Bedrohung durch TropenkrankheitenChikungunya & Co.: Gefährliche Souvenirs

Unter einem Warnschild sind die Aufschriften Zika, Dengue und Chikungunya zu lesen.

Ein symbolhaftes Schild warnt vor Krankheiten, die durch die Tigermücke übertragen werden. Aedes albopictus (so der lateinische Name der Tigermücke) ist durch ihre charakteristische Färbung gut von heimischen Stechmücken (Culex pipiens) zu unterscheiden. Sie ist außerdem mit drei bis acht Millimetern Körpergröße kleiner als die Culex-Mücke. Ursprünglich beheimatet in den süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen breitet sie sich, eingeschleppt durch Reisende und Warenverkehr, seit den 1990er-Jahren in Europa aus. Ihr Stich ist an sich nicht gefährlich – kann aber Dengue, Chikungunya oder Zika übertragen. Sie ist hauptsächlich in den Morgen- und Abendstunden aktiv. Ihr Stechverhalten gilt als aggressiv.

Immer mehr Tropenkrankheiten finden in Europa eine neue Heimat. Im Moment gefürchtet: das von der Tigermücke übertragene Chikungunya-Virus.

von Laura Schmidl

Chiko… was? „Chikungunya“ bedeutet übersetzt aus der Sprache der Makonde, einem Volk aus Tansania, „der gekrümmt Gehende“ – angelehnt an die Symptome der von Mücken übertragenen Virusinfektion. Eigentlich eher in Afrika und Südostasien verbreitet, gibt es erste Ansteckungsfälle inzwischen auch bei uns in Europa.

Der Überträger der Infektion ist die Tigermücke – und die breitet sich aus den Tropen inzwischen auch hierzulande aus. Sie kann Menschen mit dem Zika-Virus, Denguefieber und eben dem Chikungunya-Virus (CHIKV) anstecken. Durch Warentransporte und Reisetätigkeiten wurde sie auch nach Deutschland eingeschleppt.

Facharzt: Virus wird auch in  Deutschland übertragen

Chikungunya-Fälle gab es in Deutschland zunächst nur, weil bereits Infizierte aus dem Urlaub oder von Geschäftstrips zurückgereist waren –  doch erstmals ist jetzt wohl ein Mensch im französischen Elsass direkt von einer Mücke infiziert worden, eine sogenannte autochthone Übertragung. Und auch in Baden-Württemberg gibt es Verdachtsfälle. Dort sind in diesem Jahr bereits 15 importierte Fälle gemeldet worden, im Vorjahr waren es nur drei.

Yannik Eggers ist Facharzt für Innere Medizin am Berliner Zentrum für Reise- und Tropenmedizin. Er sagt: „Es ist eine reale Gefahr, dass es auch in Deutschland zu vereinzelten Übertragungen von Chikungunya kommt. Wobei man damit rechnen muss, dass die Tigermücke nicht das gesamte Jahr aktiv ist, sondern vor allem in den Sommermonaten.“ Denn: „Dann ist es warm genug, dass sich die Mücken effizient reproduzieren. Auch das Chikungunya-Virus vermehrt sich bei hohen Temperaturen besser in den Mücken“, sagt er.

Weltweit erkrankten nach Informationen des Robert-Koch-Institut (RKI) 62.0000 Menschen an Chikungunya, 213 davon starben – eine sehr geringe Sterbequote zwar, doch die Symptome des CHIKV sind unangenehm und oft langwierig. In der akuten Phase sind es Fieber und starke Kopf- und Gelenkschmerzen. Bei 40 Prozent bleiben arthritische Beschwerden über Wochen, Monate oder sogar Jahre bestehen, so das RKI. Daher kommt auch der ursprüngliche Name des Virus, „der gekrümmt Gehende“: Durch die Schmerzen bewegen sich Betroffene oft gebückt.

