Endlich wichtige Durchbrüche im KriegExperte: „Scholz hat Angst davor, dass Ukraine gewinnt“

Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte, SPD) bei seinem Besuch im Sommer 2022 in der Ukraine. Auf dem Foto geht er an zerstörten Gebäuden in Irpin im Großraum Kyjiw vorbei.

Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte, SPD) bei seinem Besuch im Sommer 2022 in der Ukraine. Auf dem Foto geht er an zerstörten Gebäuden in Irpin im Großraum Kyjiw vorbei.

Die Kritik war groß an der Kriegsführung der Ukraine, nun kann die Armee wichtige Erfolge an der Saporischschja-Front bei Robotyne vermelden. Sie steht kurz davor, die erste russische Verteidigungslinie zu durchbrechen. Ein Experte ordnet die Entwicklung ein – und sagt, warum Biden und Scholz nicht an einem Putin interessiert sind, der verliert.

von Martin Gätke (mg)

Noch vor einer Woche stand die Führungsriege der ukrainischen Armee unter Druck: Der Nato-Militärchef, US-General Christopher Cavoli, und Admiral Sir Tony Radakin, einer der ranghöchsten Offiziere der britischen Armee, kamen zu einem Geheimtreffen mit dem ukrainischen Generalstabschef und seinem Team zusammen. Der Grund: Die Nato-Spitze kritisierte die Strategie der Ukraine, sie greife an zu vielen Orten gleichzeitig an.

Die Ukraine wiederum reagierte gereizt, erklärte, man wisse, wie der Krieg im eigenen Land zu führen sei. Generalstabschef Walerij Saluschnyj ließ durchblicken, dass ein Durchbruch bevorstehe, dass es Fortschritte gebe. Und nun scheint es so, als würde die Strategie der Ukraine tatsächlich aufgehen. 

Ukraine: Armee vermeldet wichtige Erfolge

An der Saporischschja-Front bei Robotyne vermeldet die Armee wichtige Erfolge: Die erste russische Verteidigungslinie sei durchbrochen, man befinde sich weiter auf dem Vormarsch. Robotyne selbst habe zurückerobert werden können.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Dass die Gegenoffensive dort tatsächlich Erfolg hatte, zeigt sich auch an Putins Reaktion: Neue Reserven wurden an die Front verlegt, darunter offenbar eine der besten russischen Armeeformationen. Kein Wunder: Die Landbrücke zwischen Russland und der von ihr annektierten Krym steht auf dem Spiel. 

Der Militär- und Russlandexperte Gustav Gressel analysiert gegenüber „T-Online“ diese Entwicklung: „Es ist kein Durchbruch auf breiter Front, sondern an einer Stelle südlich von Robotyne scheinen die ukrainischen Truppen eine Schneise geschlagen zu haben. Wenn sich das bewahrheitet, wird die Ukraine nun versuchen, diesen Durchbruch zu verbreitern.“

Dass Russland zwei Regimenter und eine Panzerbrigade nach Robotyne verlegt, bedeute aber auch, dass die Russen nicht einfach zuschauten. „Die nächsten Tage werden hart für die Ukraine, denn sie muss den Durchbruch gegen russische Gegenangriffe verteidigen.“ 

Die Ukraine meldet nach der Rückeroberung von Robotyne weitere Erfolge.

Die Ukraine meldet nach der Rückeroberung von Robotyne weitere Erfolge.

Es liege ein „hartes Stück Arbeit“ vor der Armee, um das Ziel der Gegenoffensive zu erreichen: das Erreichen des Asowschen Meere und das Kappen der Landverbindung zur Krym. Gressel ist überzeugt: Russland wird dagegenhalten, der Krieg wird ein längerer werden.

Hinzu kommen die massiven russischen Befestigungen: Tunnel, Schützengräben, riesige Minenfelder erschweren das Vorwärtskommen.

Doch gleichzeitig habe die Ukraine kaum Alternativen, schließlich wolle Putin nicht verhandeln. Er spiele „auf Sieg“, sagt Gressel „Die Strategie des russischen Präsidenten ist, dass er am Ende diesen Krieg länger durchhalten wird. Er geht davon aus, dass die westliche Unterstützung für die Ukraine wegbricht, wenn er das Kriegsende um Jahre hinauszögert.“

Experte zur Lage im Krieg: „Scholz hat Angst davor, dass Ukraine gewinnt“

Zwar sei es demoralisierend, wenn die Ukraine Territorium zurückgewinnt. „Aber das wäre letztlich egal, wenn die Unterstützung für die Ukraine aus dem Westen irgendwann einbrechen würde. Dann hätte Putin gewonnen.“ Ohne eine Niederlage der eigenen Armee würde der Präsident nicht verhandeln, die Ukraine würde wiederum nicht die Krym aufgeben. „Deswegen bleibt der Ukraine kaum eine andere Wahl, als weiterzukämpfen.“

Nimm hier an der Kriegsumfrage von EXPRESS.de teil:

Selenskyj selbst hat immer wieder klargemacht, dass die Befreiung des annektierten Gebiets alternativlos sei. Russland hatte die Krym 2014 annektiert. Auf Pläne der Ukraine, sich die Halbinsel zurückzuholen, reagierte Putin mit der Drohung, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um das zu verhindern.

„Biden und auch Kanzler Olaf Scholz haben Angst davor, dass die Ukraine gewinnt“, erklärt Gressel. Beide wollten einen Waffenstillstand und keine zu schnelle Niederlage Russlands. „Sie befürchten, dass Russland auseinanderfallen würde und jemand den Atomknopf drücken könnte. Ich halte diese Ängste allerdings für unbegründet.“