Vertrauliches Papier durchgesickertSo sieht jetzt die geheime Strategie von Baerbock aus

Annalena Baerbock (Grüne), hier im ägyptischen Scharm El Scheich beim UN-Klimagipfel Mitte November: Die Außenministerin will geschlossen gegenüber Peking auftreten. Nun ist ein vertrauliches Papier aus ihrem Ministerium aufgetaucht.

Annalena Baerbock (Grüne), hier im ägyptischen Scharm El Scheich beim UN-Klimagipfel Mitte November zusammen mit Frank Hartmann, dem deutschen Botschafter in Ägypten: Die Außenministerin will geschlossen gegenüber Peking auftreten. Nun ist ein vertrauliches Papier aus ihrem Ministerium aufgetaucht.

Wenn es um den Umgang mit China geht, spricht die Ampel nicht immer mit gleicher Sprache. Sie ist auf der Suche nach der richtigen Strategie, wird für ihre unabgestimmte Politik scharf kritisiert. Das soll sich ändern, wie laut Medienbericht ein internes Papier aus dem Außenministerium zeigt.

von Martin Gätke (mg)

Kanzler Olaf Scholz und seine Außenministerin Annalena Baerbock – nicht immer ziehen beide an einem Strang. Das wurde schon während Putins Angriffskrieg in der Ukraine klar: Baerbock setzte den Kanzler in der Panzerfrage unter Druck, drängte auf ihre Lieferung. Scholz lehnte das damals ab, wollte erst die Risiken abwägen. 

Sie war diejenige, die besonders schnell in die Ukraine reiste, sich als erstes Regierungsmitglied an der Seite ihres Amtskollegen Kuleba zeigte. Und für schnelle Waffenlieferungen plädierte. Scholz war mehr der nachdenkliche Staatsmann, der sich nicht treiben lassen wollte. 

Annalena Baerbock: Vertrauliches Papier durchgesickert

Doch nicht nur während des Kriegs in der Ukraine, auch im Umgang mit China scheint sich die Ampel in vielen Punkten uneins: Vor zwei Wochen machte sich Scholz nach Peking auf. Und bekam prompt – kurz vor seiner Reise – eine Forderung der Außenministerin vorgesetzt: Die deutsche Haltung müsse bei den Treffen deutlich werden, sagte sie, beispielsweise in Fragen der Menschenrechte. „Zankereien innerhalb der Regierung“, die „zum außenpolitischen Fremdschämen“ seien, stichelte Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul im Bundestag.

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Die Union vermisse eine klare, einheitliche China-Politik – und tatsächlich scheint man sich in der Ampel in vielen Fragen nicht ganz grün zu sein. Scholz drückte den Cosco-Deal im Hamburger Hafen durch, die chinesische Staatsreederei, die dort nun einsteigen darf – und das gegen den Willen von Grünen und FDP. 

Baerbock: Neue Chinastrategie soll Leitlinien vorgeben

Nun soll eine Chinastrategie die wichtigen Leitlinien vorgeben, wie der „Spiegel“ mit Verweis auf einen vertraulichen Entwurf des Auswärtigen Amtes berichtet. Und auch in diesem Papier scheinen Menschenrechte stärker im Fokus zu stehen als bisher – so wie es Baerbock zuvor gefordert hat. Die Menschenrechte seien „unteilbar, nicht relativierbar – weder kulturell noch religiös“, so wird aus dem Papier zitiert. Gleichzeitig findet auch klare Kritik an Peking Raum: von „massiven Menschenrechtsverletzungen“ in der Uigurenprovinz Xinjiang und in Tibet sei die Rede. Ebenso finde „die Lage in Hongkong“ Erwähnung.

Nicht nur das: Menschenrechte sollten demnach auch maßgeblich dafür sein, wie die Wirtschaftsbeziehungen in Zukunft aussehen. „Wirtschaftliche Entwicklung und Menschenrechte stehen nicht im Widerspruch zueinander“, heißt es. Auch mögliche Investitionen sollen wohl einer „vertieften Prüfung“ unterzogen werden, das soll Umweltkriterien betreffen, aber auch Sozialstandards, etwa um Zwangsarbeit zu vermeiden. Strenge Maßstäbe sollten bei Investitionsgarantien angelegt werden, die Rede ist von höchstens drei Milliarden Euro pro Unternehmen und Land. Sogar schärfere Sanktionen gegen China werden nicht ausgeschlossen.

Baerbock: China hat sich „faktisch an Russlands Seite“ gestellt

Für die Zukunft, so scheint es dem Papier nach, will Deutschland auch wirtschaftliche Abhängigkeiten verringern, „zügig und mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten“. Lieferketten sollen demnach diversifiziert, kritische Rohstoffe in Lagern vorgehalten werden. Schon länger betonten die Grünen, die extrem hohe Abhängigkeit von China zu verringern und sich damit weniger erpressbar zu machen. 

Ob sich Chinas Menschenrechtslage verbessert, wenn sich Europa abschottet? Das bleibt fraglich. Wer das glaubt, sei auf dem Holzweg, kritisierte Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali noch vor kurzem. Und gleichzeitig ist da die derzeitige harte wirtschaftliche Lage in Europa – da birgt ein Abkoppeln von China durchaus Risiken. 

China: wichtiger Partner, aber auch Rivale

Auch Chinas Beziehung zu Russland ist Teil der neuen Strategie. Im Krieg gegen die Ukraine habe sich China „faktisch an Russlands Seite“ gestellt. Die zukünftige Zusammenarbeit Deutschlands und der EU mit der Volksrepublik hänge nun davon ab, wie es sein Verhältnis zu Russland ausgestalte.

China bleibe weiterhin wichtiger Partner, gleichzeitig hält man im Außenministerium fest, dass es auch Wettbewerber und systemischer Rivale ist. Die beiden letzteren Punkte gewännen „zunehmend an Gewicht“.

Nicht nur Deutschland und Europa sehen Risiken in Chinas Aufstieg, auch Nato-Partner USA sieht in Pekings Strategie eine Gefahr für die derzeitige internationale Weltordnung. Diesen Aufstieg müsse man „eindämmen“. Die zunehmend aggressive Außenpolitik wurde im Sommer offensichtlich, als Chinas Konflikt mit Taiwan zu eskalieren drohte.