Es können nur die Symptome bekämpft werden, nicht die Krankheit an sich. Yannik Eggers berichtet von einem Fall: Ein Franzose, um die 50, hatte sich mit Chikungunya infiziert. „Er hatte das typische Gangbild, sehr starke Schmerzen in den Sprunggelenken und den Knien, auch die Handgelenke und Finger waren betroffen. Er brauchte sehr starke Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente.“

Die gute Nachricht: Nach einer durchgemachten Infektion bleibt eine vermutlich lebenslange Immunität bestehen. Und es gibt zwei Impfstoffe, Vimkunya und Ixchiq. Erstmals empfiehlt jetzt auch die Stiko eine Impfung gegen Chikungunya als Reiseimpfung für Menschen ab zwölf Jahren, die in bestimmte Gebiete reisen. Das sind aktuell etwa:

  1. Bolivien
  2. Kenia
  3. Madagaskar
  4. Mauritius
  5. Mayotte
  6. La Réunion
  7. Somalia
  8. Sri Lanka

Chikungunya ist nicht die erste oder einzige Tropenkrankheit, die sich auch in Europa ausbreitet: Auch Denguefieber, das Zika-Virus oder West-Nil-Fieber gab und gibt es bereits, eingeschleppt unter anderem von der Tigermücke. Die findet dank des Klimawandels auch im Westen immer bessere Lebensbedingungen.

Und sie vermehrt sich prächtig, in Deutschland vor allem im Südwesten, kürzlich wurde sie auch im Rhein-Erft-Kreis und in Bonn nachgewiesen. Im Mittelmeergebiet ist die tagaktive Mücke bereits heimisch geworden. Eggers sagt: „Mittelfristig werden durch die Erderwärmung mehr Gebiete für die Tigermücke bewohnbar werden. Dort können dann auch die Viren übertragen werden.“ Und: „Das Chikungunya-Virus kommt in den Sommermonaten gut mit den Temperaturen hier in Deutschland zurecht.“

Die Tigermücke loszuwerden, dürfte jedenfalls kaum mehr möglich sein. „Zunächst müsste man feststellen, wo es sie schon gibt und idealerweise auch aktiv testen, ob sie die Erkrankung in sich tragen“, sagt Eggers. „Das macht man teilweise auch schon, z. B. in Berlin. Es gibt auch Bekämpfungsmaßnahmen, z. B. indem man biologische Insektizide einsetzt und Brutplätze der Mücke – Brunnen und Blumenuntersetzer etwa – abdeckt.“

Doch auch unsere heimischen Stechmücken können z. B. das West-Nil-Fieber übertragen – und sie tun es auch schon. In Italien hat es diesen Sommer bereits Infektionen mit dem West-Nil-Virus gegeben: In der vergangenen Woche starb eine 82-Jährige aus der Nähe von Rom daran. Nach offiziellen Angaben gibt es aktuell in der Region noch sechs weitere bestätigte Fälle. Zwei Patienten im Alter von 63 und 72 Jahren befinden sich demnach in kritischem Zustand im Krankenhaus. Häufig betroffen vom West-Nil-Fieber sind laut RKI außerdem Griechenland, Frankreich und weite Teile des Balkans, weiter nördlich auch Teile von Rumänien, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Österreich. Das Virus kann auch auf Pferde übertragen werden, schwere Verläufe können für die Tiere tödlich sein.

Mückenschutz auch nach der Reise

Yannik Eggers sagt, um Ausbrüche anderer Krankheiten wie Chikungunya zu vermeiden, wäre es hilfreich, „wenn sich jeder, der solchen Gebieten zurückkehrt, sich auch hier zwei Wochen nach Rückreise vor Moskitostichen schützen würde.“ Denn so kann eine Übertragung einer – womöglich unbemerkt gebliebenen – Erkrankung via Mücke verhindert werden. Und sehr wichtig sei: Patienten und Hausärzte sollten Tropenkrankheiten auf dem Schirm haben, wenn bestimmte Symptome auffallen, so Eggers. Auch, wenn der oder die Betroffene nicht im Urlaub war: „Man sollte die Möglichkeit einer autochthonen Übertragung in Betracht ziehen.“

Die größere Gefahr, sich eine Tropenkrankheit einzuhandeln, besteht für die meisten Menschen aus Europa noch immer im Urlaub. Insbesondere bei weiter entfernten Reisezielen ist es daher wichtig, sich mit den Impfempfehlungen auseinanderzusetzen – und sich gegen Mücken zu schützen, mit Repellents (die WHO empfiehlt Mittel mit dem Wirkstoff Deet oder Icaridin) und Moskitonetzen sowie langer Kleidung.