in Seoul mittlerweile davon ausgeht, dass Kim Ju-ae Thronfolgerin sein könnte. Die Bilder in Pjöngjangs Staatsmedien seien „ein Hinweis darauf, dass der nordkoreanische Führer versucht, seinen Willen zur Nachfolge zu demonstrieren“, hieß es vom südkoreanischen Minister für Wiedervereinigung, Kim Yung-ho.

„Das bedeutet mit ziemlicher Sicherheit, dass sie eine Nachfolgerin ist“

Hyun In-ae, Professorin für Nordkorea-Studien an der Ewha Womans University in Südkorea, sagte gegenüber „Korea Times“, es sei schwierig für eine patriarchalische Gesellschaft wie der nordkoreanischen, dass sie Kims Tochter akzeptieren könnte. 

Nach dem erfolgreichen Start von Nordkoreas erstem Spionagesatelliten am 21. November wurde Kim Ju-ae in den Staatsmedien als „edles Kind“ bezeichnet und zu „General Morning Star“ hochgestuft.

„Viele fänden es seltsam, wenn Kim seine Tochter überallhin mitnehmen und bei Großveranstaltungen mit ihr auftauchen würde“, sagte die Professorin. „Alles, was ich jetzt sagen kann, ist, dass, wenn jemand als ‚General Morning Star‘ oder etwas Ähnliches vorgestellt wird, dies mit ziemlicher Sicherheit bedeutet, dass sie eine Nachfolgerin oder jemand mit einem ähnlichen Status ist.“