Ein erschütterndes Foto des Holocaust, eine jahrzehntelange Suche: Ein deutscher Historiker hat nun mithilfe von KI den mutmaßlichen Schützen auf einem der bekanntesten Bilder aus der NS-Zeit identifiziert.
Historiker löst RätselSchütze auf Holocaust-Foto

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Das gezeigte Foto wurde so beschnitten, dass die Grube mit zahlreichen Leichen nicht zu sehen ist. Es zeigt den mutmaßlichen Todesschützen Onnen.
Es ist eines der erschütterndsten Bilder des Holocaust: Ein Mann kniet vor einer Grube voller Leichen, ein Soldat zielt mit einer Pistole auf seinen Kopf.
Jahrzehntelang war unklar, wer die Männer auf dem Foto sind und wo es aufgenommen wurde. Nun hat ein deutscher Historiker das Rätsel offenbar gelöst.
Der Historiker Jürgen Matthäus hat nach jahrelanger, akribischer Puzzlearbeit den mutmaßlichen Todesschützen identifiziert. Demnach entstand die Aufnahme am 28. Juli 1941 in der Zitadelle von Berdytschiw in der heutigen Ukraine. Das berichtet „The Guardian“.
Eine entscheidende Rolle spielte ein Hinweisgeber. Nachdem Matthäus erste Forschungsergebnisse veröffentlicht hatte, meldete sich ein Leser, der den Schützen als den Onkel seiner Frau, Jakobus Onnen, wiederzuerkennen glaubte.
Obwohl Briefe von der Ostfront in den 1990er Jahren vernichtet worden waren, existierten noch Bilder von ihm. Das internationale Recherchekollektiv Bellingcat konnte diese für eine KI-Bildanalyse nutzen.
„Die KI-Expertinnen und -Experten sagen mir, dass es bei einem historischen Foto schwieriger sei, eine Übereinstimmung von 98 oder 99,9 Prozent zu erreichen“, so Matthäus. Die starke Ähnlichkeit, kombiniert mit weiteren Indizien, habe ihm jedoch die Sicherheit für eine Veröffentlichung gegeben.
Der mutmaßliche Todesschütze Onnen ist 1943 gefallen
Recherchen ergaben: Der mutmaßliche Todesschütze Onnen, geboren 1906, war Lehrer für Französisch, Englisch und Sport und trat der NSDAP bereits vor 1933 bei. Er gehörte dem Einsatzkommando C an, das den Auftrag hatte, die Region von „Juden und Partisanen“ zu säubern.
Der Historiker beschrieb die Identifizierung als einen „schrittweisen Prozess“ aus Archivarbeit, Zufällen und der Hilfe von Freiwilligen.
Zu der Pose des Schützen sagte Matthäus: „Der Grund, warum er dort posiert, die Art, wie er sich darstellt – ich denke, das soll beeindrucken.“ Onnen fiel im August 1943 im Krieg. (red)