Erinnern Sie sich?Thüringen: 2010 tat sich Mega-Krater auf – wie ist die Lage heute?

von Julia Bauer (jba)

Schmalkalden – Genau 10 Jahre ist es inzwischen her, doch die Folgen des Erdfalls im thüringischen Schmalkalden spüren die Bewohner noch heute: Am 1. November 2010 verschwinden plötzlich Erdteile in einem 17 Meter tiefen Krater – ein riesiges Loch in der Erde tut sich auf. Heute ist genau an dieser Stelle noch immer keine Ruhe eingekehrt.

Vor dem Haus von Anwohnerin Ute Schütze erinnert eine Kiesdecke die Schmalkaldenerin an das Unglück.

Aus dem Nichts, ohne jede Vorwarnung, bildete sich damals am frühen Morgen in dem Wohngebiet mit Einfamilien- und Reihenhäusern ein Krater, der sich schnell auf einen Durchmesser von etwa 30 Metern ausdehnte.

Schmalkalden: 17 Meter tiefer Krater tat sich auf

Das Loch zog ein Auto, Garagenteile und ein Stück Garten in die Tiefe. Das, was sich an jenem 1. November 2010 ereignete, war ein sogenannter Erdfall. Ein Naturphänomen, das durch einen unterirdischen Hohlraum hervorgerufen wird. Zu diesem Schluss kamen Fachleute des heutigen Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN).

Unter Geologen gilt der Erdfall von Schmalkalden als einer der spektakulärsten überhaupt hierzulande. Darüber berichtet „ntv.de“. 

Anwohnerin Ute Schütze musste damals hilflos dabei zusehen, wie auch Teile ihres Grundstücks in dem 17 Meter tiefen Krater verschwanden.

Erdfall in Schmalkalden: Verletzt wurde glücklicherweise niemand

„Das war ein fürchterliches Getöse.“ An den Kraterrand angrenzende Häuser mussten laut Bürgermeister Thomas Kaminski geräumt werden.

Er sagt aber auch: „Wir haben aber ein Riesenglück gehabt.“ Denn: Niemand wurde verletzt. Zum Zeitpunkt des Erdfalls – um 3 Uhr in der Früh – sei keine Menschenseele auf der Straße gewesen.

„Wer weiß, was passiert wäre, wenn sich der Erdfall Stunden später im Berufsverkehr ereignet hätte“, gibt Kaminski zu denken. Wohl wahr. 

Betroffene Hausbesitzer bekamen 10.000 Euro

Schon kurz nach dem Vorfall wurde damit begonnen, das entstandene Erdloch zu füllen. Eineinhalb Wochen lang brachten Lastwagen tagsüber und auch nachts Kies zum Krater. 

Dieser wurde sodann von einem Spezialbagger in das Erdloch gekippt. „Das musste schnell gehen, denn die Häuser oberhalb des Kraters drohten zu rutschen“, erinnert sich Bürgermeister Kaminski.

Anwohner mussten teilweise mehrere Monate in Ausweichquartieren ausharren. Die damalige Landesregierung beschloss Soforthilfen – betroffene Hausbesitzer erhielten jeweils 10.000 Euro. Außerdem gab es Spenden von der Evangelischen Kirche und Diakonie.

Folgen hat der Erdfall bis heute

Doch wie ist die Lage heute? Folgen hat der Erdfall nach wie vor. „Es ist immer noch eine leichte Senkung im Erdfallumfeld messbar“, sagt Sven Schmidt, Geologe beim TLUBN.

Die Fachleute der Behörde haben ein Beobachtungs- und Frühwarnsystem am verfüllten Krater installiert. Messgeräte lösen bei Absenkungen einen Alarm aus, unterirdische Spezialmikrofone sollen Erschütterungswellen und Geräusche aufnehmen.

Anwohnerin Ute Schütze nimmt bis zum heutigen Tag Veränderungen wahr. Sie würde Verschiebungen am Boden ihres Schuppens und am Hoftor erkennen, sagt sie.

Trotzdem habe sie keine Angst vor einem erneuten Erdfall. Sie habe nach dem Unglück von 2010 viel Geld in Befestigungen und die Erfüllung von Bauauflagen investiert. „Ich vertraue den Befestigungen, auch wenn es nachts mal knackt.“

Straßenbau über Krater „zu gefährlich“

Der Bau einer Straße über den Krater sei laut Aussage des Bürgermeisters wegen der Bewegungen nicht möglich – „zu gefährlich“.

Thüringen ist nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe das Bundesland mit dem höchsten Risiko für natürliche Erdfälle.

Auf etwa 60 Prozent der Fläche müsse damit gerechnet werden, sagt der für Gefährdungsanalysen zuständige Bereichsleiter Thomas Lege.

Risikogebiete: Ablagerungen von Salz- und Gipskarstgesteinen

Zum Vergleich: In Baden-Württemberg beispielsweise würde das für 40 Prozent der Landesfläche gelten, in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern hingegen sei das Risiko quasi gleich null. Als Risikogebiete werden etwa Ablagerungen von Salz- und Gipskarstgesteinen ausgemacht.

Ausspülungen etwa durch Grundwasser können dann zu Hohlräumen führen, wie Geologe Schmidt erläutert.

Zwischen zehn und 30 Erdfälle werden in Thüringen nach Schmidts Angaben jährlich gemeldet. Eine Vorhersage sei aber schwierig. Man könne letztlich „nur beobachten“. (jba)