Mit einem Eispickel ermordetWie Stalin seinen Todfeind Trotzki jagte

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Auf dem Gipfel seines Ruhms: Trotzki (ganz links) Anfang der 20er Jahre bei einer Parade. Ganz rechts steht Stalin, der ihn später stürzte und ermorden ließ.

von Maternus Hilger (hil)

Moskau – Er war der militärische Kopf der russischen Revolution, ein genialer Organisator und brillanter Redner – Leo Trotzki. Dass die Bolschewiki unter ihrem Führer Lenin (1870–1924) nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 ihre Macht behaupten konnten, verdankten sie vor allem ihm.

Lange Zeit hatte Lenins roter Kriegsherr die besten Chancen, eines Tages die Revolutions-Ikone zu beerben. Doch es sollte ganz anders kommen.

Wie Leo Trotzki eigentlich hieß

Trotzki verlor den Machtkampf gegen seinen Erzrivalen und Todfeind Stalin (1878–1953), der ihn aus allen Ämtern jagte, ins Exil schickte und schließlich von einem Agenten in Mexiko brutal ermorden ließ.

Geboren wurde Lew Dawidowitsch Bronstein, wie Trotzki mit richtigem Namen hieß, als Spross einer wohlhabenden Bauernfamilie in der Ukraine. Schon in seiner Jugend wurde der radikale Marxist zu einem erbitterten Gegner des zaristischen Russlands.

Seine Stunde schlug während der Oktoberrevolution

Mehrfach verurteilt, konnte er immer wieder fliehen. Über viele Jahre führte er ein rastloses Emigrantenleben – wie Lenin auch, mit dem der Verfechter der „permanenten Revolution“ zeitweise eine Wohnung in London teilte.

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Lenin bei einer Rede im Jahr 1920. Rechts neben der Bühne steht Trotzki. Ihn ließ Stalin später wegretuschieren.  

Seine Stunde schlug beim Aufstand im Oktober 1917 gegen die Regierung von Alexander Kerenski, die nach dem Sturz des Zaren das vom Weltkrieg ausgeblutete Riesenreich nicht in den Griff bekam. Er sorgte entscheidend dafür, dass die Bolschewiki triumphierten.

Leo Trotzki schuf die Rote Armee

Doch noch war die Revolution nicht in trockenen Tüchern. Mit der „Roten Armee“ schuf Kriegskommissar Trotzki eine schlagfertige Truppe, die von 1918 bis 1921 in einem gnadenlos geführten Bürgerkrieg mit furchtbaren Gräueltaten die „Weißen Armeen“ der Zarenanhänger besiegte.

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Trotzki selbst reiste in einem Panzerzug von Front zu Front, um die roten Truppen anzustacheln. Um die Gegner zu zermürben, wurde auf Befehl Lenins sogar die in Jekaterinburg inhaftierte Zarenfamilie bestialisch ermordet. Trotzki war im Bilde. Erbarmen kannten weder er noch Lenin.

Machtkampf um Lenins Erbe 

Trotzki war inzwischen einer der wichtigsten Männer im Machtzentrum der Partei. Doch er hatte Feinde. Lenin war zwar der unumstrittene Führer, aber hinter den Kulissen tobte ein Machtkampf um sein Erbe.

Drahtzieher war Generalsekretär Josef Stalin. Er setzte alles daran, den populären Trotzki zu diskreditieren und vom Sockel zu stoßen. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit.

Auch Lenin konnte Stalin nicht leiden 

Miteinander verfeindet waren der Intellektuelle Trotzki und der grobschlächtige Georgier Stalin seit vielen Jahren. Selbst Lenin mochte Stalin nicht.

Noch kurz vor seinem Tod empfahl er, Stalin als Generalsekretär abzulösen und lobte Trotzki als „fähigsten Mann im gegenwärtigen Zentralkomitee“. Doch da war Trotzki schon isoliert.

Als Lenin 1924 starb, hatte Stalin bereits alle Schlüsselstellen im Parteiapparat mit seinen Gefolgsleuten besetzt – darunter Revolutionäre der ersten Stunde, die er später fallen ließ.

Schauprozesse gegen die Bolschewiki

Er wollte die Alleinherrschaft, die alte Garde der Bolschewiki musste weg. Nach und nach verlor sie ihre Posten. Einige – wie Bucharin, Sinonjew oder Kamenew – wurden in Schauprozessen verurteilt und hingerichtet. Wie Hunderttausende Russen auch, die während Stalins Terrorherrschaft den Säuberungsaktionen zum Opfer fielen. 

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Trotzkis Mörder: der Sowjet-Agent Ramón Mercader

Auch Trotzki, der den „Bauerntölpel“ Stalin, wie er ihn einmal abfällig nannte, unterschätzt hatte. Doch er durfte am Leben bleiben. Noch. Als Held des Bürgerkrieges war er zu populär – und so kurz nach Lenins Tod wollte Stalin kein Risiko eingehen.

Allerdings verlor Trotzki seine Ämter, seine Schriften wurden verboten, und seinen Namen ließ Stalin aus Dokumenten tilgen.

Trotzki floh nach Mexiko

Auch von alten Fotos mit Stalin oder Lenin verschwand Trotzki. Stalin ließ ihn wegwegretuschieren. 1929 wurde er aus dem Land gejagt – über viele Stationen kam er schließlich nach Mexiko, das ihm Asyl gewährte.

Doch Stalins langer Arm reichte weit. In Abwesenheit ließ der Diktator ihn 1936 in einem Schauprozess zum Tode verurteilen – und gab dem Geheimdienst den Befehl, ihn umzubringen.

Der erste Versuch Ende Mai 1940 scheiterte. 20 als Polizisten verkleidete Agenten stürmten sein Haus am Rande von Mexiko-Stadt. Doch die Bewacher schlugen sie zurück. Drei Monate später hatte Trotzki aber kein Glück mehr.

Er kannte seinen Mörder

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In der Klinik: Trotzki überlebte den Anschlag – einen Tag.

Im Haus verkehrte seit einiger Zeit ein junger Mann, der sich durch eine Affäre mit Trotzkis Sekretärin Zugang verschafft hatte. Er nannte sich Frank Jacson, in Wahrheit aber hieß er Ramón Mercader und war ein aus Barcelona stammender Agent des Sowjetgeheimdienstes NKWD.

Als er Trotzki eines Tages bat, sich einen von ihm geschriebenen Artikel anzusehen, willigte der ein. Es war sein Todesurteil. Als der Alt-Revolutionär sich am 20. August 1940 an seinem Schreibtisch über den Artikel beugte, hämmerte der Mörder von hinten einen Eispickel in Trotzkis Schädel.

Täter saß 20 Jahre im Gefängnis 

Blutüberströmt brach der zusammen. Am Tag darauf starb er. Stalins Auftragskiller wurde überwältigt und später zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er vollständig verbüßen musste. Nach seiner Freilassung lebte er u.a. in Prag, Moskau und auf Kuba, wo er 1978 starb. Hoch dekoriert.

Schon 1940 hatte Stalin ihn mit dem Leninorden ausgezeichnet. 1960 – da war der Diktator schon sieben Jahre tot – folgte der „Goldene Stern“, der den gedungenen Mörder zum „Helden der Sowjetunion“ kürte.